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Umweltschutz
Das Problem der getrennten Abfallsammlung und des Recyclings in Bulgarien

Danita Saritschinova, Koordinatorin Zero waste team, Za Zemiata
©Za Zemiata

Interview mit Danita Zarichinova von der Vereinigung "Za Zemiata" / "Für die Erde"

Von Goethe-Institut Bulgarien

Mit Ecopack gibt es in Bulgarien – wie in fast allen europäischen Staaten – seit 2004 ein Recyclingsystem mit Hilfe dessen Papier, Glas sowie Plastik und Metall separat gesammelt, recycelt und wiederverwendet werden. Wie erfolgreich ist das System in seiner Umsetzung bisher?

Ich möchte darauf hinweisen, dass Ecopak nur eine von mehreren Organisationen ist, die sich das Recycling von Verpackungsmaterialen zur Aufgabe gemacht haben. Allerdings ist Ecopak die größte Organisation in Bulgarien. Leider ist das genannte System nicht erfolgreich und die meisten Bulgaren und Bulgarinnen werden dem zustimmen. Dafür gibt es 3 Gründe:

Erstens, es gibt nicht genügend Trennbehälter – weder in kleinen Gemeinden noch in großen Städten. So gibt es in Sofia nur einen Container für 700 Einwohner*innen. Dagegen sind die Container für gemischte Abfälle weit verbreitet und werden dementsprechend mehr genutzt.

Der zweite Grund ist der Mangel an Informationen, wie richtig getrennt wird. Einige Organisationen bieten Workshops in Schulen an und führen Kampagnen durch, um jüngere Menschen zu informieren. Aber es ist auch sehr wichtig, die älteren Generationen aufzuklären.

Der dritte Grund ist, dass die Menschen nicht an das Recyclingsystem glauben. Es gibt den Mythos, dass nach der Abfalltrennung in den verschiedenen Containern die Abfälle wieder zusammengeworfen werden, wenn sie von den LKWs abgeholt werden. Aber das ist wirklich ein Mythos. In der Vergangenheit mag das der Fall gewesen sein, aber jetzt ist es nicht mehr so, doch die Leute glauben das nicht. Und um diesen Irrglauben zu bekämpfen, wird zu wenig von Seiten der Organisationen und der Gemeinden getan.

Insbesondere die Gemeinden könnten mehr für ein besser funktionierendes Recyclingsystem tun: Sie könnten zum Beispiel strengere Verträge mit den Recycling-Organisationen schließen. Auch in anderen Ländern gibt es Kommunen, die ihr eigenes System haben, bei dem die Einnahmen aus dem Recycling an die Kommunen gehen.


Arbeiten die verschiedenen Gemeinden mit allen bestehenden Recycling-Organisationen in Bulgarien zusammen?

Jede Gemeinde entscheidet, mit wem sie zusammenarbeiten möchte. Für die kleinsten Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohner*innen ist das Abfallrecycling nicht verpflichtend. Wir als Za Zemiata und andere Umweltorganisationen bestehen darauf, dass die Gesetzgebung dahingehend geändert wird, dass jede Gemeinde ein Recyclingsystem einrichtet.


Insgesamt entwickeln sich Getrenntsammlung und Recycling in Bulgarien schleppend. Ein Grund dafür ist der Wettbewerb zwischen den offiziellen und den informellen Systemen für die Abfallsammlung. Auch das Trennverhalten der Bürger ist ausbaufähig. Das Ziel, bis zum Jahr 2035 die Menge der recycelten Abfälle auf 50 Prozent zu erhöhen, rückt so in weite Ferne.[1] Welche Arbeit leistet Za zemiata, um dieses Problem anzugehen?

Die informelle Müllabfuhr sind die privaten Müllsammler*innen. In einer Studie wurde festgestellt, dass in Sofia etwa 6.000 Müllsammler*innen existieren, die meist arm und/oder obdachlos sind. Und diese Leute machen einen besseren Job als die offiziellen Organisationen, von denen sie als Konkurrenz gesehen werden – auch wenn die Müllsammler*innen zur Verbesserung der offiziellen Recyclingsysteme beitragen könnten.

Unsere Aktivitäten als Umweltorganisation bestehen hauptsächlich in Informationskampagnen. Wir arbeiten auch mit Gemeinden zusammen und organisieren Konferenzen, Veranstaltungen und Workshops für Interessengruppen auf allen Ebenen. Außerdem sind wir Teil des ZeroWaste-Stadt-Netzwerkes in Europa und laden regelmäßig Experten und Expertinnen anderer europäischer Umweltorganisationen ein, von denen wir uns Good Practice-Modelle aus anderen Ländern vorstellen lassen.

