Darf ein Veganer lachen?

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Foto (Ausschnitt): libertine101, CC BY 2.0

Veganer wird man nicht, weil Veganer als lustige Clique gelten und einen Witz nach dem anderen abfeuern. Im Gegenteil heißt es, militante Veganer hätten überhaupt keinen Sinn für Humor. Der Veganismus sei für sie eine Ersatzreligion, sie wollten der Menschheit jegliche Freude verbieten und spuckten Leuten bei McDonalds ins Essen. Gibt es also überhaupt so etwas wie einen veganen Humor?

Humor der Unverstandenen – Humor der Unverständlichen

Aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft erfüllen Veganer viele Voraussetzungen, um ein sehr trostloses Leben zu führen. Sie haben sich freiwillig einer Minderheit angeschlossen, die ihr Dasein umgeben von Menschen fristet, die eine völlig andere Meinung vom Umgang mit Tieren haben. Und auch die Veganer selbst sind sich des über sie vorherrschenden Stereotyps von Menschen mit todernster Miene bewusst. „Um mit dem täglichen Leiden in sogenannten Tierfabriken fertig zu werden, braucht man Mut und Kraft. Diese Bilder graben sich tief ins Gedächtnis ein. Sie lösen Albträume aus. Das kann einem nicht nur den Appetit nehmen, sondern auch den Sinn für Humor“, erklärt sich diese Wahrnehmung Lisa-Michelle, eine Molekularbiologin und aktives Mitglied der Organisation Berlin-Vegan.

Nicht einmal unter ihresgleichen treffen Veganer immer auf Verständnis. Wer einmal die Diskussionen in ihrer tschechisch-slowakischen Facebook-Gruppe verfolgt hat, weiß wie schnell ein Bruderkrieg ausbricht, wenn jemand ein Foto mit Keksen teilt, die Palmöl enthalten… ein typischer Tag in einer Facebook-Gruppe eben.

Ganz gleich, ob die vegane Facebook-Community überhaupt als repräsentativ gelten kann: Humor spielt in ihr keine große Rolle. Die meisten Diskussionen sind pragmatischer Art und drehen sich etwa um Erfahrungen mit Restaurants oder neu entdeckte und leicht erhältliche Produkte ohne tierische Inhaltsstoffe. Ebenso gibt es mal grausame mal niedliche Videos mit Tieren. Vielleicht teilen Veganer solche Inhalte auch auf ihren privaten Profilen, aber haben sie auch bei nicht-veganen Freunden Erfolg? Die Erfahrung von Simona, einer tschechischen Veganerin, die in Los Angeles lebt, deutet eher auf das Gegenteil hin: „Neulich habe ich auf meinem Profil etwas von der Seite Vegan Humor geteilt, aber außer mir fand das niemand witzig.“

Den Namen Vegan Humor trägt auch eine öffentliche Facebook-Gruppe, die Menschen weltweit vernetzt. Aber abgesehen von einigen Videos, in denen Tiere mehr oder weniger lustige Dinge tun, und ein paar vereinzelten Memes entwickelt sich paradoxerweise nicht einmal dort ein definierbarer subkultureller Humor.

Ein Loblied auf die Memes

Der Ruf des veganen Sinns für Humor wird zum Glück durch spezialisierte Seiten in den sozialen Netzwerken aufpoliert. Dank der Verbreitung und der Beliebtheit visueller Memes, sind diese Internetphänomene zum wohl meistgenutzten Werkzeug humorhungriger Veganer avanciert. Zwar gibt es keine offiziellen Statistiken über die verwendeten Hintergrundbilder. Ein flüchtiger Blick legt jedoch nahe, dass der sogenannte facepalm dominiert, also eine Geste der verzweifelten Fassungslosigkeit über die Dummheit der anderen, bei der das Gesicht mit einer Handfläche verdeckt wird. Beliebt sind aber auch eigenartig dreinblickende Menschen und Erdmännchen. Es verwundert kaum, dass sie sich diese Memes inhaltlich oft mit Argumenten der Nicht-Veganer auseinandersetzen, die aus einer veganen Perspektive betrachtet lächerlich und absurd erscheinen müssen.

