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Flüchtlinge im deutschen Film
Willkommen auf Deutsch

„Guten Tag, Ramon“ von Jorge Ramírez-Suárez
„Guten Tag, Ramon“ von Jorge Ramírez-Suárez | © Twentieth Century Fox

Eine Willkommenskultur für Flüchtlinge und Asylsuchende muss in Deutschland häufig noch geschaffen werden. Gefordert sind nicht nur Politik und Gesellschaft. Auch Filmemacher können ihren Beitrag dazu leisten.

Anfang 2015 sind mehrere Filme in den Kinos gestartet, die sich auf unterschiedliche Weise mit der Situation von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland auseinandersetzen. Filmemacher schrecken vor diesem Thema, das die gesellschaftliche Diskussion beherrscht, offenbar nicht zurück. Auch die Bereitschaft der Filmwirtschaft, solche Themen unmittelbar aufzugreifen, um das Publikum damit anzusprechen, hat sich offensichtlich geändert.

Deutsche Filme über das Zusammentreffen verschiedener Kulturen, sogenannte Multikulti- und Migrationsfilme, gibt es freilich schon länger. Sie blicken auf die erste und zweite Generation von Arbeitsmigrantinnen und -migranten zurück oder begeben sich aus der Perspektive der Folgegenerationen auf Spurensuche nach der eigenen Identität. Wie in Solino (2002) des türkischstämmigen Regisseurs Fatih Akin stehen häufig in den Familien ausgetragene Konflikte zwischen Tradition und Moderne im Vordergrund, außerdem fast immer der Integrationsaspekt.

Verzögerungen

Vergleichsweise neu im deutschen Film ist allerdings die verstärkte Auseinandersetzung mit dem Schicksal von Flüchtenden und der Situation von Asylsuchenden, wie etwa Land in Sicht (2013), eine Dokumentation von Antje Kruska und Judith Keil, die drei Flüchtlinge bei der Klärung ihres Asylverfahrens begleitet, oder der Spielfilm Die Farbe des Ozeans (Maggie Peren, 2011) über Bootsflüchtlinge auf Gran Canaria, die auf deutsche Touristen treffen.

Erst über 20 Jahre später wurden die gewaltvollen Übergriffe auf einen von Asylsuchenden und Vietnamesen bewohnten Häuserblock in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 zum Filmstoff in Burhan Qurbanis Wir sind jung. Wir sind stark. Und das, obwohl diese Übergriffe den Ausgangspunkt einer langen Reihe von Anschlägen gegenüber Asylbewerberheimen in Deutschland bildeten. Seine Premiere erlebte Wir sind jung. Wir sind stark. auf den Hofer Filmtagen 2014.

Die Zeiten ändern sich

Im Jahr 2014 waren weltweit mehr als 53 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als jemals zuvor seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Nicht zuletzt die Krisen in Europa und der Bürgerkrieg in Syrien hatten zur Folge, dass die Zahl an Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland deutlich gestiegen ist. Dies sorgte für Unruhe in der Bevölkerung, zumal ausländerfeindliche Stimmungen schon seit Jahren vorhanden sind, wie etwa die regelmäßigen Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung belegen. Rechts orientierte Bürgerbewegungen aber auch politische Parteien machen sich diese diffuse Stimmungslage zunutze und schüren Ängste. Jetzt reagieren Filmemacher schnell auf das sich verändernde gesellschaftlichen und politische Klima. Es entstehen Kurzfilme wie Bahar im Wunderland (2013) von Behrooz Karamizade über ein Mädchen, das mit ihrem Vater vor den Kriegswirren in Syrien nach Deutschland flüchtet. Auch der Kinderfilm greift das Thema auf. In Lola auf der Erbse (2015) von Thomas Heinemann möchte eine Elfjährige, die mit ihrer Mutter auf einem Hausboot wohnt, ihrem neuen Mitschüler helfen, der mit seiner Familie illegal in Deutschland lebt.

Gleich mehrere formal unterschiedliche Filme zum Thema – ein Sozialmärchen, ein Dokumentarfilm und eine Comedy – sind Anfang 2015 im Kino gestartet.
„Guten Tag, Ramón“, Trailer (youtube.com) | © Twentieth Century Fox

In Guten Tag, Ramón lässt der in Deutschland lebende mexikanische Regisseur Jorge Ramírez-Suárez einen Jugendlichen von Mexiko nach Deutschland auswandern, um in Wiesbaden nach der Tante seines Freundes zu suchen. Als die Tante unauffindbar bleibt, versucht Ramón mitten im kalten Winter alleine auf der Straße zu überleben, bis sich eine einsame Rentnerin um ihn kümmert. Die Annäherung zwischen zwei Generationen und Kulturen endet mit einer überraschenden „Problemlösung“, die mit ihrem märchenhaften Charakter allerdings keine Realitätsnähe oder Verallgemeinerbarkeit zulässt.

Deutsche Willkommenskultur und deutsche Sprachkenntnisse

Ganz anders der Dokumentarfilm Willkommen auf Deutsch von Carsten Rau und Hauke Wendler: Anhand zweier „typischer“ Orte im Landkreis Hamburg-Harburg, in denen die Behörden nach geeigneten Unterkünften für Asylbewerber suchen, geht der Film der Frage nach, wie es um die Willkommenskultur in Deutschland steht. Befürworter und Gegner der behördlichen Maßnahmen sowie mehrere Asylbewerber und eine ältere Frau, die sich ehrenamtlich engagiert, kommen zu Wort. Ein Film, der auch politisch einen anderen Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern einfordert.
„300 Worte Deutsch“,Trailer (youtube.com) | © DCM

Von Vorurteilen erzählt Züli Aladağs satirisch überspitzte Komödie 300 Worte Deutsch. Ausgerechnet in einem türkischen Goethe-Institut werden die Bescheinigungen von heiratswilligen Türkinnen über ihre Deutschkenntnisse gefälscht. Sie sollen nach traditioneller Vermittlung durch die Väter in Deutschland verheiratet werden. Der Chef des Kölner Ausländeramtes setzt alles daran, um diese „illegalen Schmarotzer“ so schnell wie möglich abschieben zu können. Er vertraut dabei auf die Unterstützung seines neuen Mitarbeiters und Neffen. Als dieser sich in die selbstbewusste Tochter des Moschee-Vorstehers verliebt, geraten türkische wie auch deutsche Klischeevorstellungen und Erwartungshaltungen über die Familie schnell ins Wanken. Mit Wortwitz und Situationskomik führt 300 Worte Deutsch eingeschliffene Vorurteile ad absurdum, die nicht nur den Alltag zwischen türkischen „Einwanderern“ und der Ausländerbehörde bestimmen, sondern auch in der Bevölkerung verbreitet sind.

Es ist zu wünschen, die genannten Filme könnten Ressentiments bewusst machen und für das Zusammenleben der Kulturen sensibilisieren.

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