Internationales Forum
Ein Treffpunkt für den Dialog und die Reflexion

51. Theatertreffen/Internationales Forum | © Chiussi/Agentur StandArt
51. Theatertreffen/Internationales Forum | © Chiussi/Agentur StandArt | © Chiussi/Agentur StandArt

36 junge darstellende Künstler diskutierten 2014 in Berlin über die Zukunft des Theaters.
 

Anfang Mai 2014 hatte ich das besondere Privileg, am Internationalen Forum teilnehmen zu können. Verbunden mit dem bedeutenden Theatertreffen, das jährlich die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen der deutschsprachigen Länder zusammenbringt, trifft sich auf dem Internationalen Forum in Berlin jedes Jahr zwei Wochen lang eine Gruppe von darstellenden Künstlern, die nicht älter als 40 Jahre sind. Für diese Veranstaltung waren 36 Teilnehmer aus 19 verschiedenen Ländern ausgewählt worden (Afghanistan, Ägypten, Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Deutschland, England, Frankreich, Holland, dem Iran, Kolumbien, Österreich, Peru, der Schweiz, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik, der Ukraine und Ungarn).

Was sofort ins Auge sprang, war, dass die Teilnehmer nicht nur aus einem einzigen Bereich der darstellenden Kunst stammten. Seitens der Organisatoren wird versucht, viele unterschiedliche Berufsprofile zusammenzubringen, wie Regisseure, Schauspieler, Performer, Dramaturgen, Dramatiker, Bühnenbildner, Choreographen oder Kostümbildner. Diese hohe Heterogenität bei den anwesenden Profilen erweitert beträchtlich die verschiedenen Blickrichtungen, die bei dem Forum zusammentreffen.

Zwei Wochen lang nahmen wir an einem ebenso intensiven wie anspruchsvollen Programm teil, mit einer großen Anzahl verschiedenster Workshops mit einigen der zum Theatertreffen eingeladenen Künstlern (wie der Regisseurin Susanne Kennedy oder Daniel Wetzel und Helgard Haug von Rimini Protokoll), Diskussionsgruppen oder der Vorstellung unserer eigenen Arbeiten. Die Diskussionen gingen um sehr unterschiedliche Themen, die mit allen nur vorstellbaren Theaterbereichen zu tun hatten. Einige dieser Themen kamen im Laufe des Forums mehrmals zur Sprache, wie zum Beispiel der politische Charakter des Theaters, die unterschiedlichen Beziehungsebenen zu den Zuschauern (in Bezug auf Schauspieler, Raum, Performance etc.) oder die verschiedenen Modelle kreativer Gestaltung im szenischen Umfeld.

50 Jahre Internationales Forum

Die Veranstaltung 2014 war ganz besonders bedeutsam, da sie im Zeichen des 50. Jubiläums des Forums stand. Aus diesem Grunde fand eine Reihe von Aktivitäten statt, bei denen auch einige Teilnehmer früherer Veranstaltungen zugegen waren. Es sei darauf hingewiesen, dass im Laufe dieser fünfzigjährigen Geschichte nicht mehr und nicht weniger als 2.162 Künstler eingeladen wurden, darunter auch einige sehr bedeutende Namen der zeitgenössischen darstellenden Kunst. Die verschiedenen, für das Publikum frei zugänglichen Jubiläumsveranstaltungen wurden unter dem Motto Versammlung für die Zukunft durchgeführt.

Ohne den Jubiläumscharakter aus dem Auge zu verlieren, war dieses Treffen besonders auf die Reflexion über verschiedene Zukunftsaspekte der darstellenden Kunst und ihre Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft ausgerichtet. Im Sinne dieser reflexiven und kritischen Perspektive wurde im Rahmen des Forums auch das Theatertreffen-Camp abgehalten, wo die Öffentlichkeit in verschiedenen Gesprächsrunden und speziellen Arbeitskreisen in Kontakt zu einigen der am Theatertreffen, am Stückemarkt und am Internationalen Forum teilnehmenden Künstlern treten konnte.

Alte Meister und neue Stimmen

Das Internationale Forum findet parallel zum Theatertreffen und zum Stückemarkt statt, so dass die Teilnehmer am Forum auch zu den verschiedenen Aufführungen, zu den nachfolgenden öffentlichen Gesprächen mit den Künstlerteams und zu den Festen und Konzerten eingeladen waren, die im Haus der Berliner Festspiele durchgeführt wurden. Unter den zehn von der Jury für das Theatertreffen ausgewählten Inszenierungen sind einige, schon klassische Namen der deutschen Bühne hervorzuheben, wie Frank Castorf, mit seiner neuen Interpretation von Célines Reise ans Ende der Nacht (Residenztheater, München), oder der kürzlich verstorbene Dimiter Gotscheff, von dem wir Zement von Heiner Müller sehen konnten (Residenztheater, München).

Wenn jedoch eine Inszenierung vom Berliner Publikum praktisch auf einstimmigen Widerhall stieß, so war es das bewegende und irritierende Fegefeuer in Ingolstadt von Marieluise Fleißer (Münchner Kammerspiele), unter der Leitung der jungen Regisseurin Susanne Kennedy. Die große Begabung Kennedys liegt darin, dass sie verschiedenste szenische Mittel zu nutzen weiß, um eine absolut kohärente szenische Sprache zu schaffen, dank derer das von Fleißer gezeichnete konventionelle Provinzmilieu der zwanziger Jahre zu einem übelriechenden und schockierenden Alptraum-Ambiente mutiert. Der noch jüngere Robert Borgmann bewirkte mit seiner Interpretation des Klassikers von Tchechow, Onkel Wanja, (Schauspiel Stuttgart) gegensätzliche Reaktionen: Große Teile des Publikums verließen vorzeitig die Aufführung, die am Ende zum Teil aber auch begeisterten Applaus erhielt.

Auch wenn sie für eine der zehn bemerkenswertesten Darbietungen des Jahres gehalten wurde, konnte Situation Rooms von Rimini Protokoll (Rimini Apparat / Ruhrtriennale) aufgrund anderweitiger Verpflichtungen des Ensembles auf dem Theatertreffen nicht gesehen werden. Dank einer Dokumentationsbox war das Schauspiel jedoch trotzdem auf dem Festival präsent, und das Publikum konnte sich über ein Video eine relativ genaue Vorstellung davon machen.