Videos, Fotografien, Objekte, Siebdrucke, Klangskulpturen, Plakate und Performances von 14 internationalen Künstlern nehmen bis zum 8. Dezember das Museu da Escravidão e Liberdade (Centro Cultural José Bonifácio) in Gamboa ein.
Videos, Fotografien, Objekte, Siebdrucke, Klangskulpturen, Plakate und Performances von 14 internationalen Künstlern nehmen vom 10. November bis zum 8. Dezember das Museu da Escravidão e Liberdade (Centro Cultural José Bonifácio) in Gamboa ein. Die Ausstellung Ecos do Atlântico Sul kommt nach Aufenthalten in São Paulo und Salvador mit der Unterstützung des Goethe-Instituts nach Rio. Die Werke beleuchten die komplexen Relationen zwischen den Anrainerländern des Südatlantiks.
Wie wird sich Europa gegenüber Afrika und Südamerika verhalten? Das ist eine der Fragen, die die Gruppenausstellung in ihren Werken zu klären sucht. Jeder Künstler präsentiert eine Art “alternativer Geschichte”, welche die kollektive Geschichtsschreibung kommentiert und herausfordert. In ihren Werken untersuchen die Künstler Austausch und Beziehungen, lassen geografische Orte verschwimmen und heben ihren Nachhall in der Gegenwart hervor. Die impliziten individuellen Perspektiven der Bilder, Klänge, Dokumente, Spuren, Instrumente und Ausstellungsstücke sind das Echo der Geschichte der Kolonien, der Diaspora, der globalen Migrationen und der transkulturellen Prozesse.
Die Stücke dieser Ausstellung nehmen jede auf seine Weise am Prozess der De- bzw. Rekonstruktion von Erzählungen teil, die unsere Perzeption hinsichtlich der sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen des Südatlantiks verändern können.
Akinbode Akinbiyi ist mit sechs Bildern seines Werks “Passageways, Narratives Involuntary, and the Sound of Crowded Spaces” vertreten, das zum ersten Mal auf der dokumenta 14 in Athen und Kassel ausgestellt wurde. Die Fotoreihe entstand in Kassel, Lagos und Osogbo und wird auf einem Gitter ausgestellt, mit dem der Künstler speziell für diese Ausstellung ein visuelles Gleichmaß erschafft.
Ana Hupe präsentiert eine Forschungsarbeit, die während ihrer Residenz in Vila Sul entstand, über die Rückkehrer, ein Ausschnitt aus einem Archiv, das den Fluss des Raumes und der Entwicklung der Identitäten zwischen Brasilien und Nigeria anhand von zwei Personen darstellt: eine afrikanische Immigrantin aus Lagos, die in Salvador in Bahia lebt, und eine Brasilianerin, die in dieselbe Stadt nach Nigeria emigriert ist. Die beiden Geschichten verweisen aufeinander, eine spiegelt sich in der anderen wider.
Anita Eckman stellt Objekte aus, die einen Bezug zur Performance “Tupi-Valongo/Cemitério dos Pretos Novos e Velhos Índios” vorweisen und die Technik von Keramik-Stempeln aufleben lassen, die von den Völkern der Sambaquieiros entwickelt wurde und mittels Projektion von Bildern des Friedhofs Cemitério dos Pretos Novos in Rio de Janeiro präsentiert werden. Es handelt sich um Ausstellungsstücke, die uns zu unseren ursprünglichen Mythen führen und die uns über die gegenwärtigen Konflikte in Bezug auf die brasilianische afro-indigene Identitätsbildung reflektieren lassen.
“Trabuco” ist der Name des Werks von Antônio Társis, der beim Flanieren durch die Altstadt von Salvador benutzte Patronenhülsen aufsammelte. Diese Hülsen verbindet er mit Reagenzgläsern, Pulver und anderen Materialien, die während der Kolonialzeit für Waffen genutzt wurden. Vergangenheit und Gegenwart verbinden sich in der Komposition der Objekte, die die in Salvador noch immer vorhandene koloniale Gewalt darstellen.
Ayrson Heráclito zeit das zweigeteilte Video “O Sacudimento: a reunião das Margens Atlânticas”, das auf der 57. Biennale in Venedig ausgestellt war. In diesem Werk verbindet der Künstler zwei Gravuren über Reinheitsrituale für Geister der Sklavenzeit, die in performativen Aktionen in der Maison des Esclaves auf der Insel de Gorée im Senegal und in der Casa da Torre de Garcia d´Ávila in Mata de São João in Bahia stattfanden.
