Urbaner Raum
Vorbild Glasgow oder Barcelona

Tjuvholmen liegt direkt am Oslofjord.
Tjuvholmen liegt direkt am Oslofjord. | © Heidi Bergsli

Trends in der Stadtentwicklung haben sich immer schon zwischen Stadt und Land bewegt und zu einer Standardisierung der Mittel geführt. Wir besuchen Orte auf Grund ihrer einzigartigen Architektur, Kultur oder städtischen Landschaft, die geformt wurden von lokalen Traditionen und Ressourcen.

Heutzutage definieren sich urbane Trends weltweit durch das Zusammenspiel von Eigentum, politischer Strategie, ökonomischen und kulturellem Know-how. Gerade die Berührung der Städte miteinander trägt dazu bei, dass sie sich mehr ähneln.  
Städte lernen voneinander und konkurrieren miteinander. Auf der einen Seite kann Nachahmung die Stadtentwicklung voran bringen und damit eine tragfähige und lebendige Stadt erschaffen. Auf der anderen Seite verursacht die Konkurrenz zwischen den Städten, dass Strategien kopiert werden, um sich im Wettbewerb zu profilieren.
Urbanisierung und Klimapolitik hängen als globales Phänomen eng zusammen. Damit sind globale Lösungen gefragt. Städte erzeugen enorme Klima-Emissionen, was jedoch zugleich eine positive Seite hat: Die urbane Konzentration ermöglicht es der Industrie, durch Standortvorteile Emissionen zu reduzieren, besonders innerhalb des Transports. Gute Stadtentwicklung handelt deswegen davon, diese Vorteile zu maximieren und etwa energieeffektive Gebäude zu errichten. Daher beteiligt sich Oslo an lehrreichen, internationalen Netzwerken, die solche Lösungen zum Ziel haben.

Die Formsprache der Städte wird gleicher  

 Oslos Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen - von 500.000 Einwohnern im Jahr 2000 auf über 650.000 in diesem Jahr. Um dem Bedarf an Wohnungen zu decken und klimafreundliche Lösungen voran zu bringen setzt die Kommune auf Knotenpunktentwicklung. In diesem Sinne wird gerade in der Nähe von Zugstationen dicht gebaut und das Angebot an öffentlichem Transport gesteigert. Existierende Wohngegenden werden verdichtet. Als Vorbild dient das Modell Singapur. Dort gibt es staatliche Vorgaben  in der Planung, gekoppelt mit einem starken Engagement für das öffentliche Transportsystem. Zwar sind die Unterschiede zwischen Singapur und Oslo enorm, doch bei Klimafragen stehen beide Metropolen vor ähnlichen Herausforderungen.
Auf der anderen Seite ist es gerade die interurbane Konkurrenz, die in der Realität eher zu mehr Kopien führt als zu besseren Praktiken für eine tragfähigere Gesellschaft. Zirkulierende Strategien der Stadtentwicklung setzen auf spektakuläre Gebäude und Events rund um das städtische Leben. Kultur- und Handelsangebote, Erholung und Infrastruktur sollen die Investoren herbeilocken. Derartige Strategien werden gerne von international orientierten Architektur- und Designbüros entwickelt. So gleicht sich die Formsprache der Städte immer mehr einander an.
Während die Städte einander kopieren, sind sie ebenso damit beschäftigt, sich voneinander zu unterscheiden. Zugleich trachten sie danach, die Qualität vorhandener städtischer Landschaft zu steigern, das Kulturerbe und augenfällige Architektur zu schützen. Seit den 1990er Jahren war es Oslos übergeordnete Vision, einen blau-grünen Landschaftsrahmen für die dichte Stadt zu akzentuieren. Der Fjord und der Wald bilden eine erholsame und ästhetische Besonderheit. Große Teile der Stadt befinden sich in Transformation, und ein Teil von dieser Entwicklung wird von privaten Gesellschaften betrieben. Weil die Orientierung am Markt stark ist, wird auch das Design der städtischen Räume mehr von Moden geprägt als dass es herausfordernd und kreativ wäre. Das Resultat erweist sich als mehr künstlerisch und symbolisch als verbraucherfreundlich und inkludierend. In Oslo zeigt sich das ganz besonders an den Hafenfronten.
Hafenfront-Projekte, die in den Städten entwickelt werden, haben oft Baltimore oder Boston als Vorbild, die in den 1980er Jahren den Hafen ausgebaut haben, mit Wohnungen, Geschäftsgebäuden, Boutiquen und Lokalen, samt Touristen-Attraktionen und Angeboten zur Erholung. Hinter dieser Entwicklung stehen private Investoren, um damit Effektivität zu steigern und öffentliche Mittel einzusparen. Dies führt zu einem geringeren Mitspracherecht der Behörden. Zudem reduziert es den Zugang für die Allgemeinheit. Da die Projekte sowohl Design und funktionellen Inhalt teilen, trägt die Nachahmung von Modellen der Stadtentwicklung das Risiko in sich, sowohl eine ästhetische als auch soziale Einseitigkeit zu fördern. Das zeigt sich deutlich an der Osloer Hafenfront.
Um dieser Homogenisierung entgegen zu wirken, sollte man annehmen, dass Kulturstrategien dämpfend wirken. Oslo Kommune hat auf kulturgeleitete Stadtentwicklung gesetzt, wobei unter anderem auch Glasgow und Barcelona Vorbilder waren. Das Besondere in Oslo ist sogar, dass mehrere von Oslos wichtigsten Kulturinstitutionen hinunter an den Kai gezogen sind und historische Kulturgebäude in der ganzen Stadt verlassen.

