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Auf der Flucht vor steigenden Mieten: Immobilienkauf in Berlin

Aufbauen einer Ikea-Küche.
Aufbauen einer Ikea-Küche. | © Brianna Summers

Berlins niedrige Lebenshaltungskosten gehören zu seinen größten Attraktionen. Die Metropole ist im Vergleich zu vielen anderen westeuropäischen Hauptstädten ein Bollwerk der Erschwinglichkeit. Junge Kreative strömen aus der ganzen Welt hierher, um in den Genuss von bezahlbaren Mieten und Kiosk-Bier für schlappe 50 Cent zu kommen. Sie haben Unternehmen gegründet, Galerien eröffnet und die Stadt rundum zu einem immer attraktiveren Ort zum Leben gemacht. Und damit auch zu einem interessanten Ort für Investitionen. Der resultierende Immobilienboom hat die Lage für Mieter erschwert, sodass ich beschloss, aus dem Mietkarussell aus- und in massive Schulden einzusteigen – indem ich eine Wohnung kaufte.

2006 zahlte ich für ein schwimmbeckengroßes WG-Zimmer im Prenzlauer Berg € 280 im Monat. Heutzutage kann man von Glück reden, wenn man hier für € 380 eine Schuhschachtel bekommt. Von 2009 bis 2015 stieg die Durchschnittsmiete in Berlins beliebtesten Stadtvierteln auf nahezu das Doppelte. Der Berliner Morgenpost zufolge nahmen die Mieten in Kreuzberg und Neukölln um den Richardplatz herum um 99 Prozent zu, in der Gegend um die Rollbergstraße um 98 Prozent und nahe dem Görlitzer Park um 93 Prozent.

Aber es gibt nicht nur schlechte Nachrichten. Die Glückspilze, die ihre Traumwohnung schon hatten, bevor der Wahnsinn anfing, genießen zum Großteil noch Mietpreise wie vor dem Boom. Wie das? In Berlin sind beinahe alle Mietverträge unbefristet – anders als in Australien, wo Einjahresverträge und wahnwitzige Mieterhöhungen an der Tagesordnung sind. Das bedeutet, dass man sich, wenn man den Vertrag erst einmal unterzeichnet hat, in der Regel auf langfristige Wohnsicherheit und Mietpreisstabilität freuen kann. Vermieter können die Preise zwar erhöhen, der Markt ist jedoch streng reguliert, sodass die Mieten nur auf eine bestimmte Grenze über die jeweilige lokale Durchschnittsmiete angehoben werden können.

Gleichwohl sah sich jeder, der nach dem Höhenflug des Immobilienmarktes umziehen musste, gezwungen, von seinem bezahlbaren alten Mietvertrag traurigen Abschied zu nehmen und bei überlaufenen Wohnungsbesichtigungen um das Privileg zu wetteifern, Münchener Preise zu zahlen.

Unser überfüllter Umzugslaster.
Unser überfüllter Umzugslaster. | © Brianna Summers

KAUFEN ODER NICHTKAUFEN, DAS IST HIER DIE FRAGE

Als sich herauskristallisierte, dass mein Partner und ich in ein größeres Domizil würden umziehen müssen (seine sich ständig vergrößernde Plattensammlung war zu einem doch recht unhandlichen Mitbewohner geworden), wogen wir folglich unsere Optionen ab. Wie sich herausstellte, waren die Mietkosten für eine Dreizimmerwohnung beinahe ebenso hoch wie die Hypothekenrückzahlungen für eine ähnlich große Immobilie. Ich hatte trotz meiner Bewunderung für Deutschlands fortschrittliche Mietvorschriften und meinem Wunsch, nicht zu einer weiteren Australierin Mitte 30 mit nichts als Immobilien im Kopf zu werden, schon eine Weile mit der Idee geliebäugelt, eine Wohnung zu kaufen. Eine Obsession mit Wohneigentum, Anlageobjekten und Häuser-,Flipping‘ sind mit für Australiens ausuferndes Immobiliendebakel verantwortlich – und ähnliche Kräfte treiben im Moment Berlins Investitionsrausch voran. Auch wenn ich die Vorstellung hasste, mich in die bunte Riege ausländischer Investoren einzureihen, die Immobilien aufkauften und den Markt zur Überhitzung trieben, ließ sich dennoch schlichtweg nicht verleugnen, dass der Kauf einer Wohnung finanziell am meisten Sinn machte.

Die Immobilienjagd begann. Überwältigende Nachfrage und unzureichendes Angebot haben Berlins inneren Osten in den Wilden Westen verwandelt, mit Cowboy-Maklern, die willige Käufer schon mal einfach so umreiten. Ich hörte Horrorgeschichten über Leute, die im Begriff waren, eine Wohnung zu kaufen – die Bank war einverstanden, der Termin beim Notar vereinbart –, nur damit der Makler dann hinter ihrem Rücken die Wohnung für ein paar Tausend Euro mehr an jemand anderen verkaufte.