Wir arbeiten ebenso an der Verbesserung der nationalen Gesetzgebung hinsichtlich einer effektiveren Abfallwirtschaft. Die Kooperation mit der aktuellen Regierung ist dahingehend etwas einfacher geworden, da der neue Umweltminister von der Grünen Partei ist, der auch einmal Umweltaktivist war.
Außerdem sind wir Teil einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Einführung des Pfandrückgabesystems in Bulgarien für Plastik- und Glasflaschen sowie Aluminiumdosen befasst. Der Gruppe gehören Institutionen, Unternehmen und NROs an. Wir hoffen, dieses Pfandrückgabesystem im nächsten Jahr einführen zu können, denn es ist eine der effektivsten Recyclingmethoden. Im Rahmen dessen haben  wir u.a. eine Exkursion nach Litauen organisiert, um zu sehen, wie dieses System dort funktioniert. Denn Litauen hat bereits das Ziel der neuen EU-Richtlinie, nach der 90% der Plastikflaschen bis 2029 recycelt werden sollen, bereits erreicht.


Worin liegen die Gründe, dass ein solches Pfandrücknahmesystem in Bulgarien noch nicht eingeführt wurde?

Vor einigen Jahren wollte das Ministerium ein solches System bereits einführen, aber die Organisation Ecopak wehrte sich dagegen, denn es hätte bedeutet, dass sie weniger Plastikflaschen recyceln  und damit weniger erwirtschaften würden. Es gab auch andere Gegenargumente , wie z.B. dass es zu teuer und zu ineffektiv wäre.

In Bulgarien gilt einzig Svilengrad seit 2019 offiziell als ZeroWaste-Stadt. Zusätzlich zu dem allgemein bestehenden Sammelsystem, hat die Kommune eine Von-Tür-zu-Tür-Sammlung für sortierte Recyclingabfälle aus Geschäften und Restaurants organisiert, eine Ballenmaschine für bessere Lagerung und den Transport von Altpapier und Karton angeschafft sowie eine Kompostieranlage mit einer Kapazität von 3.000 Tonnen pro Jahr installiert.[2] Wie schätzen Sie den Erfolg der bisherigen Maßnahmen ein?

Sowohl die Bürger*innen als auch die Verwaltung von Svilengrad ist sehr motiviert. Es gibt einen öffentlichen ZeroWaste-Rat, in dem Menschen aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen, wie Lehrer*innen, Restaurantbetreiber*innen zusammenkommen und deren Aufgabe es ist die Stadtverwaltung zu beraten. Und anders als in Sofia gibt es in Svilengrad keine anonymen Container. Jeder Haushalt hat seinen eigenen, also ist man sehr ehrgeizig, richtig zu trennen und die Menschen fühlen sich für die Container verantwortlich. Zudem sorgte ein Frage und Antwort-Bogen für Geschäfte und Restaurants für eine gute Aufklärung.


In Bulgarien werden derzeit rund 36 Prozent der eingesammelten Siedlungsabfälle wiederverwertet. Nach wie vor landet Müll unsortiert auf den 104 im Land existierenden Deponien oder wird wild in der Natur entsorgt. Jährlich landen pro Einwohner 260 Kilogramm Müll auf den Deponien. Der EU-Durchschnitt liegt bei 115 Kilogramm pro Einwohner. Was denken Sie, worin die Gründe für das schlechte Abschneiden Bulgariens im EU-weiten Schnitt liegen?[3]

Die gemischte Abfallsammlung ist das Hauptproblem, da das anschließende Trennen sehr ineffizient und aufwendig ist. So wird in einer großen Müllverbrennungsanlage in der Nähe von Sofia nur 10% des Mülls getrennt. Auch organische Abfälle werden nicht getrennt. Nur in Gabrovo gibt es ein Bioabfallsammelsystem. Wenn wir die organischen Abfälle bulgarienweit trennen und kompostieren würden, könnten wir ein besseres Ergebnis erzielen.Leider sind weitere Müllverbrennungsanlagen in Planung, was sehr schlecht ist, denn diese bedeuten mehr Umweltverschmutzung. Die Gemeinden sind nicht ehrgeizig genug, um ein völlig neues System einzuführen, und sie haben Angst, große Schritte zu machen und denken, dass die Bulgaren das nicht wollen.Aber die Bulgaren in anderen Ländern haben bereits bewiesen, dass sie in der Lage sind, den Abfall zu trennen.

Ein weiteres Problem ist die Abfallsteuer, die von den Bürger*innen jedes Jahr gezahlt wird und sich nach der Menge des erzeugten Abfalls richtet. Wir kämpfen für die Einführung eines Pay-as-you-through-away-Systems und das ein Motivator für die Menschen sein kann: Jedes Gebäude hat einen eigenen Container, zu dem man mit einem Chip Zugang hat. Die Steuer berechnet sich nach dem Müllvolumen in den Behältern. Das wäre ein gerechteres System.
 

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