Beyond Transisi | Photographie
Interview mit Celina Lunsford

Celina Lunsford
Celina Lunsford © Maik Scharfscheer

Es gab enorm viel zu entdecken! Die kreativen und übergreifenden Ausdrucksformen aus den Bereichen Lyrik, Musik, Kochen, Kunst, Design, Theater und Literatur machen Indonesien zu einem ganz besonderen Gast und bieten eine der faszinierendsten Programme, die wir in den letzten Jahren in Frankfurt erlebt haben. Die Verbindung aus Traditionellem und Zeitgenössischem sowie die vielseitigen Kulturen Indonesiens haben die Besucher auf Orte neugierig gemacht



Seit 1990 veranstaltet das Fotografie Forum Frankfurt eine jährliche Sonderausstellung mit Arbeiten von Fotografen aus dem Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse. Wodurch zeichnet sich in diesem Jahr „Indonesien“ aus?

Es gab enorm viel zu entdecken! Die kreativen und übergreifenden Ausdrucksformen aus den Bereichen Lyrik, Musik, Kochen, Kunst, Design, Theater und Literatur machen Indonesien zu einem ganz besonderen Gast und bieten eine der faszinierendsten Programme, die wir in den letzten Jahren in Frankfurt erlebt haben. Die Verbindung aus Traditionellem und Zeitgenössischem sowie die vielseitigen Kulturen Indonesiens haben die Besucher auf Orte neugierig gemacht, zu denen sie ansonsten keinerlei Bezug haben oder von denen sie bislang nicht einmal wussten, dass sie überhaupt existieren. Das indonesische Organisationskomitee hat sich wirklich dafür stark gemacht, die höchsten Leistungen, die Indonesien in sämtlichen künstlerischen Bereichen zu bieten hat, sichtbar zu machen und zu zeigen. Was die Fotografie betrifft, so ist mir eines gleich aufgefallen, als ich in Indonesien zum Thema recherchierte: Im Land besteht eine reiche Tradition des fotografischen Dokumentierens, das sich mit dem Menschen und der Natur sowie mit dem alltäglichen Lebensumfeld auseinandersetzt.

Einige der Fotografien, die in der Ausstellung zu sehen sind, haben eine starke visuelle und soziale Botschaft, vor allem die Installation 'soulscape road'. Wie haben die Besucher darauf reagiert?

Erstmalig werden Oscar Motulohs Schwarz-Weiß-Fotografien von den Auswirkungen des Tsunamis im Dezember 2004 in einer digitalen Soundprojektion mit einer bewegenden Komposition von Tony Prabowo gezeigt. Diese Fotografien bilden ein Gesamtkunstwerk. Die Besucher des Ausstellungsraums schweigen, einige weinen. Die Installation ist ein universelles Requiem. Barbara Klemm, eine der bekanntesten Fotojournalisten Deutschlands, besuchte die Ausstellung und war von Motulohs herausragenden Arbeiten beeindruckt. Während der Buchmesse besuchte Anies Baswedan, der Bildungs- und Kultusminister Indonesiens, ebenfalls die Ausstellung und schaute sich die Präsentation von Anfang bis zum Ende an. Als die Vorführung vorüber war, standen alle Zuschauer auf und applaudierten. Es war ein starker, ein mitreißender Moment. Er zeigte, wie die Fotografie Menschen bewegen kann.

Die Rolle des fotografischen Kurators ist entscheidend. Geben Sie uns einen Einblick in Ihre Vorgehensweise, wie Sie Fotografien auswählen und arrangieren?

Fotografen, die in Indonesien sehr bekannt sind, kennt man in Deutschland meist kaum. Daher war es für die Ausstellung Beyond Transisi wichtig, eine Plattform sowohl für anerkannte Fotografen wie Oscar Motuloh, Jay Subyakto oder Kemal Jufri als auch für die jüngeren Talente zu schaffen. Als Kuratorin musste ich bei der Wahl des Ausstellungskonzepts und des Themas anders als bei der vorangegangenen Ausstellung vorgehen, die sich einer sehr surrealen und abstrakten Ästhetik bediente. Ich fand es daher großartig, für die aktuelle Ausstellung verschiedene Formen von Dokumentationsprojekten in Indonesien zu finden. Neben Fotografien habe ich eine ganze Wand mit wichtigen und außergewöhnlichen Fotobänden aus Indonesien eingerichtet. Einige der Publikationen stammten von renommierten Kunstverlagen wie After Hours oder Antara Galerie, daneben gab es aber auch originelle Fotobände, die von jungen indonesischen Fotografen im Selbstverlag veröffentlicht wurden. Da eine Menge an Vorbereitungen über die zwei Hälften des Globus hinweg zu tun war, habe ich im Vorfeld viel über Whatsapp und Skype koordiniert.

