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Holzarchitektur und -bau in der lettischen Baukunst
Holz - ein traditioneller Baustoff

Das Gebäude der Zentralbibliothek Ogre
Das Gebäude der Zentralbibliothek Ogre | © Zentralbibliothek Ogre; Foto: Andra Marta Babre

Von Antra Viļuma

Holz ist in Lettland, ähnlich wie in anderen Staaten des Baltikums und Europas, ein traditioneller Baustoff. Zudem ist Holz das einzige erneuerbare Baumaterial, das CO2 speichert, und wäre daher beim Gedanken an die Zukunft die logische Wahl für den Bau neuer Gebäude. Vielerorts ist man über die Abholzung von Bäumen und Wäldern besorgt, doch zumindest in Lettland findet die Aufforstung schon seit mehreren Jahrzehnten planmäßig statt. Außerdem wird derzeit der größte Teil der von lokalen Herstellern gefertigten Holzbauten, -wandelemente und -module exportiert. Aus diesem Grund sollte die weitreichende Verwendung von Holz auch in Lettland gefördert werden.

Leicht zu bearbeitendes und gesundes Baumaterial

Holz war von jeher ein leicht zu beschaffendes und vergleichsweise einfach zu bearbeitendes Baumaterial, das sowohl auf dem Land als auch in Städten zum Bauen verwendet wurde. Es wurden einfache Wohnhäuser wie auch prächtige Gutshäuser gebaut, deren Architektur von der Verfügbarkeit von Material und Werkzeug sowie vom Können und der Erfahrung der Handwerker bestimmt wurde. Heute wird im Bauwesen nicht nur Schnittholz verwendet, sondern auch Holzbauprodukte, also verleimte, geklammerte oder gedübelte Holzkonstruktionen oder -elemente. In Bezug auf die Festigkeit können es moderne Holzbauprodukte mit Beton und Metall aufnehmen, doch herrschen auch gewisse Vorbehalte (vor allem was den Brandschutz angeht) und Beschränkungen oder Bauvorschriften, die allein aus dem Grund, dass Holz brennbar ist, zusätzliche Anforderungen daran stellen. Selbstverständlich sind für die Planung von Holzgebäuden – besonders bei öffentlichen oder Wohnhäusern – zusätzliches Wissen und Erfahrung nötig, und zwar nicht nur in Bezug auf Holzkonstruktionen, sondern auch auf Bauvorschriften, Feuchtigkeitsschutz und andere wesentliche Aspekte.
 
Beim Bau individueller Häuser entscheiden sich immer öfter Menschen für Holzgebäude, die an eine gesunde Umwelt für sich selbst denken und die auch Nachhaltigkeit, die Lebenszykluskosten des Gebäudes sowie möglicherweise den Einfluss auf die Umwelt im Auge haben. Neue Mehrfamilienhäuser aus Holz sind in Lettland weder zum Kauf noch zur Miete verfügbar. Es gibt Reihenhäuser und Zweifamilien- oder Doppelhäuser, aber größere Bauten mit Holzrahmenkonstruktion werden derzeit nur zwei gebaut: Das Gebäude „Ābelītes“ mit acht Wohnungen in Brenguļi sowie das Apartmenthaus „Smailes“ in Mūrmuiža. Zu finden sind Wohnhäuser mit Holzfassaden, insbesondere in Gegenden mit historischen Holzhäusern.

Fabrikgefertigte Holzarchitektur

Heute wird die Vor-Ort-Konstruktion von Holzgebäuden auf der Baustelle durch die Montage von vorgefertigten Gebäudeteilen abgelöst. Die ersten fabrikgefertigten Holzhäuser in Lettland wurden in den Fünfzigerjahren aus Finnland geliefert. Das waren kleine Holzmodulbauten, wie sie auch an die Sowjetunion gingen, aber in Lettland wurden sie vor allem auf Militärgeländen aufgestellt, zum Beispiel in Cimdenieki, Bolderāja und anderswo. Besser bekannt sind die Līvāni-Häuser, zusammensetzbare Holzkonstruktionen aus Lettland, für die mehrere Projekte entwickelt wurden. Mit aus Schweden importierten Werkbänken wurden sie mehrere Jahrzehnte lang in Līvāni hergestellt. Sie konnten von Gemeinden für den Bau neuer Dörfer in Auftrag gegeben werden, um in ländlichen Gebieten Wohnraum für die Fachleute zu schaffen. Architekten schlugen Alarm: es sei nicht akzeptabel, so viel einheitliche Architektur in der lettischen Landschaft zu bauen. In den Neunzigerjahren wurde die Produktion eingestellt. Seitdem sind in Lettland mehrere Dutzend Produktionsstätten für Holzrahmenbau entstanden, von denen ein Großteil der Produktion in verschiedene europäische Länder exportiert wird.
 
