Wandel des Journalismus
Social Media – Gefahr für den Journalismus?

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„In Zeiten von Social Media geht mit dem Verlust der Zeitung nicht nur eine Form von Informationsvermittlung verloren, sondern auch ein Teil der Gesellschaft.“ Das sagt der Soziologe und Journalist Stefan Schulz in seinem Buch Redaktionsschluss.

„In einer Zeitung stand nicht, was gestern Wichtiges passierte, sondern was heute und morgen wichtig werden sollte“. Das Zeitunglesen ist ein Moment der sozialen Ruhe. Durch die Legitimität und Autorität der JournalistInnen werden Beteiligte und Unbeteiligte zur Verantwortung gezogen. Diese bewusste Auseinandersetzung wurde gegen reißerische Überschriften und ein paar Klicks getauscht.
Wussten Sie, dass nicht einmal die Hälfte aller Personen, die einen Link bei Social Media teilen, diesen auch wirklich komplett gelesen haben? Schon lange stellen JournalistIn, LeserIn, Quelle und Plattform ein komplexes Spannungsverhältnis dar, das zunehmend unübersichtlicher wird. Damit einhergehend stellt sich die Frage, ob Social Media den redaktionellen Journalismus abbaut - wenn ja, welche Chancen und Risiken birgt das?

Glauben an die Macht der Qualität

„Es gibt eine Menge an Informationen, Wahre und Falsche, und es ist für viele LeserInnen schwierig den Unterschied zu sehen“, weiß die norwegische Journalistin und Autorin Ingrid Brekke. Die aktuelle Entwicklung betrachtet sie kritisch. Für sie wird es besonders dann problematisch, wenn Fake-News die Glaubwürdigkeit von Medien beeinflussen. Dennoch bleibt die Norwegerin hoffnungsvoll: „Ich habe einen vielleicht naiven Glauben an die Macht der Qualität. Wir JournalistInnen sind nun zu mehr Transparenz gedrängt. Außerdem erlaubt es die heutige Technologie zu sehen, was die LeserInnen interessiert, was sie verstehen und noch viel wichtiger: was sie noch nicht verstanden haben. Dadurch sehen wir als JournalistInnen, was wir besser erklären müssen“.

Portrait © Stefan Schulz Dank Online-Plattformen ist es so einfach wie noch nie zuvor, viele Menschen mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Eine Tendenz die besonders JournalistInnen beunruhigt, da die Grenzen von der allgemeinen Meinungsäußerung zu dem professionellen Handwerk fließend sind. Hat früher der oder die JournalistIn entschieden, welche Nachrichten für die Öffentlichkeit relevant sind, sind es heute die LeserInnen selbst, die sich zusammen mit schlauen Algorithmen ihren personalisierten News-Feed erstellen.
Das führt dazu, dass die Rolle von JournalistInnen neu verhandelt werden muss. Der klassische Journalismus, bei dem sich JournalistInnen für Recherchen monatelang die Nächte um die Ohren schlagen, funktioniert so nicht mehr. „Umso vernetzter und komplizierter die Welt auch wird, desto minimalistischer wird die Berichterstattung über sie“, beklagt Stefan Schulz. Berichterstattung von heute erfordert die Erklärung des Klimawandels innerhalb einer Tweetlänge.

Ein Perspektivwechsel für die Zukunft

Wenn man sich mit Social Media und Journalismus auseinandersetzt, dann kommt man um einen Begriff nicht herum: Filter Bubble. Die allgegenwärtige Filter Bubble bezeichnet die Informationsblase, die uns alle einfängt. Facebook, Instagram und andere Plattformen arbeiten mit Algorithmen, die voraussagen möchten, was uns am meisten interessiert. Damit soll uns zum einen das Leben erleichtert werden, und zum anderen soll es uns davor bewahren in einem Meer von Informationen unterzugehen. Den LeserInnen soll zugleich nicht ihre Mündigkeit abgesprochen werden, ganz im Gegenteil: LeserInnen können sich dem Einfluss von Algorithmen zwar kaum entziehen, trotzdem wollen sie die Artikel lesen, die ihnen vertrauenswürdig erscheinen. „Abseits vom individuellen Leseinteresse, lässt sich nur mit Reputation journalistisch ein Thema setzen“, so Schulz. Im Zeitalter von Fake-News ist es den LeserInnen wichtig zu wissen woher ein Beitrag stammt. „Vertrauen wird im Journalismus zur Grundlage von allem“. Das verleiht dem Zusammenspiel von Social Media und Journalismus eine leicht zerstörbare Dynamik.

Es ist nachvollziehbar, Sorge um den Journalismus zu haben, durch die Art und Weise, wie Social Media die Informationsvermittlung beeinflusst. LeserInnen informieren sich über Themen in einer so stark minimierten Form, wodurch viel Kontextwissen verloren gehen kann. Den Journalismus als Opfer der Technologie zu betrachten ist aber sehr bequem. Stattdessen könnten Medienschaffende versuchen den Wandel zu begreifen und Lösungen zu finden. Befragt man norwegische und deutsche Studierende, lässt sich kaum eine dominante Meinung festhalten. Dennoch: Knapp mehr als die Hälfte sieht Social Media nicht als Gefahr an. Vielleicht fehlt es den traditionellen Redaktionen schlicht an frischem Wind und jungen JournalistInnen. Diese könnten eine neue und unerschrockene Perspektive auf das Thema mitbringen.