Berlinale 2025  Eigene Zeiten

Anba Dlo (Brasilien, Kuba, Haiti, 2025). Regie: Luiza Calagian, Rosa Caldeira. Im Bild: Berline Charles, Feguenson Hermogène. Berlinale Shorts.
Anba Dlo (Brasilien, Kuba, Haiti, 2025). Regie: Luiza Calagian, Rosa Caldeira. Im Bild: Berline Charles, Feguenson Hermogène. Berlinale Shorts. © Luiza Calagian, Rosa Caldeira

Kurzfilme in den unterschiedlichen Sektionen der Berlinale erkunden Rhythmen und Zeiten entgegen der permanenten Beschleunigung des alltäglichen Lebens.

Zeit der Trauer

Anba Dlo, eine Koproduktion zwischen Brasilien, Kuba und Haiti mit Drehbuch und Regie von Luiza Calagian und Rosa Caldeira, läuft im diesjährigen Kurzfilmwettbewerb um den Goldenen Löwen. Der Film handelt von Nadia, einer haitianischen Biologin, die in Kuba lebt und über die dortige Flora und Fauna forscht. Als sie vom Tod ihrer früheren Liebe in Haiti erfährt, verbringt sie schlaflose Nächte über die Frage ob sie zur Beisetzung dorthin zurückkehren soll. Mit Anklängen von magischem Realismus, die sich in Flüstern im Wald und dem Erscheinen eines mysteriösen Wesens in einem See manifestieren, entwickelt der Film sich in Nadias eigener Zeit und mit nur wenigen Interaktionen mit zwei Freunden. Vor allem auf Kreol, aber auch Spanisch gesprochen und mit Bezügen zur kubanischen Santería, schildert der Film Nadias Drama zart aber sehr intensiv. Herausragend an dem Film sind die schauspielerische Leistung von Beline Charles in der Rolle der Protagonistin, sowie die Bildregie, der es gelingt, Nadias Trauerprozess in einem dunklen, sich vor allem nachts abspielenden Film, einzufangen, und dennoch nicht düster zu wirken.
Arame farpado / Barbed Wire (Brasilien, 2025). Regie: Gustavo de Carvalho. Im Bild: Isabella Guido, Gabriel Novaes. Berlinale Generation.

Arame farpado / Barbed Wire (Brasilien, 2025). Regie: Gustavo de Carvalho. Im Bild: Isabella Guido, Gabriel Novaes. Berlinale Generation. | © Renato Groberman Hojda

Die Trauer um den Vater, der die Familie verlassen hat, ist der Hintergrund, vor dem sich der brasilianische Kurzfilm Arame farpado / Barbed Wire abspielt. Bei dem Versuch, den Lastwagen ihres Stiefvaters zu beschädigen, verursachen die zwölfjährige Angelina (12) und ihr jüngerer Bruder einen schweren Verkehrsunfall mit einer Fahrradfahrerin. Mit Hilfe der älteren Schwester Evita bringen sie die verletzte Frau ins Krankenhaus. Während sie in der Notaufnahme warten, werden in den Gesprächen der Geschwister untereinander und mit dem neuen Ehemann der Mutter Details familiärer Probleme sichtbar. Angelinas unverarbeitete Trauer und Hoffnung auf eine Rückkehr des Vaters finden ihren Ausdruck in Halbsätzen und starkem Schmerz. Der Film entstand unter der Regie von Gustavo de Carvalho und läuft in der Sektion Generation, die sich an das jugendliche Publikum der Berlinale richtet.
Atardecer en América / Sunset over America (Brasilien, Chile, Kolumbien, 2025). Regie: Matías Rojas Valencia.

Atardecer en América / Sunset over America (Brasilien, Chile, Kolumbien, 2025). Regie: Matías Rojas Valencia. | Berlinale Generation.

Zeit des Wartens

Die brasilianisch-chilenisch-kolumbianische Koproduktion Atardecer en América / Sunset over America unter der Regie von Matías Rojas Valencia und in der Sektion Generation ist ein im Hochland der Anden angesiedelter dokumentarischer Kurzfilm. Bárbara, eine 15-jährige Jugendliche, erzählt von ihrer Überwindung einer der gefährlichsten Migrationsrouten zwischen Venezuela und Chile. Der Titel des Films spielt an auf die Tageszeit, zu der sich die Menschen auf ihrer Flucht aus der Krise in Venezuela und in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Chile bewegen, um nicht gleich von der Polizei entdeckt zu werden. Während die Tage geprägt sind von Warten und Langeweile, ist die Nacht anstrengend. Das Wüstenklima mit seiner schneidenden Kälte, Hunger und Durst, sind zusätzliche Herausforderungen für diejenigen, die diesen Weg gehen. Die Weite des Altiplano mit den Gebirgszügen der Anden im Hintergrund steht für die Schwierigkeit und mögliche Tragödie, der alle jene ausgesetzt sind, die sich auf diesen Weg machen.
Akababuru: expressão de assombro / Akababuru: Expression of Astonishment / Akababuru: Ausdruck des Erstaunens (Kolumbien, 2025). Regie: Irati Dojura Landa Yagarí. Im Bild: Heluney Nerio Niaza. Berlinale Generation.

Akababuru: expressão de assombro / Akababuru: Expression of Astonishment / Akababuru: Ausdruck des Erstaunens (Kolumbien, 2025). Regie: Irati Dojura Landa Yagarí. Im Bild: Heluney Nerio Niaza. Berlinale Generation. | © Laura Rave Escalante, José Ramírez Hernández

Zeit des Lachens

Ebenfalls in der Sektion Generation verbindet die indigene Regisseurin Irati Dojura Landa Yagarí in ihrem fiktionalen kolumbianischen Kurzfilm Akababuru: Ausdruck des Erstaunens Stop-Motion-Animation mit realen Aufnahmen und kehrt die mythische Erzählung von „Karaparamia“ um, nach der eine Frau sich aus Strafe dafür, dass sie ihren Mann ausgelacht hat, in ein Untier verwandelt. Iratis Dojura Landa Yagarí wandelt das Märchen leicht ab, und die Verwandlung geschieht hier auf Initiative der Frau, die sich selbst entschließt, zu einem Wesen des Waldes zu werden. Das Lachen wird zu einem Ausdruck der Freiheit und des Empowerments indigener Mädchen gegenüber dem Mobbing durch Gleichaltrige. Der gesamte Film ist auf Emberá Chami gesprochen, der Sprache des Mythos, auf dem er basiert, die Protagonistin ist ein achtjähriges Mädchen, und fast das gesamte Team besteht aus indigenen Personen aus der Region.

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