Norwegen und Deutschland
Mit dem Fahrrad durch Berlin - Wahlkampf 2017

Wahlkampf
Wahlkampf | Foto: ©Pixabay

Den deutschen Wahlkampf dem norwegischen gegenüber zu stellen, ist als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Dieses Jahr werden die norwegischen Wahlen zwei Wochen vor den deutschen abgehalten.

Für mich als Journalistin, die über deutsche Politik schreibt, ist das allerdings nachteilig. Schon die Wahl im eigenen Land beansprucht viel Aufmerksamkeit. Andererseits fällt es leicht, Parallelen zu ziehen und Vergleiche anzustellen.

Wahlplakat-Bonanza

Oberflächlich betrachtet gibt es viele Ähnlichkeiten: Die Bundestags- bzw. Parlamentswahl findet in den zwei Ländern statt, die u.a. zu den am weitesten entwickelten Demokratien zählen. Beide Länder sind frei und wohlhabend, die meisten Einwohner genießen einen hohen Lebensstandard. So gesehen ließen sich Äpfel mit Birnen doch vergleichen, da sie immerhin zu den essbaren Früchten zählen.
Während des deutschen Wahlkampfs fahre ich gerne mit dem Fahrrad durch Berlin, um die überall in den Straßen, an Laternenpfählen, und an Zäunen hängenden Plakate zu betrachten. Man sieht nicht nur, was die großen Parteien propagieren, sondern begegnet auch den kleinen, unbekannteren Parteien, wie Die Tierschutzpartei, Die deutsche Mitte, Bergpartei und MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands). Heute sitzen fünf Parteien im Bundestag, nach der Wahl könnten es sieben sein – wobei insgesamt 42 zur Auswahl stehen. Bekanntere sind u.a.: Die Piratenpartei oder die Spaß-Partei Die Partei, in der Satiriker Mitglieder sind. Einer davon – Martin Sonnenborn – ist im Europaparlament und belustigt die Fans mit Live-Berichten aus der hintersten Reihe.
Die Partei erhielt viel Aufmerksamkeit, nachdem sie Facebook-Accounts der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) hackte und Wahlsprüche wie «Heimat-Liebe» zu «Hummus-Liebe» abänderte. Unterhaltsam war der deutsche Wahlkampf, aber dafür politisch nicht sonderlich spannend. Jetzt, da Angela Merkels CDU – Umfragen zufolge– 15 Prozent vor der SPD liegt, bleibt nur noch die Frage offen, mit wem sie eine Koalition bilden wird.
Der norwegische Wahlkampf entwickelte sich deutlich aufregender, weil das linke und rechte Lager nur knapp auseinander liegen. Wenn man diesen Text liest, ist das norwegische Wahlergebnis bereits bekannt, die deutsche Wahl findet dagegen erst am 24. September statt.

Äußere und innere Unterschiede

Wahlplakate können in Deutschland von allen Parteien frei aufgehängt werden, es kostet lediglich Material und Arbeitskraft. In Norwegen müssen die Parteien den jeweiligen Werbeplatz kaufen. Auch bei den eingesetzten Mitteln und Medien zeichnen sich Unterschiede ab: In Deutschland wird traditionell auf Vorträge sowie Parteistände zurückgegriffen, soziale Medien spielen eine geringere Rolle als in Norwegen. Insgesamt funktioniert die deutsche Medienmaschinerie aber langsamer als die norwegische. In Norwegen ist die Nutzung sozialer Medien für alle Parteien wichtig, wobei auch Hausbesuche üblich sind.
Wir kommen erneut auf den Äpfel- und Birnen-Vergleich zurück, wenn man sich die Wahlinhalte ansieht: Der deutsche Wahlkampf ist sogar für uns Ausländer zu verstehen, weil der Schwerpunkt auf internationalen Themen und Außenpolitik liegt: Wie soll die EU in Zukunft gestaltet werden, wie die Beziehungen zu Russland und der Türkei? Die Flüchtlingsthematik wird sowohl innenpolitisch (in Bezug auf Integration und Religion) als auch außenpolitisch stark diskutiert. Wie kann erreicht werden, dass die Menschen in ihrem Heimatland bleiben können und nicht nach Europa reisen? Was sind die Aufgaben der EU? Weitere Themen sind: Sicherheit, Pflegenotstand, soziale Güterdistribution, sowie Renten- und Umweltpolitik.
Vor diesem Hintergrund wirkt der norwegische Wahlkampf provinziell: Die Außenpolitik wird knapp thematisiert, in Wahlsendungen und sozialen Medien beschäftigt man sich mit Einwanderung, der nationalen Identität und mit gesellschaftlichen Werten. Tendenziell ist die Perspektive auf das Lokale begrenzt. Der Fokus liegt auf dem Individuum. Aus deutscher Sicht wirkt der norwegische Wahlkampf im «Land der Petroholiker», wie es die Süddeutsche Zeitung einmal formulierte, selten und ungewöhnlich wie eine Molte-Beere.

Satire in der Politik Als Satire gemeint - Die Partei | Foto: ©Ingrid Brekke Deutschland ist ein einflussreiches Land in Mitteleuropa mit internationalen Verbindungen. Wer hier regiert, nimmt eine tragende Rolle ein, die weit über die Landesgrenzen hinaus reicht. Norwegen ist ein peripheres Land, welches sich gerne das Image des Selbstständigen und der Andersartigkeit verleiht.

International – und abstrakt

Andererseits kommt mir der Wahlkampf in Deutschland abstrakter vor. Er weist weniger Schnittstellen mit dem Alltag der Bürger auf, während in Norwegen das Gegenteil der Fall ist. Zugleich wird in beiden Ländern beklagt, dass die wichtigen Herausforderungen der Zukunft unbeachtet bleiben, wie: Die Klimadebatte, die Ölwirtschaft und die Konsequenzen der Digitalisierung.
Nun heißt es erst einmal, die Wahlbeteiligung abzuwarten, welche als Maßstab dafür gilt, wie gelungen eine demokratische Wahl ist.