In Lettland gibt es nicht viele vorgefertigte öffentliche Holzgebäude oder öffentliche Gebäude mit fabrikgefertigten Holzelementen (Stützen und Balken). Hauptsächlich sind dies Sportgebäude – Sporthallen, Schwimmbäder und Eisstadien. Eines der ersten Bauwerke dieser Art wurde in den späten Achtzigerjahren als Lauf-Arena in Ķīpsala errichtet. In Litauen wurden große gebogene Leimholzkonstruktionen hergestellt, und dort war bereits eine Laufbahn gebaut worden. Diese Konstruktionen inspirierten die Vertreter des damaligen Polytechnischen Instituts Riga (heute Technische Universität Riga), ein solches Projekt in Angriff zu nehmen, doch aus verschiedenen Gründen (Änderungen im staatlichen System und der Finanzierung der Universität) wurde das Gebäude während des Baus für die Zwecke des Ausstellungszentrums BT1 umgestaltet.
 
In den folgenden Jahren wurden mehrere Projekte für Sporthallen (in Jūrmala, Liepāja u. a.), Schwimmbäder (in Inčukalns, Limbaži u. a.), ein Schulprojekt in Piņķi, die Open-Air-Konzertbühne „Mītava“ in Jelgava, Bürogebäude sowie Dächer für Einkaufszentren realisiert. In den letzten Jahrzehnten wurden neue öffentliche Holzgebäude als Beispiele für nachhaltige Architektur mit integrierten intelligenten Techniksystemen realisiert. Zu diesen Projekten gehören die regionalen Kundendienstzentren der lettischen Gesellschaft für staatliche Wälder LVM, die Zentralbibliothek in Ogre und der Kindergarten in Salaspils.

Kundendienstzentren der lettischen Gesellschaft für staatliche Wälder

Mehr als die Hälfte des lettischen Staatsgebiets ist von Wald bedeckt, und etwa die Hälfte der Waldflächen gehört dem Staat [1]. Die staatliche Aktiengesellschaft „Staatliche Wälder Lettlands“ (LVM) bewirtschaftet und vergrößert nicht nur die Waldflächen, sondern dient auch als Beispiel für die Nutzung von Bäumen. Regionale LVM-Kundendienstzentren wurden 2016 in Dundaga und 2021 in Jelgava errichtet. Die Gebäude wurden vom Architekturbüro „5. iela“ entworfen und vom Unternehmen „Selva Būve“ gebaut.

Kundenzentrum der lettischen Gesellschaft für staatliche Wälder, Jelgava Kundenzentrum der lettischen Gesellschaft für staatliche Wälder, Jelgava | © Antra Viļuma Der Rahmen des Gebäudes besteht aus Brettschichtholzbalken und -stützen. Die Gebäudehülle besteht aus Holzwerkstoffplatten. Bei dem Projekt in Jelgava wurden auch für die Decke des Erdgeschosses fabrikgefertigte Holzplatten verwendet. Die Fassade des Gebäudes besteht aus gesägten Holzbrettern. Die massiven Leimholzstützen an der Fassade stehen im Kontrast zu den verglasten Gebäudeteilen, die so konzipiert sind, [1]dass sie das Tageslicht maximal ausnutzen und Energie einsparen. Die Gestaltung der Terrasse und des Balkons, der auch als Fluchtweg dient, hat ebenfalls einen Einfluss auf die Stilistik des Gebäudes. Die architektonische Form und die technischen Lösungen des Gebäudes spiegeln das Projektmotto der Designer von „5. iela“ wider: Der Wald ist unser grünes Gold! Für die Innenausstattung wurden sowohl Sperrholz als auch Oberflächen aus recycelten Holzbrettern verwendet. Die leitende Architektin des Gebäudes, Ija Rudzīte, betont, dass Holz ein lebendiges, natürliches und umweltfreundliches Material ist. Sie weist darauf hin, dass Holz schon immer in Mode war und zudem nachhaltig und innovativ ist.

Nachhaltige Holzarchitektur in Ogre

Das Gebäude der Zentralbibliothek Ogre ist eine Holzkonstruktion, deren Entwurf sich auf die historischen Sommerhäuser der Stadt bezieht und deren Gestaltung die Bedürfnisse und Wünsche der Gemeinde und der Bewohner berücksichtigt – hier gibt es einen separaten Bereich für Jugendliche, einen Spielbereich im Lesesaal für Kinder, einen separaten Raum für Mütter mit Babys sowie einen Veranstaltungsraum mit Küchenbereich und einer Terrasse mit Blick auf die Stadt.
 
