Dezember 2019
Erich Kästner: Emil und die Detektive

Book Cover: Jonathan Cape
Cover © Jonathan Cape

Von Emil und den Detektiven von Erich Kästner hatte ich schon gehört, lange bevor ich es gelesen habe. Es ist vielleicht der Klassiker deutscher Kinderliteratur: So beliebt, dass es – im Gegensatz zu vielen anderen von Kästners Büchern – in der Nazizeit nicht verboten und seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1929 bereits sechsmal verfilmt wurde.
 
Die Gefahr besteht immer, dass man enttäuscht ist, wenn man Kinderbücher als Erwachsene liest – vor allem wenn sie schon vor einiger Zeit veröffentlicht wurden. Wenn man Pech hat, wirken sie platt oder etwas zu fantastisch oder noch schlimmer: Sie verwenden Stereotypen, die im besten Fall holprig und im schlimmsten Fall beleidigend sind. Glücklicherweise gilt das keinesfalls für Emil, ein Buch, das eine wahrhaftig freudvolle Lektüre ist. Dass es sich der Moralisierung verweigert, zeichnete das Buch zur Zeit seiner Veröffentlichung aus und ist einer der Gründe, weswegen es auch heute zeitlos bleibt.
 
Emil fährt mit dem Zug nach Berlin, um den Sommer mit Verwandten zu verbringen. In seiner Tasche sind 140 Mark, die seine Mutter fürsorglich gespart hat und der Oma schenken will. Als das Geld gestohlen wird, entscheidet sich Emil, den Dieb selbst zu fangen – und so beginnt sein Abenteuer durch Berlin…
 
Hier muss ich etwas gestehen: Ich ging immer davon aus, dass die Detektive im Titel – nun ja – Detektive sein würden. Ich hatte mir Emil wie Tim ohne Struppi ausgemalt, ein heroischer Kinderdetektiv in einer Welt der Erwachsenen. Und das schönste an Emil und die Detektive war, dass ich da falsch lag. Stattdessen werden die Kinder zu Detektiven, auf die Emil in Berlin trifft und die – begeistert durch seine abenteuerliche Situation – sich zusammentun, um ihm zu helfen. Durch diese eifrigen, chaotischen, entwaffnenden Jungs wird Emil irgendwie zu einem erstaunlich demokratischen Buch. Emils Probleme werden nicht von Erwachsenen gelöst und auch nicht von ihm alleine. Im Gegensatz zu vielen Kinderbüchern gibt es hier keinen glorifizierten Helden mit einem Handlanger oder einer Schar von Anhänger*innen. Stattdessen findet der Hauptmoment der Geschichte dann statt, wenn gefühlt hundert Jungs auf der Straße zusammenkommen und lachen, reden, schubsen.
 
Eileen Halls Übersetzung von Emil und die Detektive wurde 1959 zum ersten Mal gedruckt und die Sprache ist schon etwas veraltet, aber das erhöht nur das leichte Gefühl von Nostalgie, das bei der Lektüre aufkommt, wie auch bei Klassikern wie Der Kampf um die Insel von Arthur Ransome (das leider zur Zeit nicht auf Deutsch zu lesen ist) oder Der Wind in den Weiden von Kenneth Graham (übersetzt, u.a., von Harry Rowohlt). Die Nostalgie von Emil ist aber keinesfalls übertüncht: Emils Mutter ist eine Witwe, die hart arbeitet, um über die Runden zu kommen und die Verzweiflung des Jungen, als er das Geld verliert, rührt aus seinem Bewusstsein über diese Situation.
 
Mit Emil hat Kästner das Genre der Kinderdetektivgeschichte maßgeblich geprägt – das Genre, das Enid Blyton in der Folge erfolgreich weiterentwickelte. Wenn deine Kinder also gerne Enid Blyton lesen, wäre Emil und die Detektive bestimmt ein tolles Weihnachtsgeschenk. Für mich aber gehört Emil in die Reihe der besten Sommerabenteuer-Geschichten, zusammen mit den Der Kampf um die Insel Büchern – miteinander gemein haben sie Welten, in denen Erwachsene zwar präsent sind, aber nur entfernt eine Rolle spielen, Dinge ernst, aber nie zu ernst werden und alle echten Abenteuer mit Kirsch- und Apfelkuchen enden.

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