Bildende Kunst in Zentralafrika
„Wenige Frauen setzen sich im Kunstbereich durch“

Bill Kouélany
Bill Kouélany | © Foto: Miss V.

Im Kongo ist die Kunstszene weithin von männlichen Akteuren geprägt, obwohl ein Drittel der Absolventen der Kunsthochschule weiblich ist. Das Projekt „Kinshasa 2050: Les femmes d’abord“ möchte Künstlerinnen dazu befähigen, ihren Ideen zu vertrauen, eigene Projekte zu entwickeln und zu präsentieren. Zum Workshop hat das Projekt Bill Kouélany eingeladen: jene Künstlerin, die 2007 als erste Frau aus einem afrikanischen Land zur documenta nach Kassel eingeladen wurde.

Frau Kouélany, Sie leiten im Moment einen Workshop des Projekts „Kinshasa 2050“. Es geht darum, wie sich Künstler und Künstlerinnen die Stadt und das Land im Jahr 2050 vorstellen. Warum diese Initiative?
 
Ich denke, Künstlerinnen und Künstler müssen sich in die Zukunft versetzen. Als Künstler schaffen wir Möglichkeiten, wir erschaffen die Zukunft, wir erschaffen Imaginäres, wir öffnen Türen hin zu Horizonten, die vielleicht gar nicht existieren, oder die konstruiert werden müssen. Einen solchen Workshop zu leiten bereitet mir Freude, weil es das ist, was ich täglich mache: mit jungen Menschen zu arbeiten und ihnen zu helfen, in die Zukunft zu blicken.

Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray
Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray | Foto: Goethe-Institut Kinshasa/Michel Katompa

An erster Stelle Künstlerinnen

Im Projekt werden Frauen in den Vordergrund gestellt.
 
Wenn die Frauen Unterstützung brauchen, dann ist das die Gelegenheit. Ein Ort, der den Frauen gewidmet ist, der es ihnen erlaubt, aus dem Schatten zu treten und sich zu äußern, über Schwierigkeiten zu sprechen und ganz einfach Wünsche zu formulieren. Wenn man den Frauen erst einmal eine solche Möglichkeit eröffnet, dann ist das einfach großartig.
 
2007 waren Sie die erste Künstlerin aus einem afrikanischen Land, die jemals zur documenta eingeladen wurde. Was bedeutet Ihnen das im Rückblick?
 
Persönlich habe ich mich nie als Frau oder als Afrikanerin eingeordnet. Ich positioniere mich als Künstlerin. Dass ich an dieser großen Zusammenkunft von zeitgenössischer Kunst teilgenommen habe, hat nichts damit zu tun, dass ich eine Frau oder eine Afrikanerin bin. Das wäre zu eingeschränkt. Ich mache Kunst, die Leute oft perplex macht, und zwar derart, dass sie glauben, dass meine Werke die eines Mannes sind. Daher positioniere ich mich nicht als Frau, sondern als Künstlerin.

Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray
Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray | Foto: Goethe-Institut Kinshasa/Michel Katompa

Gender und Repräsentation

Wie sind Frauen in der aktuellen Kunstszene in Brazzaville und Kinshasa repräsentiert?
 
Viele Frauen haben Hemmungen und kommen manchmal nicht weit. Ich weiß nicht, warum, weil es für mich keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Alles ist ein Problem der Sichtweise oder der Energie, die man in das, was man tun möchte, investiert. Aber eine Realität, die ich nicht leugnen kann, ist, dass sich wenige Frauen im Kunstbereich durchsetzen, vor allem in Zentralafrika.

Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, um diese Situation zu verbessern?
 
Ich organisiere jeden September ein internationales Treffen für zeitgenössische Kunst, bei dem mehrere Workshops angeboten werden, beispielsweise in Kunstkritik, Video, Performance …. Beim letzten Mal habe ich, in Zusammenarbeit mit einer Schweizer Einrichtung, vier Frauen die Möglichkeit gegeben, Stipendien für ein Jahr zu erhalten. Jeden Monat erhalten sie eine Geldsumme, die ihnen erlaubt, Arbeitsmaterialien zu beschaffen, und die Ergebnisse werden wir in einem Jahr sehen.

Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray
Die Teilnehmerinnen des ersten Workshops der Reihe, geleitet von Virginie Dupray | Foto: Goethe-Institut Kinshasa/Michel Katompa
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, sich in das Kinshasa oder Brazzaville von 2050 zu versetzen, wie sehen Sie da die Künstlerinnen?
 
Im Jahr 2050 werde ich nicht mehr da sein, aber ein junges Mädchen von 18 Jahren, das ich heute begleite, wird 50 sein. Ich hoffe, dass dieser Workshop eine Möglichkeit ist, so einer Frau Kraft zu geben und sie zu inspirieren. Es gibt sicherlich Schwierigkeiten, aber alles kommt von uns selbst. Unsere geistige Haltung stellt eine Kraft dar, die uns vorwärts bringt.
 

Bill Kouélany (geb. 1965) ist bildende Künstlerin, Autorin von Theaterstücken und Gründerin und Leiterin des Zentrums für zeitgenössische Kunst „Ateliers Sahm“ in Brazzaville (Republik Kongo), das sich für die Förderung von jungen Künstlerinnen und Künstlern einsetzt.

Die Fragen stellte Celpa Diakiese auf Französisch.
 

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