„Pocket Democracy“
Digitaler Aktivismus

Das offizielle Logo der Veranstaltung „Pocket Democracy“
Das offizielle Logo der Veranstaltung | Grafik: Goethe-Institut e.V./Thomas Mann House

Wie können wir digitale Lösungen nutzen, um uns vor Fake News und Diskriminierung zu schützen? Das war Thema der zweitägigen Veranstaltung „Pocket Democracy“, einer Kooperation zwischen Goethe-Institut und Thomas Mann House.

Von Nikolai Blaumer

„Wir hatten damals keine Gruppe von technisch besonders versierten Leuten um uns herum”, berichtete Opal Tometi, Mitbegründerin von Black Lives Matter und Keynote-Speakerin von „Pocket Democracy“, einer Veranstaltung von Thomas Mann House und Goethe Pop Up Seattle. „Wir haben einfach genutzt, was uns zur Verfügung stand – Twitter, Google forms und andere simple Programme. Und es hat funktioniert. Es ging den Leuten nicht bloß darum, zu klicken oder zu retweeten, sondern sie wollten auf die Straße gehen und zeigen, wir haben ein echtes Anliegen!”

Opal Tometi und ihre Mitstreiterinnen nutzen seit den Anfangstagen von Black Lives Matter digitale Tools, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Dies führte in den vergangenen fünf Jahren immer wieder zu Massenprotesten gegen rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung von Minderheiten. Die politischen Möglichkeiten ebenso wie die Gefahren digitaler Medien haben sich seit Bestehen der Bürgerrechtsbewegung multipliziert.

Opal Tometi und Thomas Mann Fellow Armen Avanessian
Opal Tometi und Thomas Mann Fellow Armen Avanessian | Foto: Goethe-Institut e.V./Thomas Mann House

Betrachte das Problem als Chance

Es vergeht kaum ein Tag, an dem internationale Medien nicht von Fake News, digitalen Echokammern oder neuen Überwachungspraktiken berichten. Gleichzeitig verbinden sich Protestierende in autokratischen Systemen über Smartphones, um sich über anrückende Sicherheitskräfte zu informieren; Initiativen arbeiten daran, diskriminierende Voreingenommenheiten innerhalb von Algorithmen aufzudecken und intelligente Applikationen sind in der Lage, zunehmend selbstständig vor manipulierten Bildern und Videos zu warnen.

Anliegen der zweitägigen Veranstaltung „Pocket Democracy“ – bestehend aus mehreren Workshops und öffentlichen Diskussionen in Seattle und Berlin – war es, aufzudecken, wie die politischen Auswirkungen neuer Kommunikationstechnologien eingegrenzt und in konstruktive Bahnen gelenkt werden können. Vor allem in Seattle wurde dabei an eine amerikanische Tugend erinnert: „Turn problems into opportunities!“ So ermutigte der indischstämmige Autor Ramesh Srinivasan das Publikum: „We can design technology according to our aspirations.” Der an der University of California in Los Angeles lehrende Designer führte zahlreiche Beispiele an, wie sich Kollektive aus Uganda, über Katalonien bis in die Berge von Oaxaca in Mexiko Autonomie erkämpfen, indem sie eigene digitale Netzwerke etablieren, aus Hardwareteilen neue Wertschöpfung generieren und sich Möglichkeiten erschließen, mithilfe von digitalen Mitteln gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

Teilnehmer*innen bei der Veranstaltung in Seattle
Teilnehmer*innen bei der Veranstaltung in Seattle | Foto: Goethe-Institut e.V./Thomas Mann House

Protest und Entscheidungsfindung

Nachdenklichere Töne schlug der Kommunikationswissenschaftler Alexander Sängerlaub an, der von der „Pocket Democracy“-Konferenz in Berlin aus nach Seattle zugeschaltet war. Sängerlaub gab zu bedenken, dass digitale Medien heute vor allem die Anfälligkeit für Desinformation und politische Manipulation erhöht hätten. Das Wegfallen journalistischer „Gatekeeper”, die lange Zeit als Qualitätsfilter gedient hätten, stelle derzeit eine Überforderung demokratischer Gesellschaften dar. Dies drücke sich in einer Polarisierung des politischen Spektrums aus. Es sei kaum absehbar, wie die mediale Öffentlichkeit in Deutschland oder in den USA heute mit demokratischen Mitteln stabilisiert werden könne. Am Ende blieb die Erkenntnis, dass es ein weiter Weg bleibt, bis die Energien von digitaler Empörung und Protest in echte politische Mitwirkung und Entscheidungsfindung überführt werden können. Es wird aber kaum eine Alternative dazu geben, diesen Weg zu gehen.

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