Briefblog
Stadt der Türme und Kräne
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Sag mal, Jaan Tamm, hast Du Angst vor dem Alten von Ülemiste?
Anders kann ich mir die Bautätigkeiten in diesem Jahr nämlich beim besten Willen nicht erklären.
Jeden Sommer ist es das Gleiche: Zigtausende Touristen strömen tagsüber durch die Stadt, die dann erfüllt ist von einem Wirrwarr aus Gesprächen und Gemurmel in allen Sprachen – oft nur übertönt von den Guides, die mit lauter Stimme oder lautem Mikro versuchen, sich Gehör zu verschaffen. Rings um die Altstadt versuchen derweil die Estinnen und Esten mit den quietschenden Straßenbahnen oder in ihren als SUVs getarnten dröhnenden Privat-Panzern zur Arbeit oder im besten Fall an Meer zu kommen. Großstadtleben eben, inklusive der dazugehörigen Geräuschkulisse.
Ich will mich aber gar nicht darüber streiten, welche der Bauvorhaben nun nachvollziehbar sind, oder gar beschweren. Für mein kleines Kind gibt es schließlich nicht Schöneres als gefühlte Ewigkeiten den großen Baumaschinen bei der Arbeit zuzuschauen. Ich bin nur ehrlich erstaunt über die Quantität. Was ist da los, lieber Jaan?
Oder gibt es noch EU-Fördermittel, die möglichst schnell aufgebraucht werden müssen? Dieses Phänomen kenne ich aus deutschen Kommunen zur Genüge.
Oder soll alles blitzen und blinken, wenn der Papst im September nach Tallinn kommt? War nur Spaß. Ich weiß, dass ihr mit der Kirche nicht viel am Hut habt.
Oder liegt es doch am Ülemiste-Alten? Du kennst doch die Legende, Jaan? Dieser alte Miesepeter soll ja seit Menschengedenken oben am Ülemiste-See hocken und nur darauf warten, die Stadt mit seinem Wasser überfluten zu können. Die alten Tallinner aber waren clever und haben ausgehandelt, dass er das erst machen darf, wenn die Stadt irgendwann fertig gebaut ist. So fragt er also Jahr für Jahr herum, ob die Stadt denn endlich fertig sei. Meine Vermutung: Ihr hattet Angst, dass Tallinn langsam fertig wird und irgendjemand es dem Alten verraten könnte. Bei all den Baggern, Baugerüsten und Kränen, die in diesem Jahr neben den vielen Türmen das Stadtbild prägen, wird aber wirklich niemand auf diese Idee kommen.
Die Frage ist jetzt nur: Was macht ihr, wenn die Bauarbeiten fertig sind? Vielleicht hätte man noch ein bisschen Arbeit für das nächste Jahr aufheben sollen.
Es grüßt herzlich,
Martinus Mancha