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Geistergeschichte

Laura Freudenthaler, Geistergeschichte © 2019 Literaturverlag Droschl, Graz/Wien Die Klavierlehrerin Anne und ihr in der Filmbranche tätiger Thomas leben seit 20 Jahren zusammen in einer Großstadt Österreichs. Anne nimmt das Freijahr, um ein Lehrbuch zu schreiben und sich dem Spielen zu widmen. Aber ihre Hände gehorchen ihr nicht mehr. Sie vermutet, dass Thomas eine Liebesaffäre hat. Daher leidet Anne jeden Morgen an Übelkeit. Jeden Tag trinkt sie ihren Morgenkaffee im Café, und dann streift sie, von innerer Unruhe getrieben, lange durch die Straßen. Bald beginnt „das Mädchen“ – so nennt die Autorin die Geliebte von Thomas – wie ein Schatten, ein wispernder Geist überall zu huschen. Anne fühlt immer, wenn es in der Nähe ist. Einmal in der Woche durchsucht Anne Mantel- und Jackentaschen von Thomas nach Rechnungen und Quittungen von Cafés, Restaurants und Hotels. Auf diese Weise beginnt sie ein imaginäres Bild der Beziehung zwischen Thomas und dem Mädchen zu zeichnen.

Das ist eine Geschichte von der zunehmenden Entfremdung, von einer Identitätskrise, anscheinend von einer Midlife-Crisis. Die innere Unruhe der Protagonistin wird in einer konzentrierten, äußerst präzisen und subtilen Sprache vermittelt, und dieser Kontrast erzeugt eine einzigartige Stimmung. Die Autorin lässt meisterhaft die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschmelzen, und es ist schwer zu verstehen, was real und was imaginär ist. Der Roman wurde mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2019 ausgezeichnet.

Literaturverlag Droschl

Laura Freudenthaler
Geistergeschichte
Literaturverlag Droschl, Graz/Wien, 2019
ISBN 9783990590256
168 Seiten

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Rezensionen in den deutschen Medien:
Deutschlandfunk
Wiener Zeitung
Frankfurter Rundschau