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Urbane Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz Post-COVID 19

  • The City in-Between virtual exhibition © Goethe-Institut Indonesien
  • Flussufer Cikapundung (Up stream) © Achmadi
    Flussufer Cikapundung (Up stream)
  • Flussufer Cikapundung (Mid stream) © Achmadi
    Flussufer Cikapundung (Mid stream)
  • Flussufer Cikapundung (Down stream) © Achmadi
    Flussufer Cikapundung (Down stream)

Ende 2019 nahmen Studierende der Universität Stuttgart, des Bandung Institute of Technology und der University of Melbourne am Travelling Studio "The City In-Between, Designing with Urban Informality in Bandung, Indonesia" teil. Ziel war es, mehr über informelle urbane Entwicklungen zu erfahren und die Möglichkeit einer inklusiveren Planung entlang der Cikapundung-Flusslandschaft zu erforschen. Die Forschungs- und Gestaltungsergebnisse sollten 2020 vor Ort präsentiert werden, doch aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die Ausstellung in den digitalen Raum verlagert. Zusammen mit dem Goethe-Institut Bandung fanden Ende November 2020 zwei Diskussionsrunden auf Youtube statt, die die Ausstellung um künstlerische und aktuelle Perspektiven erweiterten.

Vorstellungen einer In-between City durch die Linse von Kunst und Design

Zu Beginn des ersten Panels präsentierten die Vortragenden einen Überblick über die Design-Agenda und Studienschwerpunkte entlang der Cikapundung-Flusslandschaft. Urbane Kampungs am Flussufer müssen heutzutage mit Tourismusprojekten und kommerziellen Entwicklungen um die Nutzung dieser Räume konkurrieren. In einer Zeit, in der die städtische Gentrifizierung an Dynamik gewinnt, treten ökologische Krisen wie Überschwemmungen immer häufiger auf und die sozialen Folgen werden aufgrund des all zu schnellen Ausbaus immer komplexer. Der zukünftige urbane Raum von Bandung ist von dieser Entwicklung stark betroffen.
 
Die Studie legte drei Flussabschnitte als Fokusbereiche fest: den flussabwärts gelegenen Abschnitt (downstream) von "Braga", einem Kulturerbegebiet; den mittleren Flussabschnitt (midstream), der zwischen dem Gewerbegebiet Cihampelas und dem ITB-Campus eingekeilt ist; und den flussaufwärts gelegenen Abschnitt (upstream) von der Cikapundung-Terrasse bis zur Ciumbuleuit.
 
Die Downstream Group berichtete über "Kampung Braga", ein Gebiet von äußerster Wichtigkeit in Bezug auf die Geschichte von Bandung, das jedoch aufgrund seiner strategisch günstigen Lage für wirtschaftliche Aktivitäten von Gentrifizierung und Abriss bedroht ist. Neue Hochhäuser "verschließen" nun Kampung Braga als öffentlichen Raum. Die Gruppe schlug die Programme Binawarga und Binaruang vor, um eine integrativere Planung zu fördern. Das Binawarga-Programm beschäftigte sich mit der sozialen Entwicklung der Gemeinde, während sich das Binaruang-Programm auf die physische Gestaltung öffentlicher Plätze konzentrierte.

Seruni Fauzia Lestari (Kolektif Agora) beleuchtete die andere Seite von "Kampung Braga", dem Inbegriff des kulturellen Erbes von Bandung, die nicht von den Spuren des Kolonialismus getrennt betrachtet werden kann. Der Kolonialismus manifestiert sich nicht nur physisch durch Art-Deco-Design, sondern auch darin, wie viele indonesische Behörden vom Kolonialismus übernommene Denkmuster umsetzen. Wir sehen dies zum Beispiel in der Art und Weise, wie die lokale Regierung den Raum des kulturellen Erbes als Touristenattraktion im Namen des Gemeinwohls beansprucht, während sie es gerade dadurch den Bürgerinnen und Bürgern in Bandung entfremdet. Die im Kampung Braga durchgeführte Studie kann auf andere Orte übertragen werden, sogar auf solche,  die nicht als Kulturerbe gelten, um zu analysieren, in welchen Räumen sich postkoloniale Denkmuster manifestieren und wiederholen.
Panel 1: Die In-between City betrachtet durch die Linse von Kunst und Design. Seruni von Agora Collectibe reagiert an die Präsentation von down stream Gruppe. Panel 1: Die In-between City betrachtet durch die Linse von Kunst und Design. Seruni von Agora Collectibe reagiert an die Präsentation von down stream Gruppe. | © YouTube Goethe-Institut Indonesien

Die nächste Präsentation beleuchete den mittleren Flussabschnitt mit seinen vielen Gegensätzen. Die lokalen Gemeinden schätzen den natürlichen Zustand des Flusses, fühlen sich aber auch zu seinen eher formalen Aspekten hingezogen, zum Beispiel dazu, dass der Fluss nicht länger ein isolierter Bach ist, sondern zu einer Wasserquelle für die Umgebung geworden ist. Die Forschung der Midstream Group konzentrierte sich auf die Art des Designs, das für die sich ständig verändernden Kampung-Räume geeignet wäre. Der in Bandung lebende Künstler und ITB-Dozent Tisna Sanjaya hält die Designentwürfe für sehr künstlerisch, poetisch und würdig, in einem eigenen sozialen Kunstraum präsentiert zu werden. Die vorgeschlagenen Entwürfe beabsichtigen, eine menschlichere Perspektive für dieses Midstream-Kampung-Segment zu bieten.
 