Kultstatus unter den Projekten des gezeichneten veganen Humors genießen die Comics Vegan Sidekick. Deren Urheber, ein bescheidener Brite, hat bisher nur einmal anstelle eines Comicstrips ein Foto von sich selbst geteilt – nur, um zu beweisen, dass der Muskelumfang nicht mit der Menge der verzehrten Muskelmasse anderer Lebewesen zusammenhängt. Die Pointen von Vegan Sidekick bestehen oft im Zerpflücken bestimmter sozialer Situationen und ihrer kompromisslosen Neuauslegung. Die Überzeugung, dass es normal oder sogar notwendig sei, Kuhmilch zu trinken, illustriert beispielsweise die Zeichnung eines Menschen, der wie eine Zecke an einer Kuh hängt und mit dem Mund an ihrem Euter saugt. Der Zeichner muss gar nicht schreiben „Das ist schlecht!“. Er hat ein besonderes Talent dafür, die Wirklichkeit so zu zeigen, wie Veganer sie wahrnehmen und dies humorvoll in eine Botschaft zu übertragen, die auch jene verstehen, die tierische Produkte essen oder benutzen.

Innerhalb seines Genres fühlt er sich so souverän, dass einer seiner jüngeren Posts an Aufruf an Fleischesser war, die seinem Facebook-Profil folgen. (Und das sind überraschend viele und sie kommentieren gerne und oft.) Er bat sie, ihm beliebige Argumente gegen Veganismus zu schicken, damit er sie verarbeiten kann. Das Spektrum seiner Comics ist aber auch so schon erschöpfend und dank der Einfachheit in der Umsetzung geben die Strips die „vegane Botschaft“ wesentlich anschaulicher und verständlicher wider als Parolen à la „Go vegan!“ oder „Mach aus deinem Magen keinen Friedhof!“.

Gegen die Ungerechtigkeit

Deutlich weniger machen sich Veganer im Internet über sich selbst lustig. Eine witzige vegane Version der Debilní kecy sucht man wie die Nadel im Heuhaufen, selbst wenn sie von Nicht-Veganern stammen sollte. Unter denen wiederum punktet immer noch der Evergreen: „Woran kann man einen Veganer erkennen? Er sagt es dir.“

Das europäische Festland sprüht nicht gerade vor veganem Humor. In Amerika hingegen erfreut sich der Stand-up-Comedian Myq Kaplan einer stetig wachsenden Fangemeinde. Seinen Auftritt bei America’s Got Talent begann er mit den Worten: „Die Leute glauben manchmal, ich sei schwul. Wahrscheinlich deshalb, weil ich Veganer bin.“ Ihm gegenüber saß in der Jury der Schauspieler Neil Patrick Harris, der zwar kein Veganer ist, aber schwul (und über den Witz lachte). Im Unterschied zu Vegan Sidekick nimmt Myq Kaplan nicht direkt die Nicht-Veganer aufs Korn, oft gerade im Gegenteil. „Ich bin mir im Klaren darüber, dass die meisten Menschen weder Vegetarier noch Veganer sind, und dass viele Stereotypen, Konnotationen und falsche Vorstellung über diesen Lebensstil existieren“, sagte er in einem Interview auf dem Youtube-Kanal Bite Size Vegan. Veganismus ist auch nicht sein einziges Thema, aber wie er selbst sagt, inspiriert ihn jede Form von Ungerechtigkeit und Diskriminierung – ganz gleich ob es eine soziale, sexuelle, ethnische oder gattungsspezifische ist.

Die Schaffung einer komplexen Subkultur des Humors gehört sicher nicht zu den Hauptzielen des Veganismus. Humor könnte aber zu seinem Werkzeug werden. Kommentare unter den Comics Vegan Sidekick schreiben nicht nur Hater, sondern auch User, die das Projekt dank seiner Art von Humor und seiner klaren Logik zum veganen Lebensstil inspiriert hat. Bisher gilt aber nach wie vor, dass Humor keine Eigenschaft ist, die man Veganern wie selbstverständlich zuschreiben würde. Der vegane Humor verfügt dennoch bereits über eine Basis und hat das Potential zu wachsen – und selbst wenn er nicht zu Geheimwaffe der Veganer werden sollte, hat er das Zeug dazu, sie zumindest gut unterhalten.

Debilní kecy (auf Deutsch etwa „Blöde Sprüche“ im Sinne von nervigen oder dämlichen Kommentaren) ist ein durch das Format der amerikanischen Webserie Shit Girls Say inspiriertes tschechisches Internetphänomen.
Klára Bulantová
Übersetzung: Patrick Hamouz

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
Dezember 2015

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