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Berlinale-Blogger*innen 2022
Alles wird gut

Bettina Wegner, in: „Bettina“, Regie: Lutz Pehnert
Bettina Wegner, in: „Bettina“, Regie: Lutz Pehnert | Foto (Detail): © Jörg Möller

Das Liedermacherinnenporträt „Bettina“ und das Langdebüt „Sorry Genosse“ – beides Dokumentarfilme – erzählen deutsch-deutsche Geschichten.

Von Philipp Bühler

Während viele Berlinale-Filme auch 2022 wieder zum Kammerspiel tendieren, hat sich für den Dokumentarfilm nicht viel geändert. Die Filmemacher*innen hatten dank Corona vielleicht noch etwas mehr Zeit, um tief in die Archive zu gehen. Der schwedische Film Nelly & Nadine (Panorama, Regie: Magnus Gertten) zum Beispiel ist ein wahres Monster an Recherche. Aber die enorme Anstrengung hat sich gelohnt: Gezeigt wird das packende Porträt einer jahrzehntelangen lesbischen Liebe, die im Frauen-KZ Ravensbrück unter schlimmsten Umständen begann.

Absage an das Autoritäre

Bettina Wegner ist seit 74 Jahren dieselbe, frech und unangepasst. Zusammen mit Regisseur Lutz Pehnert blickt die Berliner Liedermacherin in Bettina auf ihr widerständiges Leben zurück. Als Kind noch überzeugter „Stalin-Fan“, wollte die DDR sie bald so schnell wie möglich loswerden: „Frau Wegner, wir können nicht mit Ihnen, und Sie nicht mit uns.“ Sie aber wollte nicht weg, Ostdeutschland war ihre Heimat. Erst 1983 wurde die Ausbürgerung unausweichlich. Davor lagen eine stürmische Beziehung mit dem Lyriker Thomas Brasch, eine Haftstrafe wegen einer Flugblattaktion gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 und Schallplattenerfolge im Westen. Ihr bekanntestes Lied Sind so kleine Hände hat sie lange Zeit gemieden, im Film singt sie es wieder. Auch durch die auf Deutsch gesungene Version von Joan Baez wurde die Absage an jede autoritäre Erziehung zu einem Standard des Folk-Revivals, dem sich Wegner im weitesten Sinne zurechnen lässt. In der DDR war sie in sogenannten „Hootenanny“-Singkreisen nach amerikanischem Vorbild aktiv. Als daraus „leider ein FDJ-Klub“ wurde, war damit Schluss.

Abenteuerliche Flucht

Eine weitere deutsch-deutsche Geschichte erzählt Sorry Genosse (Perspektive), das Langdebüt der Münchner Filmemacherin Vera Brückner. In den 1970er-Jahren sind Hedi und Karl-Heinz in großer Liebe verbunden, aber durch den Eisernen Vorhang getrennt. Als überzeugter Linker würde Karl-Heinz sogar in die DDR übersiedeln, aber die will ihn lieber als Spion – im Westen. Die Pandemie hat den Film nach allen Kräften sabotiert, doch vielleicht auch dadurch ähnelt er wunderbar seinem Gegenstand: Die perfekt geplante Republikflucht über Rumänien wird zum wild improvisierten Abenteuer, das trotz haarsträubender Unfälle gerade noch gut ausgeht.
 

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