Gastspiel des Theaters unterm Dach, Berlin
Vom 30. September bis 8. Oktober 2023 findet zum 63. Mal das Internationale Theaterfestival MESS in Sarajevo statt. Als deutscher Beitrag ist die Inszenierung „T4. ORPHELIAS GARTEN“ von David Stöhr am Berliner Theater unterm Dach eingeladen, die im Juli als eines der 10 besten Berliner Theaterstücke der Saison für den Friedrich-Luft-Preis 2023 nominiert wurde. Das Gastspiel findet am 7. Oktober um 18:00 Uhr im Theater SARTR statt und wird vom Goethe-Institut aus Mitteln des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland sowie von der TuWas-Stiftung für Gemeinsinn gefördert.
Im Anschluss an die Aufführung gibt es ein Podiumsgespräch mit dem Autor Pietro Floridia, dem Regisseur David Stöhr und den drei Schauspielerinnen.
T4. OPHELIAS GARTEN ist die
deutsche Erstaufführung eines Dramas des italienischen Autors und Regisseurs Pietro Floridia, in dem die nationalsozialistische Mordaktion T4 seziert wird. 70.000 Patient*innen aus zahllosen medizinischen und karitativen Einrichtungen im gesamten Deutschen Reich wurden zwischen 1939 und 1941 in den sechs dafür eingerichteten Tötungsanstalten vergast.
Zwischen Azaleen und Lilien versucht Ophelia (Neele Buchholz) mithilfe von Krankenschwester Gertrud (Maja Zećo) der Zentrale jener Bürokraten und Ärzte zu entgehen, die in der Tiergartenstraße 4, Berlin, nach ideologischen Maßstäben »ökonomischer Brauchbarkeit« über Leben und Tod entscheiden.
Die
Inszenierung von David Stöhr und Ensemble behandelt dabei die Frage, wie das Verbrechen an psychisch Erkrankten, geistig und körperlich behinderten sowie »rassisch« und sozial unerwünschten Personen aus einer Position der Betroffenheit herausdargestellt werden kann.
Sieben Jahrzehnte nach den grausamen Geschehnissen stellt der Regisseur mit seiner Inszenierung einmal mehr und nicht zuletzt die Frage, wie der Verbrechen der NS-»Euthanasie« gemahnt werden kann. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zeugengenerationen bald nicht mehr sprechen werden, bleibt offen, wer im öffentlichen Erinnerungsdiskurs noch Gehör finden wird - zumal ein selbstbestimmtes Handeln von Menschen mit Behinderung auch in unserer Gesellschaft noch nicht selbstverständlich ist.
Bisher wurde Ophelia in diesem Stück nur von Menschen ohne Behinderung gespielt. Mit Neele Buchholz ist erstmals eine Schauspielerin mit Trisomie 21 die Titelfigur, die damit auch ihre erste Hauptrolle übernahm. Die Inszenierung versteht sich dabei weniger als ein Inklusionstheater, das allzu oft exklusiv bleiben muss, sondern als Raum, in dem eine Schauspielerin ihren Traum, selbstbestimmt auf dem ersten Arbeitsmarkt gefragt zu sein, ein Stück mehr verwirklichen kann – alles weitere ist Theater…
Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wurde T4. OPHELIAS GARTEN erstmals in Berlin aufgeführt. Der Autor und Regisseur Pietro Floridia hat das Stück 2002 mit zwei Schauspielerinnen in seinem Theater Compagnia Teatro dell’argine in Bologna entwickelt. Dort hatte es Thomas Müller gesehen und später in seinem Verlag Psychiatrie und Geschichte erstmals auf Deutsch publiziert.
Pressestimmen:
„Maja Zećo als Gertrud und Neele Buchholz, eine Schauspielerin mit Down-Syndrom, als Ophelia harmonieren hervorragend miteinander - es gibt Verspieltheit zwischen ihnen, Härte und auch Poesie. Ein berührender Abend.“ – Katrin Pauly Morgenpost, 07.07.2023
Das Stück […] hält sich eng an die Figuren von Ophelia und Gertrud, und ihre Entwicklungen zu verfolgen fordert Verstand und Gefühl heraus. – Katrin Bettina Müller, taz, 31.01.2023
Autor: Pietro Floridia
Regie: David Stöhr
Schauspielerinnen: Neele Buchholz, Maja Zećo, Sandra Bourdonnec
Dramaturgie: Dirk Brauner
Bühnenbild und Kostüm: Saskia Göldner
Musik und Komposition: Lasse Winkler
Video: Florian Baumgarten, Moritz von Dungern
Fotos: Daniela Buchholz
"mit freundlicher Unterstützung von EUFOR Op ALTHEA LOT VLASENICA".
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