Interview mit Prof. Dr. Musa Yaşar Sağlam

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Musa Yaşar Sağlam über Klaus Kordon, die Kunst und Ethik der literarischen Übertragung

Dr. Ahmet Terkivatan

Klaus Kordon Buchcover mit Titel Korsanin Oglu und Schiff auf See Nika Verlag

Kinder- und Jugendliteratur ist weit mehr als bloße Unterhaltung. Sie öffnet jungen Leser:innen Türen zu neuen Welten, vermittelt Werte und bietet Orientierung in einer oft komplexen Realität. Inmitten dieser literarischen Landschaft ragt der deutsche Autor Klaus Kordon als eine prägnante Stimme heraus. Seine Geschichten erzählen von Mut, Widerstand und Menschlichkeit – und das aus der Sicht junger Menschen, die sich in schwierigen sozialen und politischen Verhältnissen behaupten müssen. Kordons Werke sind nicht nur spannend, sondern auch tiefgründig: Sie machen Geschichte erfahrbar und zeigen, wie wichtig es ist, Haltung zu zeigen – gerade in Zeiten der Unsicherheit. Diese literarischen Welten einem türkischen Publikum zugänglich zu machen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die weit über sprachliche Präzision hinausgeht. Prof. Dr. Musa Sağlam, Germanist, Pädagoge und erfahrener Übersetzer, hat sich dieser Herausforderung angenommen. Mit großer Sorgfalt hat Sağlam drei Werke Kordons ausgewählt und ins Türkische übertragen: Kiko (Beltz & Gelberg, Originalausgabe, 24. Januar 2012), Alicia geht in die Stadt: Geschichten aus sieben Ländern (Gulliver bei Beltz & Gelberg, 6. Edition, 29. Mai 2015) und Piratensohn (Beltz & Gelberg, 3. Edition, 9. Januar 2008). Diese Titel vereinen zentrale Themen wie Identität, soziale Ungleichheit, Flucht, Freundschaft und Selbstbehauptung – Erfahrungen, die junge Menschen angesichts multipler Krisen, Gewalt und Kriege weltweit bewegen. Die vom Goethe-Institut Ankara geförderten Übersetzungen erscheinen im Nika Verlag und wurden am 10. Oktober 2025 im Rahmen einer literarischen Veranstaltung im Goethe-Institut Ankara vorgestellt. Der Abend ludt dazu ein, über die Herausforderungen und Möglichkeiten literarischer Vermittlung ins Gespräch zu kommen – und über die besondere Kraft von Geschichten, Brücken zwischen Kulturen zu schlagen.

Die aktuelle Übersetzungstrilogie baut auf einer bereits bestehenden literarischen Verbindung auf: Bereits zuvor hatte Sağlam zwei Werke von Klaus Kordon ins Türkische übertragen – eines erschien bei TÜBİTAK Yayınları, das andere bei İş Bankası Kültür Yayınları. Diese frühere Auseinandersetzung mit Kordons Sprache und Themen bildet das Fundament für die neuen Übersetzungen und verleiht ihnen zusätzliche Tiefe und Kontinuität.

Im Gespräch mit Sağlam wird schnell klar, wie persönlich und reflektiert er an seine Übersetzungen herangeht. Wir haben ihn gefragt, wie er die Balance zwischen sprachlicher Treue und kultureller Anpassung findet, welche Rolle das Goethe-Institut Ankara in seinem Werdegang spielt – und was ihn an Klaus Kordons Erzählweise besonders fasziniert.

Das vorliegende Gespräch mit Sağlam basiert auf einem Katalog von 26 schriftlich formulierten Fragen, die ebenso schriftlich beantwortet wurden. Ziel war es, Einblicke in seine Übersetzungspraxis sowie in seine literaturpädagogischen Überzeugungen zu gewinnen. Die schriftliche Form des Interviews ermöglichte eine besonders reflektierte und differenzierte Auseinandersetzung mit den gestellten Fragen. Die Antworten von Sağlam zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Tiefe und Klarheit aus. Sie spiegeln nicht nur seine langjährige Erfahrung als Literaturübersetzer wider, sondern auch seine Haltung zur Verantwortung, die mit der Übertragung von Kinder- und Jugendliteratur in einen anderen kulturellen Kontext einhergeht. Ergänzt wird das schriftliche Interview durch zahlreiche persönliche Gespräche, die im Rahmen von Konferenzen und Fachveranstaltungen im Goethe-Institut Ankara geführt wurden.