Leimholz ist das Hauptbaumaterial des Bibliotheksgebäudes; im Dachbereich wird es durch Metallkonstruktionen ergänzt. Der Massivholzrahmen ist eine Kombination aus Brettsperrholz-Wandelementen (CLT – Cross Laminated Timber) und Brettschichtholz-Balken und -Stützen (GLT – Glued Laminated Timber, glulam). Die beiden Architekten des Gebäudes, Valdis Onkelis und Rūdis Rubenis vom Büro PBR, hatten bereits Erfahrung mit Holzbauprojekten, investierten aber zusätzliche Zeit in Forschung und Ausbildung in Italien, um die besten Lösungen anwenden zu können. Um die Maße der CLT-Wandelemente bestmöglich auszunutzen, wurden sie auf der gesamten Höhe beider Stockwerke vertikal angeordnet. Da das Gebäude über eine Sprinkleranlage verfügt, konnte das Holz in vielen Teilen des Innenbereichs sichtbar bleiben. Dort schaffen die Konstruktionselemente aus Holz eine gemütliche Atmosphäre und ergänzen die Räume mit der natürlichen Textur des Materials. Auch die Fenstereinfassungen sind als Holzkästen gestaltet, in denen man sitzen kann. Außerdem wurde für die Regale in den Lesesälen und andere Einrichtungsgegenstände Holz verwendet.

Gesunde Umwelt im Kindergarten von Salaspils

Die Natürlichkeit von Holz wertet nicht nur die Ästhetik eines Raums auf, sondern hat auch einen erheblichen Einfluss auf die Luftqualität in Innenräumen. Die Gemeinde Salaspils hat einen von „MADE arhitekti“ entworfenen Kindergarten in Auftrag gegeben, bei dem Holz für die Konstruktion und Inneneinrichtung verwendet wurde, um das Mikroklima im Inneren zu verbessern. Die tragenden Holzelemente wurden aus Brandschutzgründen mit einem feuerfesten Material ummantelt. Um eine gute Schalldämmung zu gewährleisten, besteht die Außenhülle aus einer geeigneten Kombination von Materialien. Dank durchdachter baulicher und technischer Lösungen entspricht die Energieeffizienz mit einem Energieverbrauch von 10-25 kWh/m2 den Standards für Passivhäuser.
 
Um die natürlichen Materialien zu schützen und das Eindringen von Schmutz in die Räume zu vermeiden, ist das Gebäude mit einem separaten Eingang für jede Gruppe ausgestattet, wodurch auch Reinigungskosten reduziert werden.

Für jeden Holzbau ist natürlich der Brandschutz ein aktuelles Thema. Bei Befragungen und Interviews zu Gebäuden mit Holzkonstruktionen wurden als Hindernisse am häufigsten die Rechtsvorschriften und insbesondere die Bauordnung für den Brandschutz in Gebäuden genannt. Diese wird sowohl von Fachleuten genannt, die täglich mit Planung und Bau zu tun haben, als auch von Vertretern anderer Fachrichtungen, die direkt oder indirekt mit der Branche zu tun haben und mit dem rechtlichen Rahmen für das Bauwesen in Lettland vertraut sind. Von großer Bedeutung für das Projekt in Salaspils waren die Professionalität des Architekten Miķelis Putrāms sowie das vom Brandschutzingenieur Edvīns Grants erstellte Simulationsmodell, die sowohl den Projektentwicklern als auch den koordinierenden Behörden bei ihrer Arbeit halfen. Bei dem Projekt in Salaspils wurden Abweichungen von den Bauvorschriften abgestimmt, laut denen ein Kindergarten nur einstöckig sein darf. Um die Genehmigung für diese Abweichung zu erhalten, wurde die Forderung nach einer Außentreppe zu den Räumen im Obergeschoss und getrennten Eingängen für jede Gruppe erfüllt.

Holzkonstruktionen werden heute weltweit in Fabriken vorgefertigt und verwendet, weil dies schneller und wirtschaftlicher ist und höhere Qualität gewährleistet. Zudem entsteht weniger Abfall und ist die Arbeitsumgebung sicherer, wenn die Holzkonstruktionen vor Ort nur zusammengebaut werden. In Lettland entstehen zumindest neue öffentliche Gebäude und Wohnhäuser zunehmend in Holzbauweise, und jeder erfolgreiche Bau wird als Ereignis angesehen, doch insgesamt nimmt die Verwendung von Holz nur sehr langsam zu.

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