Mitte 2014 sind wir in unsere neuen Räumlichkeiten umgezogen. Hier lerne und experimentiere ich immer noch. Der Raum, den wir zur Verfügung haben, bestimmt, wo wir etwas platzieren und wie viele Arbeiten wir auswählen können. Weil die Bilder, die für die Ausstellung Beyond Transisi nach Frankfurt reisten, komplett neu produziert wurden, war ich glücklicherweise darin frei, den Fotografen im Vorfeld verschiedene Größen und Druckmaterialien vorzuschlagen, so dass die Arbeiten perfekt in den Raum passten.

Ich hatte außerdem großartige Unterstützung von Gunawan Widjaja und Oscar Motuloh von der Antara Galerie. Die beiden halfen mir, die richtigen Labore und Techniker für die Produktion der Arbeiten in Jakarta zu finden. Zu den großartigsten Dingen der digitalen Technologie und der modernen Fotografie gehört, dass man aus einer Reihe von verschiedenen Oberflächenmaterialien wählen kann, auf denen sich die Fotografien für eine Ausstellung drucken lassen. Labore können mittlerweile ohne Probleme eine Fototapete herstellen, mit der sich ein ganzes Gebäude bedecken lässt, oder sie drucken ein Foto in bester Qualität auf Leinwand. Für Beyond Transisi habe ich Octa Christi zum Beispiel vorgeschlagen, dass sie ihre Portraits von Jugendlichen mit dem Titel “Seventeen” auf großformatige Leinwand drucken lässt. Diese nun vier 1,5 x 2 Meter großen Bilder begrüßen den Besucher beim Betreten des Ausstellungsraums. Die Fotografien unterscheiden sich zwar voneinander, bilden jedoch einen Dialog über die Bedeutung der Jugend in Indonesien.


Fotografen aus Indonesien streben nach einer stärkeren Sichtbarkeit. Wie sollten sie vorgehen, um ihre Arbeiten in der internationalen Fotografieszene bekannter zu machen?

Mein Ratschlag lautet: Wenn es eine internationale Veranstaltung zum Thema Kunst oder Fotografie in deiner Heimatstadt gibt, dann versuche, sie zu besuchen und dort Leute zu treffen. Zeig deine Arbeiten, wenn es die Situation erlaubt. Es ist immer gut, von anderen Feedback zu bekommen. Das wichtigste ist, eine gute Webseite zu haben. Es ist einfach eine gute Möglichkeit für jeden Interessierten, zu jedem Zeitpunkt und von jedem Ort aus fotografische Arbeiten anzuschauen und sie ihn Ruhe immer wieder anzusehen. Einige der Fotografen, deren Arbeiten wir hier ausstellen, sind in sozialen Netzwerken sehr aktiv.

Als Kemal Jufri und Muhammad Fadli für die Ausstellung Beyond Transisi nach Deutschland kamen, nutzten sie gleich nach der Eröffnung die Gelegenheit, Bilder von der gegenwärtigen Situation von Flüchtlingen, die eben erst nach Europa gekommen waren, aufzunehmen. Fadli nutzte instagram und facebook, um anderen einen Eindruck von dem zu vermitteln, was er hier täglich erlebt. Außerdem gibt es eine ganze Reihe von Fotografie-Festivals sowie detaillierte Besprechungen von Arbeiten und Blogs, die sich anzusehen lohnen. Hier kann man sich darüber informieren, welche Art von Ausstellungen veranstaltet werden oder welche Art von Publikationen gefragt sind. Schau dir alles an und lies alles, was dich interessiert und was du bemerkenswert findest!

Celina Lunsford
Künstlerische Leiterin

Fotografie Forum Frankfurt

Vizepräsidentin
DFA Deutsche Fotografische Akademie

Celina Lunsford Biographie (PDF  32KB)