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Deutsche Indie Games
Überwachen wie bei Orwell

Gründerteam Osmotic Studios| Michael Kluge, Melanie Taylor und Daniel Marx (von links nach rechts)
Gründerteam Osmotic Studios| Michael Kluge, Melanie Taylor und Daniel Marx (von links nach rechts) | Foto: Jan Bojaryn

Hamburgs Spieleszene brodelt. Und Mel Taylor liefert mit ihrem Studio Osmotic einen wichtigen Beitrag. Das Spiel „Orwell“ hat in Deutschland Preise gewonnen und findet auch international Fans.

„Der Teppich ist echt hässlich“, räumt Mel ein. Trotzdem fühlt sich die Mitgründerin sehr wohl an ihrem Arbeitsplatz. Osmotic Studios – das ist ein Raum mit einem Sofa, vier Arbeitsplätzen und drei Menschen. Das nichtssagende Büro mit abgehängter Decke und strapazierfähigem Bodenbelag ist exklusiver, als es aussieht. Denn die Adresse im Hamburger Wohnviertel Eilbek teilen sich Osmotic mit anderen kleinen Studios. Hier entstanden einige der besten deutschen Spiele der vergangenen Jahre, hier sitzen mehrfache Gewinner des Deutschen Computerspielpreises dicht zusammen, tauschen Feedback und Erfahrungen aus. Das Netzwerken gehört für Mel Taylor zum Job. Die Mitgründerin von Osmotic ist nicht nur leitend für die künstlerische Gestaltung der Spiele verantwortlich, sie kümmert sich auch um das Geschäftliche, hält Vorträge, gibt Interviews.

Osmotic Studios| Hamburg Osmotic Studios| Hamburg | Foto: Jan Bojaryn In den vergangenen Monaten hat sie viel zu tun. Zusammen mit Game Designer Daniel Marx und Programmierer Michael Kluge hat sie im Oktober 2016 den Überwachungsthriller Orwell auf den Markt gebracht. Spieler werden hier zum Rädchen im staatlichen Überwachungsapparat. Sie müssen immer persönlichere Daten verdächtiger Zielpersonen auswerten. Aber dafür gibt es auch einen guten Grund. Auslöser der Ermittlungen ist ein Terroranschlag, die Gefahr ist echt. Spieler müssen abwägen, wann sie wie tief in das Leben der Anderen eindringen. Und sie müssen aus all dem Informationssalat in sozialen Netzwerken, Zeitungen und Gesprächsprotokollen die richtigen Schlüsse ziehen.
 
Die Idee ist nicht nur ungewöhnlich, sie ist auch gut umgesetzt. In Deutschland hat der Titel den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie „Serious Game“ gewonnen. Bemerkenswert ist aber, wie gut das Spiel auch international aufgenommen wurde. Dabei wirkt es auf den ersten Blick eher spröde. Wer den Reiz verstehen will, muss es ausprobieren.

© Goethe-Institut

5 Fragen an Mel

Was ist für Dich ein gutes Spiel?
 
Eines, dass mich emotional bewegt. Vor kurzem habe ich Night in the Woods gespielt. Da geht es um ein Mädchen, das gerade ihr Studium abbricht und in ihre Heimatstadt zurückkommt. Aber die Lage in der Stadt ist aussichtslos und die Jugend hat keine Chancen. Besonders an dem Spiel sind die tiefgründigen Dialoge mit den alten Freunden. Das ist mitreißend, auch wenn das Gameplay gar nicht herausfordernd ist.
 
Hast Du Vorbilder?
 
Ich bewundere Playdead aus Dänemark, die Limbo und Inside gemacht haben. Beide Spiele sind sehr düster, aber auch sehr atmosphärisch. Ich würde gerne mal was in diese Richtung machen.
 
Bei Orwell lernt man Andere auszuspionieren. Macht das Spaß?
 
Das Komische ist, dass die meisten Leute es gar nicht unangenehm finden, andere auszuspionieren. Sie sind eher neugierig darauf. Und wenn es einem gar nicht unangenehm ist, denkt man vielleicht mehr darüber nach, warum das so ist. Und wie man seine eigenen Daten online behandelt.
 
Ihr spielt mit dem Namen „Orwell“ auf George Orwells Roman 1984 an. Dort ist die Überwachung ein Werkzeug des Bösen. Bei euch nicht unbedingt. Ist das Absicht?
 
Ja. Natürlich hat der Titel Orwell eine Vorbelastung. Die Assoziation mit 1984 wollten wir hervorrufen, aber wir wollten nicht die Moralkeule schwingen und so tun als hätten wir diesen dystopischen Überwachungsstaat bereits. Die Welt ist komplizierter und das wollen wir zeigen. Einerseits ist es problematisch, so tief in die Privatsphäre anderer Leute einzudringen. Andererseits gibt es einen Grund, warum der Staat das Bedürfnis hat, zu ermitteln.
 
Haben Spielemacher eine gesellschaftliche Verantwortung?
 
Das würde ich schon sagen. Es muss auch gewalttätige und unkritische Spiele geben können. Aber je mehr solche Spiele es gibt, desto mehr werden sie verinnerlicht, nicht nur von Jugendlichen, sondern auch von Erwachsenen. Es gibt zu wenig vom Anderen. Und da glaube ich schon, dass wir in der Verantwortung stehen, komplexere Dinge, andere Dinge zu zeigen. Ich will zu mehr Vielfalt in der Spieleindustrie beitragen.
 

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