Die Upstream-Gruppe untersuchte die Dynamik zwischen dem physischen Raum des Kampung und den sozialen Aspekten seiner Gemeinschaft. Die schwierigste Dynamik bestand darin, dass die Bewohnerinnen und Bewohner keine Eigenutumsrechte für ihr Land haben, so dass sie den Raum nicht frei nach ihren eigenen Bedürfnissen umgestalten können. Naufal Rofi Indriansyah (Kolektif Agora) wies darauf hin, dass jegliche Eingriffe im vorgelagerten Bereich große Auswirkungen auf den mittleren und nachgelagerten Bereich haben würden. Die Studie lieferte eine detaillierte Aufschlüsselung der aktuellen Entwicklungen im Upstream-Bereich zur Verwendung in nachfolgenden Midstream- und Downstream-Studien.
Panel 1: Die In-between City betrachtet durch die Linse von Kunst und Design. Die Präsentation von up stream Gruppe. Panel 1: Die In-between City betrachtet durch die Linse von Kunst und Design. Die Präsentation von up stream Gruppe. | © YouTube Goethe-Institut Indonesien
 

Stadtplanung Post-Covid 19: Reflexionen über Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz

Die zweite Gesprächsrunde, moderiert von Dr. Wiryono Raharjo (Islamische Universität Indonesia), diskutierte die globale Pandemiesituation, die in vielerlei Hinsicht die Ungleichheit in Städten auf der ganzen Welt offengelegt hat, insbesondere in Bezug auf den Zugang zu städtischen Einrichtungen, Grünflächen und bezahlbarem Wohnraum.
 
Für Dr. Tisna Sanjaya war die Pandemie ein Anstoß zur Reflexion. Aus seiner Sicht als Künstler sind unsere Körper « Maschinen mit Seelen ». Wegen der Pandemie haben wir keinen Zugang zu dieser Maschine und den Materialien, die wir normalerweise benutzen, aber wir können immer noch etwas erschaffen, indem wir unseren eigenen Körper benutzen. Sein Imah Budaya (Ibu) Cigondewah, das er 2007 am Ufer des Cigondewah-Flusses gegründet hat, will durch Kunst das Bewusstsein für nachhaltige urbane Lebensformen schärfen und diese anpassen.
Panel 2: Stadtentwicklung (Post-)COVID-19: Überlegungen zu Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz in Indonesien Die Präsentation von Dr. Tisna Sanjaya. Panel 2: Stadtentwicklung (Post-)COVID-19: Überlegungen zu Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz in Indonesien Die Präsentation von Dr. Tisna Sanjaya. | © YouTube Goethe-Institut Indonesien

Die nächste Sitzung beschäftigte sich mit der Kampung-isation of Indonesian Cities during Pandemic: Emerging Virtual and Spatial Tactics, die von Dr. Amanda Achmadi und Dr. Sidh Sintusingha (University of Melbourne) vorgetragen wurde. Die indonesische Regierung ist bekannt für ihre “lockere” Natur, die bei Pandemien immer noch zu beobachten ist. Im Gegensatz zu den Leuten, die ihre eigenen Strategien zum Schutz ihrer Gemeinschaften haben, werden Aktivitäten, die selten an Formalitäten gebunden sind, zum Kapital für flexiblen Anpassung.
 
Dass soziale Distanzierung für die meisten Menschen ein Luxus ist, betonten Ir. Budi Faisal und Asep Darmana (ITB) in ihrem Vortrag mit dem Titel "Lessons Learned from the Informal Neighborhood During the Pandemic". Die Menschen in den Kampungs haben zwei Möglichkeiten: entweder ihr Zuhause zu verlassen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich zu infizieren oder zu verhungern. Das soziale Kapital, das sie teilen, ermöglicht es ihnen, füreinander zu sorgen. Es sollte möglich sein, diesen Ansatz in einer größeren Gemeinschaft zu replizieren, um der Pandemie zu begegnen.
 
Diese Art sozialem Kapital gibt es nicht nur in Indonesien. Sie ist auch in vielen anderen Ländern zu finden. Dipl.-Arch. MSc. Yassine Moustanjidi und Prof. Astrid Ley (Universität Stuttgart) stellten eine Fallstudie über kommunale Initiativen zur Sicherung der Lebensmittelversorgung in Kapstadt, Südafrika, vor. In ähnlicher Weise starteten Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger verschiedene  Initiativen  und organisierten sich via der digitalen Plattform nebenan.de, um Lebensmittelpakete zu verteilen, Babysitterdienste anzubieten und gemeinsam mit der aktuellen Situation umzugehen.
Panel 2: Stadtentwicklung (Post-)COVID-19: Überlegungen zu Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz in Indonesien Die Präsentation von Prof. Astrid Ley Panel 2: Stadtentwicklung (Post-)COVID-19: Überlegungen zu Informalität, Nachhaltigkeit und Resilienz in Indonesien Die Präsentation von Prof. Astrid Ley | © YouTube Goethe-Institut Indonesien

In der abschließenden Präsentation sprach Kamil Muhammed (Architecture Sans Frontières - Indonesien) über seine Beobachtungen, die er bei der Arbeit mit Kampung-Gemeinschaften in Jakarta gemacht hat. Er beschrieb die Rolle von Architektinnen als Vermittler bei der partizipativen Gestaltung von Kampung, d.h. bei der Einbeziehung der Bewohnerinnen und Bewohner. Kamil zeigte auf, dass viele Kampung-Gemeinschaften in Indonesien bereits ihre Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit zur Anpassung an die aktuelle Situation bewiesen haben. Gleichzeitig haben die formellen Sektoren der Städte von der Flexibilität und Zuverlässigkeit der Aktivitäten der Kampung-Gemeinschaften im informellen Wirtschaftssektor profitiert. 
 
Sie können diese digitale Ausstellung "The City in-Between" besuchen und weitere Informationen erhalten, indem Sie auf die Ausstellungsbroschüre zugreifen.

Videodokumentation:

 

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