Schwerpunkt: Nachhaltigkeit
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Foto: ©colourbox

Wir alle wissen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen, und ein Teil dieser Herausforderungen macht sich bereits stark bemerkbar. An einer Reihe von Zeichen können wir klar erkennen, dass der Fußabdruck der Menschheit auf unserem Planeten bedenklich groß wird.
 

Die atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration hat längst den Wert von 400 ppm überschritten und befindet sich auf sicherem Kurs zu neuen, noch weitaus höheren Messwerten. Gleichzeitig dürfen wir maximal noch  800 Gigatonnen CO2 ausstoßen, sofern wir – statistisch berechnet – das Ziel einer globalen durchschnittlichen  Temperaturerhöhung von unter zwei Grad halten wollen. Bei der heutigen Geschwindigkeit, mit der wir Kohlendioxid freisetzen, werden wir diese Grenze in unter 20 Jahren passieren. Wir haben außerdem innerhalb von 40 Jahren den Bestand an höher entwickelten Tieren um fast 60 Prozent reduziert. Auch wenn wir den Bestandsrückgang nicht in allen Fällen auf menschliche Aktivitäten zurückführen können, besteht kaum ein Zweifel daran, dass unser kollektiver Fußabdruck auf dem Planeten – in Form von Lebensraumzerstörung, Überjagung, Umweltgiften und Klimawandel – das Hauptproblem darstellt. Diese Reduktion des Bestandes darf nicht mit dem Artensterben verwechselt werden, doch kommt sie zum Artenschwund noch hinzu, auch wenn niemand genau anzugeben weiß, wie hoch der menschliche Einfluss ist. Während die Zahl der Tiere abnimmt, steigt die Zahl der Menschen. Viel deutet darauf hin, dass im Jahr 2050 über zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben, mit steigenden materiellen Ansprüchen und einem ebenso steigenden Bedarf an Nahrung.

In jedem Jahr wird von neuem der sogenannte Earth Overshoot Day (etwa: „Weltüberlastungstag“) berechnet, also der Tag des laufenden Jahres, an dem die Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen die Kapazität der Erde zur Reproduktion übersteigt. Der Trend in den letzten Jahren ist, dass dieser Tag immer früher eintritt. 2018 wurde er auf den 1. August berechnet, was heißt, dass wir den Rest des Jahres streng genommen von den Ressourcen zukünftiger Generationen leben.

Das Meer als Speisekammer

Das Meer spielt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle, sowohl als Speisekammer als auch als Müllhalde. Das Meer ist außerdem für das Klima sehr wichtig. Wir Menschen fühlen uns von wenig abhängig, aber das meiste, wovon wir wirklich abhängig sind, kommt aus der Natur. Da die Landfläche unser gewohnter Lebensraum ist, richten wir unsere Aufmerksamkeit vor allem auf Feldfrüchte und Nutztiere, die einen Großteil unserer Nahrung stellen. Fisch und Schalentiere tragen nur zu 17 Prozent zu unserer Proteinversorgung bei, doch kann und sollte sich diese Zahl beträchtlich erhöhen, allerdings auf nachhaltige Weise. Sehr große Teile der fruchtbaren Landflächen haben wir bereits beschlagnahmt; noch weitere Waldareale in Ackerland zu verwandeln, wäre nicht nachhaltig. Das Meer dagegen hat viel zu bieten. Die Nahrungsketten des Meeres sind bedeutend effektiver als die an Land, da es sich bei der Pflanzenkost um Algen handelt, die schnell wachsen, wenig Platz verbrauchen und wertvolles Eiweiß liefern. Daneben enthalten Algen auch die wertvollen mehrfach ungesättigten Fettsäuren, von denen wir abhängig sind. Wir sollten deshalb viel mehr Meeresfrüchte zu uns nehmen, gerne vom Anfang der Nahrungskette, jedoch ohne alte Fehler zu wiederholen. Der Kollaps des atlantischen Heringsbestandes in den 1970er-Jahren ist ein dramatisches Beispiel, die Überfischung aufgrund gesetzlicher „Schlupflöcher“ in nicht regulierten Gewässern ein anderes.