BANKEN, MAKLER UND HYPOTHEKENMAKLER

Fachgespräche mit Maklern erwies sich als kleine Herausforderung, da mein Gehirn bei allen technischen deutschen Maklerbegriffen, die mir nicht vertraut waren, einfach komplett abschaltete. Folglich warf der Versuch, diese Unterhaltungen meinem nicht Deutsch sprechenden Partner zu vermitteln, ein Schlaglicht auf die klaffenden Lücken in meiner Fachsprache: „Sie hat irgendwas davon gesagt, dass der Balkon Sondereigentum ist, was immer das heißt, und anscheinend gibt es eine Gasetagenheizung, ich denke mal, das bedeutet, dass es auf diesem Stockwerk eine Heizung gibt, aber ich habe keine Ahnung, warum sie das extra erwähnt …“

Für die Bereitstellung ihrer Dienste – Online-Anzeigen schalten und Wohnungstüren aufsperren – erhalten Makler in Berlin eine Kommission von stolzen 7,14% des Kaufpreises. Und diese sagenhafte Gebühr wird vom Käufer bezahlt. Ganz recht. Der Verkäufer profitiert von den Dienstleistungen, und der Käufer zahlt die Rechnung. (Zur Veranschaulichung: Als ich dann endlich eine Wohnung kaufte, musste ich noch einmal zusätzlich € 14.000 berappen.)

Mein Partner und ich verbrachten 18 Monate damit, Immobilienwebsites zu durchforsten, heruntergekommene Bruchbuden zu besichtigen und uns mit Banken, Hypothekenmaklern und Maklern herumzuschlagen. Mir wurden mehrere Hypotheken angeboten, nur damit mein Antrag bei näherer Prüfung dann doch abgewiesen wurde. Den Verkäufer bei Laune zu halten, während ich Berge von Unterlagen für die Banken organisierte, war kein einfacher Balanceakt. Ich gewöhnte mich so an die nicht enden wollenden bürokratischen Forderungen, dass ich echt und ehrlich nicht überrascht gewesen wäre, wenn die Bank nach einer notariell beglaubigten Kopie meines Zahnschemas gefragt hätte. Die bankrechtlichen Vorschriften wurden in Deutschland nach der globalen Finanzkrise verschärft, und als freiberufliche Nicht-EU-Bürgerin, die aus eigener Kraft eine Wohnung kaufte, galt ich ganz klar als zu großes Risiko.

Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder!
Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder! | © Brianna Summers

WEISSE RENOVIEREN HÄUSER

Nach einem wahren Hürdenlauf schaffte ich es, einen ‚Traum für Renovierer‘ dingfest zu machen. Zum Glück ist mein Partner ein Traumrenovierer. Als erstes entkernten wir die Wohnung. Wir rissen die Küche heraus, presslufthämmerten die Badezimmerkacheln ab und zogen mehrere Lagen Uralt-Linoleum ab. Unsere Abende und Wochenenden verbrachten wir damit, die mit Holzfasern gefüllte Raufasertapeten von den Wänden zu kratzen, die die Deutschen so zu lieben scheinen. Wir rissen sogar die Betonwand zwischen Küche und Wohnzimmer nieder, um einen offenen Wohn-Ess-Bereich zu schaffen.

Unser Leben wurde zur mit Betonstaub und Fahrten zur Müllhalde gefüllten Reality-TV-Show, die eine wechselnde Besetzung von Vokuhila-Elektrikern, Baumarktangestellten und sprachlosen Freunden aufwies. Diese Tatsache hätte uns nicht deutlicher vor Augen geführt werden können als kürzlich in einer Folge von South Park, in der Randy der Host einer Fernsehserie namens Weiße renovieren Häuser (White People Renovating Houses) wird. Jede Immobilienrenovierung besteht dort im Prinzip nur daraus, die Wand zwischen Küche und Wohnzimmer zu entfernen, „für ein offeneres Raumkonzept mit viel Platz zur Bewirtung von Gästen“ …

Obwohl ich seit 11 Jahren nicht mehr dort lebe, scheine ich mich, ohne es zu wollen, dem Australian Dream verschrieben zu haben. Gut, meine Dreizimmerwohnung ist jetzt nicht gerade ein Haus mit Garten, aber immerhin habe ich „einen Fuß im Markt“. Wer weiß, wenn ich es geschickt anstelle, kann ich mir in 20 Jahren womöglich sogar die Anzahlung für einen Gartenschuppen in der Innenstadt von Melbourne leisten.

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