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Arthouse Cinema - Wim Wenders
Der Amerikanische Freund: Die Indigenisierung von Romanen und Befreiung von der Dominanz

Der Amerikanische Freund: Die Indigenisierung von Romanen und Befreiung von der Dominanz
© Goethe-Institut Indonesien

Ripley’s Game gehört zu der Buchreihe um Tom Ripley von Patricia Highsmith, einer amerikanischen Autorin, die sich in der Schweiz niedergelassen hat. Highsmiths Werke sind als Thriller bekannt, die häufig für Film und Fernsehen adaptiert werden. Laut McFarland und Schwawanebeck gibt es in jedem Jahrzehnt mindestens eine Verfllmung von Highsmiths Büchern (2018, S.2).
 

Einer der Regisseure des Neuen Deutschen Films, der Highsmiths Werk adaptierte, war Wim Wenders. Wenders brachte Ripley’s Game als den Film Der Amerikanische Freund in die Kinos. Der Film wurde in der Nachkriegszeit produziert, genauer gesagt in den Jahren 1976 - 1977, als Amerika Europa dominierte, auch in der Welt des Films. 

Diese Ausgangssituation führte zu der Entstehung neuer Kinobewegungen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, einschließlich des Neuen Deutschen Films, mit dem Bewusstsein, den Film in einem stagnierenden Deutschland zu fördern. Derweil spricht Wenders mit seinem Film die Dominanz Amerikas an.

Der Roman Ripley’s Game spricht weniger von amerikanischer Dominanz als vielmehr von Ripleys Versuchen, sich durch Manipulation an Jonathan zu rächen; als französischer Staatsbürger, Rahmenmacher und guter Arbeiter, der für das Überleben seiner Familie sorgt. Mit Ripleys Hintergrund als Flüchtling aus Amerika kann Ripley jedoch als eine Form der Repräsentation der Präsenz Amerikas in Europa gesehen werden.  

Die amerikanische Repräsentation in Wenders’ Film ist mehr als das, sie ist eine Dominanz. Abgesehen von Ripleys Verhalten, mit Jonathan zu spielen, und seiner Tätigkeit als Vertreiber von gefälschten Gemälden, wird Ripleys Charakter im Film durch das Tragen eines Cowboyhuts verstärkt, obwohl er in Europa ist: „Was ist falsch an einem Cowboyhut in Hamburg?”, sagt Ripley. Ebenso verhält es sich mit Ripleys Haus, das eine Ähnlichkeit mit dem Weißen Haus hat, und der Erwähnung des amerikanischen Krankenhauses als der beste Behandlungsort in Frankreich.

Das Problem der Dominanz durch Konvertierung verstärken

Wenders fokussiert und betont in seiner Verfilmung die Frage der amerikanischen Dominanz im deutschen Kontext durch Veränderungen in Land, Ort und Herkunft der Charaktere. Wenders konvertiert eine Quelle so, dass sie für einen bestimmten Kontext und Zweck verwendet werden kann, wie Linda Hutcheon in Bezug auf die Indigenisierung der Verfilmung erklärt hat. Mit einer Analogie erklärt Hutcheon die Indigenisierung; verschiedene elektrische Spannungen können für bestimmte Anwendungen angepasst werden. „Adapter wandeln die Netzspannung in eine Form um, die an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Kontext nützlich ist.” (2006, S. 150). Der Roman Ripley’s Game wurde zu einer Quelle (mehrere Netzspannungen) für Wenders, der ihn in einen Film mit Problemen im Zusammenhang mit dem deutschen Kontext umwandelte.  

Die Kulisse für den Roman Ripley’s Game ist hauptsächlich Frankreich, einschließlich Ripleys und Jonathans Wohnort, sowie Jonathans Heimatstadt. In der Wenders-Adaption wird dies alles nach Deutschland übertragen. Jonathan ist schweizerdeutscher Abstammung und lebt in Hamburg; ebenso Ripley, ein Bürger der Vereinigten Staaten, der in Deutschland lebt. 

Darüber hinaus wechselt Wenders auch die Perspektiven. Ripley’s Game wird stark durch Ripleys Sichtweise repräsentiert, obwohl der Roman in der dritten Person geschrieben ist. Wir lesen von Anfang an über Ripleys Missgunst gegenüber Jonathan und erhalten Einblick in seine moralischen Überlegungen, die Ripley wie eine zu bewundernde Figur aussehen lassen, was den Leser dazu bringt, mit Ripley zu sympathisieren. Dies wird verstärkt, wenn die Geschichte auf Ripley eingeht. Am Ende des Romans lesen wir auch Ripleys Einschätzung in Bezug auf Jonathan, der sein Leben für ihn opfert, oder Jonathans Frau, die Ripleys Identität verbirgt. Jonathan oder seine Frau haben keine eigene Stimme oder Perspektive. 