Die Tragik der Allmende

In wenigen Worten lässt sich Letzteres als Nutzung gemeinsamer Ressourcen beschreiben. Wer Nutzen aus diesen Ressourcen, etwa Fischgewässern oder Weideland, zieht, hat ein persönliches Interesse daran, eine möglichst große Ausbeute zu erzielen, während der Effekt für das Kollektiv eine Überbeanspruchung ist – die „Tragik der Allmende“, wie Sozialwissenschaftler diesen Mechanismus genannt haben. Er ist Auslöser von sehr vielen Umweltproblemen – sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene. Auch unter verschiedenen Nationen kann der Mechanismus zum Tragen kommen; hier ist die Überfischung ebenfalls ein signifikantes Beispiel. Von einer „Tragik der Allmende“ können wir außerdem sprechen, wenn es um Emissionen und Umweltverschmutzung geht. Man kann es sich leicht machen und die eigene Aussendung von Störfaktoren in die Umwelt als unbedeutend im großen Zusammenhang darstellen, doch kann die Summe der Emissionen dramatische Auswirkungen haben, etwa wenn Plastikmüll und viele andere Dinge unkontrolliert in die Meere gelangen. Das gilt nicht zuletzt für den Ausstoß von Kohlendioxid. Die Probleme werden vom Konsum einzelner Individuen und den Emissionen der Staaten ausgelöst.

Heute stellt der Klimawandel die größte Bedrohung für die Meere da. Sie gibt zu noch mehr Sorge Anlass als der Plastikmüll und die Versauerung der Meere. Die Heringsbestände sind erneut bedroht, doch diesmal aus anderen Gründen. Die Nahrungsketten des Meeres sind im Begriff, sich zu verändern, und der Bestandsrückgang an Seevögeln ist ein deutliches Zeichen, dass etwas schiefläuft. Vor ein paar Jahren nahm ich meinen Sohn mit auf die Vogelinsel Runde an der Küste von Sunnmøre, um ihm die großartige Natur zu zeigen, wie ich sie aus meiner eigenen Jugend in Erinnerung hatte. Aber es war ganz stumm am Vogelfelsen, viele der Möwen und Papageientaucher waren verschwunden. Die Seevögel sind die Kanarienvögel des Meeres. Ein gesundes Meer ist auch wichtig für das Klima selbst, 25 Prozent unserer Kohlendioxid-Emissionen nimmt das Meer auf.

Möglichkeiten der Zusammenarbeit

Lassen sich diese Probleme überhaupt lösen? Wir Menschen sind in vielerlei Hinsicht besser als unser Ruf. Wir sind empathisch, sozial,  teamfähig und geschickt darin, gemeinschaftlich Lösungen zu finden. Unsere Schwäche ist unsere Kurzsichtigkeit. Sowohl diese positiven als auch die negativen Charaktereigenschaften können zu den Grundstoffen der menschlichen Natur gerechnet werden. Es gibt durchaus Wege, der „Tragik der Allmende“ zu entgehen. Wie die Wirtschaftswissenschaftlerin und Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom nachgewiesen hat, besteht ein vielversprechender Ansatz in der gemeinsamen Verwaltung der Fischressourcen – auf diesem Gebiet haben wir inzwischen beachtliche Fähigkeiten. Wir haben auch gelernt, dass wir der Vermüllung der Ozeane nur gemeinschaftlich begegnen können, denn eine Lösung liegt in unser aller Interesse. Die Forderungen internationaler Organisationen gehen in diese Richtung. Und dann müssen wir uns auch gemeinsam des Problems der Kohlendioxid-Emissionen annehmen, und zwar bald. Das Meer hilft uns, aber wir müssen auch dem Meer helfen.  
 

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