Sreymao Sao  „Alles kann sowohl Trauma als auch Chance sein“

Sreymao Sao, “Try To Live”, aus: “Under the water” (2018), Koh Pdao
Sreymao Sao, “Try To Live”, aus: “Under the water” (2018), Koh Pdao Mit Genehmigung der Künstlerin

m Zuge ihres Schaffens erforscht die kambodschanische Künstlerin Sreymao Sao Erinnerung, Wasser und Gemeinschaft und beschäftigt sich dabei mit dem Klimawandel und verschwindenden Landschaften.

Sie wurde 1986 in einem Flüchtlingscamp an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha geboren. Ihr Vater, ein Lehrer mit Verbindungen zur Kunstschule des Camps, führte sie in die Kunst ein. Nach ihrer Rückkehr nach Battambang lernte sie bei nationalen und internationalen Dozent*innen und legte dabei den Grundstein für ihre multidisziplinäre künstlerische Praxis.

Sreymaos Werk umfasst Zeichnungen, Fotografie, digitale Kunst, Skulpturen, Video und Performance. Dabei verknüpft sie häufig persönliche Erinnerungen mit Gedanken zu dem im Wandel begriffenen urbanen und ländlichen Raum in Kambodscha. „Neugier, Gemeinschaft und Erzählkunst haben mich geprägt. Die Tatsache, dass ich in einem Flüchtlingscamp geboren wurde, hat meinen Geist auf andere Weise geformt, als das bei den meisten der Fall ist. Alles kann sowohl Trauma als auch Chance sein“, meint sie.

Erinnerung als Grundlage

Erinnerung zieht sich wie ein roter Faden durch Sreymaos künstlerische Praxis. „Ich arbeite sowohl mit persönlicher als auch mit kollektiver Erinnerung und wie sich diese überschneiden“, erklärt sie. „Ich nutze meine eigene Geschichte, Familie oder Erfahrungen in der Gemeinschaft als Ansatzpunkte für größere Erzählungen, die schwer festzuhalten sind.“ Ihre Arbeiten erforschen die Distanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Schönheit und Verlust sowie traditionelle Lebensweisen in einer sich verändernden Gesellschaft. In Under the Water (2018) schafft sie beispielsweise Bilder von Gemeinschaften entlang des Flusses Mekong, die von Umweltzerstörung betroffen und dabei sind, zu verschwinden.

Wasser und Umwelt

Wasser formt Sreymaos Verständnis von Ort und Zeit. Es dient als Metapher für Verbindung und Verschwinden, so wie in Between Land and Water (2023), wo sie die Geschichte von Familien dokumentiert, die gezwungen sind, von schwimmenden Häusern auf dem Tonle-Sap-See an Land zu ziehen. Sie behalten den Namen ihres Dorfes bei, verlieren aber ihre räumliche Identität. Anhand von Zeichnungen, Fotos und Installationen erstellt sie eine Chronik dieser Vertreibung aus einem gewohnten Umfeld, die auch eine emotionale Vertreibung ist. Auch außerhalb von Kambodscha hat sie sich 2024 während ihrer Residenz in der Vila Sul am Goethe-Institut in Salvador (Brasilien) mit dem Wasser beschäftigt. Dort arbeitete sie gemeinsam mit Luan Souto und Elles Gomes an The Breath – Through the Sea (2025), einem Video, das das Leben in den Gemeinschaften an der Küste Bahias erkundet. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Kollektiv mp43 in Berlin vorgestellt werden.
Sreymao Sao, “Old Village”, from: Between Land and Water (2023).

Sreymao Sao, “Old Village”, from: Between Land and Water (2023). | Mit Genehmigung der Künstlerin

Gemeinschaft als Methode

Die enge Zusammenarbeit mit Gemeinschaften ist ein zentraler Bestandteil des Schaffensprozesses von Sreymao. Für Between Land and Water hat sie über den Zeitraum von einem Jahr das Leben von Familien dokumentiert. Das Werk wurde später entlang des Sees ausgestellt, sodass die Gemeinschaft daran teilhaben konnte. „Vertrauen aufzubauen braucht seine Zeit“, sagt sie. „Menschen öffnen sich, wenn sie merken, dass du da bist, um zuzuhören und nicht um zu nehmen.“ Ihr Projekt Breathing Threads (2023) wendet diese Gedanken auf die Bekleidungsindustrie an, die die zweitgrößte Einkommensquelle in Kambodscha darstellt. Ihre Familiengeschichte ist fest mit der Arbeit in Bekleidungsfabriken verbunden. So verbrachte sie Zeit mit Bekleidungsarbeiter*innen und ihren Angehörigen und beobachtete dabei die Widerstandskraft, die diese für ein Zusammenleben auf engstem Raum benötigen, und welche Überlebensstrategien sie anwenden.
Sreymao Sao, “Breathing Threads”, (2023).

Sreymao Sao, “Breathing Threads”, (2023). | Mit Genehmigung der Künstlerin

Kunstraum

Neben ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit gründete Sreymao tiSamjort , einen von Künstler*innen geführten Raum in Phnom Penh. Der Name bedeutet „Ruheort“. Was als Treffpunkt begann, hat sich zu einer Residenz für regionale und internationale Künstler*innen entwickelt. „Langsam wurde es zu einem Ort, um sich über Möglichkeiten auszutauschen. Er bietet nicht nur Ruhe für den Körper, sondern auch für den Geist – einen sicherer Raum“, sagt sie. Dort sind Künster*innen aus Deutschland, Myanmar und den Philippinen zu Gast, die Workshops und kurze Residenzen veranstalten, um Austausch und Zusammenarbeit zu fördern.

Zukünftige Arbeiten

Nach der Rückkehr aus Brasilien sah sich Sreymao mit persönlichen und umweltbezogenen Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehörten Grenzkonflikte und Überschwemmungen. Derzeit baut sie das Haus ihrer Familie zu einem Studio und Ausstellungsraum um, den sie Anfang 2026 mit einer neuen Werkreihe eröffnen möchte. Sie macht die Instandsetzung ihres Zuhauses zu einem Teil ihres künstlerischen Schaffens und sagt dazu: „Es geht nicht nur um den Umbau eines Hauses, sondern darum, seinen Geist zu erneuern.“ Die Werkreihe erforscht Heilung, Widerstandskraft, Erinnerung und Erneuerung – wie wir standhaft bleiben, auch wenn Geschichte immer wieder die gleichen Wunden schlägt.

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