Währenddessen beleuchtet Wenders in seiner Verfilmung verstärkt Jonathans Perspektive. Wie Christopher Breu bemerkt, zeigen die Kameras häufig Jonathans Perspektive durch Schulter-, Reaktions-, Einzel- und andere Aufnahmen (Schwanebeck und McFarland, 2018, S. 197). Obwohl der Film mit Ripley beginnt, hören wir nicht, wie Ripley ein „Opfer” von Jonathans Argwohn zu sein scheint, so wie es im Roman der Fall ist. Im Gegenteil, der Anfang des Films positioniert Ripley als einen Kriminellen, der gefälschte Gemälde verkauft, und Jonathan schöpft Verdacht. Das „Zentrum” der Geschichte scheint sich von Ripley zu Jonathan zu verlagern, und gleichzeitig verschiebt sich die amerikanische Perspektive im Roman zur deutschen Perspektive im Film.

Der deutsche Protagonist, der sich Amerikas Einfluss widersetzt

Tatsächlich tritt der Fall mit den gefälschten Gemälden bereits in einem vorherigen Roman der Buchreihe auf. Wenders nimmt die Angelegenheit dieses Gemäldes jedoch noch einmal auf, indem er die beiden Figuren bei einer Gemäldeauktion zusammenbringt und Ripleys Verbindung zu der Verbreitung gefälschter Gemälde hervorhebt. Das Ziel von Jonathans Mordanschlag sind nicht, wie im Roman, Mitglieder der italienischen Mafia, sondern eine Bande pornografischer Filmemacher in Deutschland. Es kann spekuliert werden, dass diese beiden Veränderungen, die die Geschichte mit der Sphäre von Kunst und Kino in Verbindung bringen, Wenders’ Art zu sein scheint, die Frage nach der Dominanz der amerikanischen Kultur in Europa, einschließlich in Kunst und Kino, darzustellen, ähnlich wie andere Persönlichkeiten des Neuen Deutschen Films. 

Als wollte Wenders die damit verbundenen Herrschaftsbedingungen ablehnen, befreit er Jonathan bei der Änderung am Ende des Films von Ripleys Spiel. In dem Roman endet die Geschichte mit Ripleys Erfolg bei seinem Spiel mit Jonathan, der es nicht als solches erkennt. Währenddessen beendet Wenders den Film mit Jonathan, der Ripley und seine Spiele verlässt. Anstatt sich in die Dominanz und das Spiel von Ripley zu verwickeln, befreit Wenders Jonathan im Film. 

Jürgen Schluck sieht Jonathans Position im Gegensatz zu Ripleys (in W. A. ​​Cook, S. 403). Der Kontrast der Arbeit der beiden scheint vom kulturellen Hintergrund der beiden Länder zu sprechen, aus denen sie stammen; Jonathan aus Deutschland und Ripley aus Amerika. Wenn wir weiter spekulieren, scheint Jonathans Arbeit, die auf Handwerkskunst beruht, und Ripleys Arbeit, die auf der Vermarktung gefälschter Kunst beruht, Wenders’ zynische Sicht der Kunst in beiden Bereichen zu zeigen.  

Durch die Verwendung von Ripley’s Game als Ausgangsmaterial diskutiert Wenders in seiner Verfilmung amerikanische Themen, die in Deutschland „um die Welt gehen”, insbesondere in Bezug auf ihre „Spiele”, die von Ripleys Figur repräsentiert werden. Wenders wählt ein Narrativ, das sich selbst befreit und das Bewusstsein für das „Spiel” durch Jonathans Charakter zeigt, sowie durch Wenders’ Anpassungsprozess.
 

Autor

Adi Osman © Adi Osman Adi Osman wurde 1994 in Padang, West-Sumatra, geboren. Er studierte Englische Literatur an der Andalas Universität. Er schreibt Artikel über Film, Literatur und Kultur. Einer seiner Filmartikel gewann den Filmkritikwettbewerb 2018 des Filmentwicklungszentrums des Ministeriums für Bildung und Kultur. Er war Kurator bei der Andalas Film Exhibition (AFE) 2017, dem West Sumatra Film Festival (Surfival) 2018 und beim regionalen Filmprogramm des Jogja-Netpac Asian Film Festival (JAFF) 2020 in Padang. Derzeit ist er nicht nur als Schriftsteller tätig, sondern auch für Lab. Pauh 9 und Garak.id.

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