Friedrich von Borries
Luftpolitik: Theoretische Provokation

'Dynamics of Air' Projekt 'UN-Mahac'
© Friedrich von Borries

Nicht nur die Luft, die wir atmen, auch unsere städtischen Innenraumklimas und zunehmend sogar das Wetter und unser globales Klima werden bewusst gestaltet. Beabsichtigt oder unbeabsichtigt sind sie allesamt das Resultat von Entscheidungen, die auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene gefällt werden.

Von Dr Friedrich von Borries

Friedrich von Borries ist ein intellektueller Theoretiker, der sich insbesondere mit den sozialen und politischen Aspekten von Design befasst. Seine Praxis entwickelt sich um das Stellen von Fragen und das Formulieren von Provokationen, häufig auf der Basis fiktionaler Elemente. Von Borries ist daran interessiert, wie Design positiven Wandel hervorrufen kann, insbesondere aus sozialer Perspektive. Hier erläutert er sein für Dynamics of Air entwickeltes Projekt UN-Mahac.
 
UN-Mahac ist eine geheime Institution der Vereinten Nationen. Sie operiert hauptsächlich im Verborgenen. UN-Mahac steht für ‚United Nations Management and Harvesting of Clouds‘ (‚Vereinte Nationen, Management und Nutzbarmachung von Wolken‘). Die in den 1950er Jahren gegründete Institution sollte untersuchen, wie das Wetter auf globaler Ebene reguliert und kontrolliert werden kann. Neben der ursprünglichen Idee der Vermeidung von Dürrekatastrophen hatten zahlreiche Staatsoberhäupter möglicherweise weniger noble Ziele, da Wettermanipulation in Konfliktzeiten auch als Waffe eingesetzt werden kann.
 
Was sich selbst in einer von technischem Fortschritt geprägten Ära wie eine Zukunftsfantasie anhört, passte tatsächlich zur damaligen wissenschaftlichen Forschung. Diese wurde jedoch von UN-Mahac beeinflusst. Die Organisation unterstützte zahlreiche Wissenschaftler in ihrer Wetterforschung und initiierte Großprojekte. Dies führte einerseits zur Erstellung eines substanziellen Wolkenatlas: Entwicklungsregionen, Formierungsgeschwindigkeiten, Morphogenese und Bewegungen wurden dokumentiert, analysiert und kartiert.

Regnen oder nicht regnen

Andererseits förderte UN-Mahac mithilfe des amerikanischen, sowjetischen und später des chinesischen Militärs auch angewandte Forschung. Um nur einen der zahlreichen Forschungsbereiche zu nennen: Kampfflugzeuge wurden mit Chemikalienbehältern ausgestattet, deren Verteilung Wolken zum Abregnen bringen oder aber Regen verhindern konnte.
 
Für die größte Sensation sorgten jedoch die Experimente des Psychoanalytikers und Sexualforschers Wilhelm Reich. Reich experimentierte mit so genannten ‚Wolkenbrechern‘, die aussahen wie Raketenwerfer. Um das Wetter zu verändern, sollten diese Wolkenbrecher die Energie einer von ihm selbst entdeckten Substanz nutzen, die er Orgon nannte. Zeitgenössischen Nachrichtenartikeln zufolge führten seine Versuche zu starken Regenfällen, ein Effekt, der Anfang dieses Jahrtausends von dem deutschen Künstler und Arzt Christoph Keller bestätigt wurde.
'Dynamics of Air' Projekt 'UN-Mahac' © Friedrich von Borries
 
Die Praktiken von UN-Mahac beschränkten sich jedoch nicht auf die Unterstützung technischer Entwicklungen – sie fanden auch auf politischer Ebene statt. Zentral war hierbei die Frage, wem die Wolken gehören – den Staaten, in denen sie sich bildeten, oder denen, in denen sie sich befanden. Diese Frage war schwer zu beantworten. Der Aufenthaltsstatus von Wolken ist fließend, bis sie abregnen. Sie sind nur vorübergehend vorhanden, weshalb die juristischen Eigentumsbegriffe des existierenden internationalen Rechts nicht anwendbar sind. Auf internationalen Konferenzen versuchten Rechtsexperten, eine globale Aufteilung von ‚Wettereinflusszonen‘ zu erstellen, die natürlich die ehemaligen Machtverhältnisse widerspiegelte.
 
Bis heute unterliegen diese ‚Wettereinflusszonen‘ Verhandlungen auf UN-Klimakonferenzen, bei denen China aufgrund seiner seit den 1990er Jahren verfolgten, sehr aktiven Wettermanipulationspolitik von besonderer Bedeutung ist. Innerhalb der Wettereinflusszonen liegt es in der Verantwortung der Staaten, die Bestimmungen entsprechend ihrem Zivilrecht zu implementieren.

Eine gerechte Verteilung von Wetterressourcen?

Der Luftraum über der Antarktis ist eine hart umkämpfte Zone. Nach langen Verhandlungen wurde er an UN-Mahac übergeben. Derzeit diskutiert UN-Mahac darüber, wie Wolken in den Verantwortungsbereichen der Organisation verteilt werden sollten. Auch wenn die technischen Fragen der Nutzbarmachung von Wolken weitgehend beantwortet sind, bleibt der Schlüsselaspekt der Verteilung ungelöst.
 
Welche Kriterien sollten in Betracht gezogen werden: die Maximierung des landwirtschaftlichen Ertrags oder eine gerechte Verteilung von Wetterressourcen unter Beachtung der Chancengleichheit – selbst wenn dies bedeutet, dass ein Ernteausfall die Ernährung auf der ganzen Welt gefährden könnte? Neben der Optimierung der Wetterbedingungen für den globalen Ackerbau ist es ein weiteres Hauptziel von UN-Mahac, Kriege um Wasser sowie Dürrekatastrophen zu verhindern.
 
Obwohl es sich, was den Klimawandel angeht, um eines der einflussreichsten Organe handelt, ist UN-Mahac die womöglich am wenigsten bekannte UN-Institution. Für eine globale Demokratie ist es wichtig, den Schleier der Geheimhaltung zu lüften und ihre Aufgaben und Aktivitäten transparent zu machen.

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