Episoden des Südens
Neue Perspektive(n)

Relikt der Maya oder Geschenk fürs Jesuskind?
Relikt der Maya oder Geschenk fürs Jesuskind? | Foto: Robin Junicke

Die Dekolonialisierung des Denkens ist erklärtes Ziel der „Episoden des Südens“. Das vielstimmige Projekt der Goethe-Institute in Südamerika macht Perspektiven des globalen Südens sichtbar. Bei der Ruhrtriennale trafen Künstler, Soziologen und Kunsthistoriker auf PACT Zollverein zusammen, führten Dialoge mit Objekten und näherten sich dem Thema künstlerisch und musikalisch.

In der Mitte der Arena steht ein Gefäß, aus Ton vermutlich. Darauf abgebildet sind Tiere und andere Gestalten, Gottheiten vielleicht. Ein archäologisches Artefakt oder ein Wink aus der Zukunft? Eine Vase, ein Relikt der Maya, ein Geschenk fürs Jesuskind, eine Sammelbox für ausländische Geldmünzen? Beim „Dialog mit Objekten“ wird angeregt spekuliert, mal konzentriert und sachlich, mal heiter und persönlich. Es sind Wissenschaftler, Performer, Musiker und Publizisten, die hier frei assoziieren. Das Goethe-Institut und PACT Zollverein hatten sie eingeladen, dank unterschiedlichster Lesarten eine globale Kunstgeschichte zu erproben.
 

  • Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, hat das Wort Foto: Jana Mila Lippitz

    Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, hat das Wort

  • Eine Frage an das Objekt aus dem Publikum Foto: Robin Junicke

    Eine Frage an das Objekt aus dem Publikum

  • Varna Marianne Nielsen aus Grönland spielt die Trommel Foto: Robin Junicke

    Varna Marianne Nielsen aus Grönland spielt die Trommel

  • Gemeinsam analysieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Objekte Foto: Robin Junicke

    Gemeinsam analysieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Objekte

  • Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, hat das Wort Foto: Jana Mila Lippitz

    Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, hat das Wort

  • Eine Frage an das Objekt aus dem Publikum Foto: Robin Junicke

    Eine Frage an das Objekt aus dem Publikum

  • Varna Marianne Nielsen aus Grönland spielt die Trommel Foto: Robin Junicke

    Varna Marianne Nielsen aus Grönland spielt die Trommel

  • Gemeinsam analysieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Objekte Foto: Robin Junicke

    Gemeinsam analysieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Objekte



Einen grönländischen Schauspieler erinnert das Gefäß an einen Joghurtbecher. Ein irischer Musiker möchte gerne den Klang der Schale hören. Eine deutsche Journalistin stellt Fragen ans Objekt. Und eine südafrikanische Dozentin denkt über die mögliche Macherin nach, über eine junge Frau, deren Träume und Beweggründe. Die Blickrichtungen auf dieses vorher unbekannte Kunstobjekt sind so verschieden wie die Menschen dahinter, wie deren Kultur, Herkunft, Ausbildung oder Lebenserfahrung.

Rettung Europas im Blick

„Es gibt keine allgemeingültige Form des Analysierens und Bewertens“, sagt Katharina von Ruckteschell-Katte, Leiterin des Goethe-Instituts São Paulo und Initiatorin des Projekts „Episoden des Südens“. Verschiedene Blickweisen sichtbar zu machen, ist ein Ziel des Projekts. Westliche Denkgewohnheiten können so radikal gebrochen, erweitert und bereichert werden. Und von Ruckteschell-Katte geht noch weiter: „Wir wollen uns positionieren. Mein – vielleicht etwas idealistischer – Traum ist die Rettung Europas.“ Rettung durch Vielfalt.

Die „Episoden des Südens“ starteten vor drei Jahren und touren seitdem in verschiedenen Veranstaltungen durch die Welt. Neben den Dialogen mit Objekten gab es etwa Diskussionsrunden zur Zukunft der Museen, eine Videokonferenz zum Afro-Futurismus, eine Ausstellung zu bedrohten Sprachen oder Protestkonzerte. Bei der Ruhrtriennale trafen bei „Episoden des Südens – the other way around“ auf PACT Zollverein nun viele „Episoden“-Macher erstmals zusammen. Da bündelten sich die gesellschaftlichen Kontexte, die reflexiven und künstlerischen Eindrücke. An drei Abenden wurden in unterschiedlichen Formaten die Perspektiven gewechselt, Diversitäten offenbart und Teilhabe praktiziert.

Schamanismus und Trommelschlag

Der brasilianische Soziologe Laymert Garcia kennt sich aus, wenn es um die Überwindung von geografischen und kulturellen Grenzen geht. Der Universitätsprofessor aus São Paulo arbeitet mit dem Yanomami-Volk im Amazonas-Gebiet zusammen und entwickelte von 2006 bis 2010 mit den Schamanen eine Oper. Im Gespräch mit Varna Marianne Nielsen lotet er auf der PACT-Bühne Besonderheiten der Musiksprache der Inuit aus. Nielsen ist Schamanin und Musikerin aus Grönland und hat die traditionelle Trommel eines Freundes mitgebracht. Wenn sie die Trommel schlägt, schwingt ihr gesamter Körper, dann spricht ihr Körper. Denn es sei der individuelle Herzschlag des Musikers, der den Rhythmus vorgebe, erklärt Nielsen. Das erschwere auch die Notation, antwortet sie auf eine Frage aus dem Publikum.

Die „Episoden des Südens“ ermöglichen einen direkten, barrierefreien Zugang zu Kulturen, denen man in Deutschland, in Europa sonst selten begegnet. Sie werden nahbar, greifbar, anwendbar.

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