„SLOAPS“, spaces left out after planning

Der so genannte Bilbao-Effekt, geschaffen vom Guggenheim-Museum, hat dazu geführt, dass Städte entsprechende Signalbauten anstreben. In Oslo wünscht man sich inzwischen mehrere davon, nach dem Erfolg des neuen Opernhauses von 2008. Munchmuseum, Hauptbibliothek, Nationalmuseum und Astrup Fearnley werden nun entlang der Fjordlinie platziert. Die Oper erhielt die Rolle als neue norwegische Landmarke, weil das Gebäude leicht zugänglich ist, abgespeckt wurde und bestiegen werden kann. Die anderen geplanten Bauten erhalten ebenfalls ein nicht spektakuläres Design. Das unterscheidet die Fjordstadt wohl von vielen anderen vergleichbaren Mega-Projekten. Das gilt für Oslo auch, wenn es um mangelnde Pläne für wichtige historische Kulturgebäude in der Stadt geht.
Die Kommune bewahrt wichtige öffentliche Räume und Kulturinstitutionen in Oslo, fördert aber zugleich das Wachstum. Das übt einen unglücklichen Druck auf die lokale Wirtschaft in der Innenstadt aus. Einzelhändler werden verdrängt zugunsten von Boutique-Ketten, Maklerbüros und neuen Geschäftsgebäuden. Die Kommerzialisierung wird damit gegenüber der Kopie bevorzugt. Weil Boutique-Ketten in hohem Grad in globalen Märkten operieren, ist die Folge ein Beitrag zur Gleichmachung. Städte wie Oslo werden dadurch weniger besonders und einzigartig.
Eine größere Beteiligung der Lokalbevölkerung in der Planung und ein für kreative und nicht-kommerzielle Lösungen reservierter Raum könnten dazu beitragen, die Eigenart der Stadt zu behalten. Eine andere Möglichkeit wäre es, das zu inkludieren, was in moderner Planung in Gebieten der Stadtentwicklung „ SLOAPS“ genannt wird – spaces left out after planning. Solche Zwischenräume könnten gebraucht werden für verschiedene Aktivitäten und - nach den Prämissen von lokalen Nutzern - impulsiv oder gesteuert Form annehmen. In Oslo sollten solche Zwischenräume reserviert werden, bevor weiteres Wachstum die ganze Stadt stromlinienförmig gemacht hat.