Camila Sposati präsentiert die Installation “Lundu”, in der sie Fragen über den Körper, Raum, Handel und Beziehungen der Kolonialzeit aufwirft und auf Illustrationen von Rugendas aus dem Jahre 1835 zurückgreift. Mittels Gesprächen mit Tänzern, Musikern und Fachleuten deckt sie Sichtweisen auf die kolonialen Bilder und ihre Wirkungen auf. Außerdem zeigt sie, wie die Instrumente und musikalischen Traditionen, die in den kolonialen Bildern zu sehen sind, unsere Relationen und Aktionen beeinflussen.
Carol Barreto zeigt ein Video, das in Bezug zu ihrem Werk “Coleção Asè” steht, das Mode und politischen Aktivismus in Verbindung setzt. Hervorzuheben ist eine Handarbeit, die an die Familiengeschichte erinnert und aus der reichen Tradition der Textilproduktion aus dem Nordosten von Brasilien entstammt und zu einem Objekt im Kampf gegen Rassismus wird.
Ausgehend von seiner Performance “Salve Exú Motoboy”, einem künstlerischen Prozess, der Mode, Fotografie, Videos und Straßenperformances dort einschließt, wo sich die aktuelle Figur des Motoboys mit den religiösen Archetypen afrikanischen Ursprungs kreuzt, stellt Cássio Bomfim Fotos der partizipativen Performance aus dem Archiv seiner Kollektion aus, in der er die Möglichkeiten der “bildhaften Inkorporation” darstellt.
In ihrer Klanginstallation “Trading Places” verbindet Emeka Ogboh Aufnahmen verschiedener Märkte in und um Lagos und importiert den Soundscape der vibrierenden afrikanischen Metropole, dem Zentrum der Wirtschaft, des Handels, der Unterhaltungsindustrie und der Kultur aus Nigeria nach Bahia. Auf der Praça do Cacau wandeln sich diese Klänge in ein Open-Air-Konzert, das die Klänge der Stadt Salvador durchdringt und sich mit ihnen vermischt.
Auch Isaac Julien ist unter den Künstlern vertreten, dessen Werke zwischen Kino und audiovisuellen Installationen angesiedelt sind. In “Territories” erforscht der Künstler die Beziehungen zwischen Gender, Rasse und Sexualität, welche in den 1980er Jahren den Alltag der Schwarzen in Großbritannien durchziehen, insbesondere beim Karneval in Nottingham und bei den sozialen Unruhen in Notting Hill. Die Bedeutung dieses Werks liegt hauptsächlich darin, die Feierlichkeiten als Ort für politische Dispute zu verstehen, was auch auf die Kulturgeschichte Brasiliens übertragen werden kann.
Jota Mombaça stellt eine Fahne/Überbleibsel der in Salvador realisierten Performance “A gente combinamos de não morrer” aus. Der Titel stammt von einem Buch, das Conceição Evaristo in Anspielung an die Konstruktion seiner Aktion gewählt hat, in der er Vorgehensweisen und Rituale als Überlebensformen in der Politik der Feindschaft vorschlägt, die vom südafrikanischen Schriftsteller Achille Mbembe entwickelt wurden.
Sarojini Lewis präsentiert eine Fotoserie und Auszüge aus dem Tagebuch seiner während seines Aufenthalts in Südamerika (2012-2014) imaginierten Figur seines Werks “Fernanda Romero: Searching for Madame Jeanette”, welche das Thema der Migration thematisiert und die Welt aus einem fiktiven und autobiografischen Standpunkt aus darstellt.
Tatewaki Nio stellt unter dem Titel “As Pegadas dos Retornados” einen Ausschnitt aus vier Fotografien einer neuen Serie aus, die in der Republik Benin und in Nigeria entstanden. In ihnen richtet der Künstler seinen Blick auf Gebäude wie Moscheen, Gebäude zum Wohnen und für Läden in Iorubalândia, welche vom architektonischen Stil ehemaliger Sklaven Brasiliens geprägt sind.
Das Werk “Cayendo a la Periferia” ist eine Gemeinschaftsarbeit von Ana Milena Garzón und Yolanda Chois (beide aus Kolumbien) und Audu Salisu (Ghana), die in einem interinstitutionellen Kommunikationsnetzwerk der südlichen Hemisphäre aktiv sind, das die Auswirkungen der kolonialen Geschichtsschreibung untersucht. Auf einer Serie von Plakaten sammeln sie Sätze aus Gesprächen über die gegenwärtige Migration, die außerhalb des Centro José Bonifácio zu sehen sind.
Die Ausstellung wünscht sich sehr, dass seine Echos auch zur Überprüfung der vorhandenen Dichotomien in der Geschichtsschreibung, der Demokratisierung und der Entkolonialisierung der Beziehungen zwischen Brasilien und anderen Regionen des Südatlantiks dienen.
Zurück