Online-Projekt „Re-Visiting Orientalism“
Klischee trifft Wirklichkeit
In der Online-Ausstellung „Re-Visiting Orientalism“ des Goethe-Zentrums Baku treffen orientalistische Gemälde aus dem 19. Jahrhundert auf aktuelle Videoaufnahmen. Für „Goethe aktuell“ erklärt der Künstler Andréas Lang, wie orientalistische Zerrbilder den Blick auf den Nahen Osten, Asien und Nordafrika bis heute prägen.
Von Andréas Lang
Seit Edward Saïd im Jahr 1978 sein einflussreiches Werk „Orientalismus“ veröffentlicht hat, wird der Begriff Orientalismus in vielen akademischen Diskursen verwendet, um auf eine insgesamt abwertende westliche Sicht auf den Nahen Osten, Asien und Nordafrika hinzuweisen. Nach Saïds Analyse charakterisiert der Westen diese Gesellschaften als statisch und unterentwickelt – und schafft damit einen Blick auf die orientalische Kultur, der im Dienste der imperialen Herrschaft gelernt, dargestellt und reproduziert werden kann. Diese Konstruktion impliziert, so Saïd, dass die westliche Gesellschaft im Gegensatz dazu entwickelt, rational, flexibel und überlegen ist.
Orientalistische Zerrbilder
Solche orientalistischen Ansichten und Zerrbilder sind tief in der westlichen Gesellschaft verwurzelt und stellen weiterhin ein Problem in der westlichen Sicht auf die nahöstliche, nordafrikanische und islamische Welt dar. Der Orientalismus wurde zu einem gedanklichen Rahmen für alle westlichen hegemonialen, kolonialen Bestrebungen und zu einer Möglichkeit, den Orient umzustrukturieren und Macht über ihn auszuüben.
Ein Bild außerhalb von Geschichte und Wirklichkeit
In der Kunst- und Filmgeschichte, in der Bilder von Mysterien, sinnlichen Phantasien und Projektionen reproduziert und klischeehaft dargestellt werden, wird das Abbild zu einem Bild außerhalb von Geschichte und Wirklichkeit. Seit den frühen Werken von Georges Méliès bis hin zu „Lawrence von Arabien“, „Indiana Jones“ oder „Star Wars“ hat die Bildsprache des Orientalismus im Film einen wichtigen und alles durchdringenden Platz gefunden. Sie ist die Schöpferin des Anderen, und heute wird diese Bildsprache auch von den Einheimischen und der Tourismusindustrie gerne reproduziert. So gibt es zum Beispiel in Istanbul an beliebten Tourist*innenorten zahlreiche kleine Fotostudios, in denen sich Besucher*innen in historische osmanische Kostüme kleiden können.