Regie: Andres Veiel | Mit: Klaus Staeck, Caroline Tisdall, Rhea Thönges-Stringaris, Johannes Stüttgen, Franz Joseph van der Grinten | Sprache: Deutsch, mit englischen Untertiteln
Joseph Beuys (1921 - 1986) war eine wichtige Figur in der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts, weil er sich darum bemühte, die Grenzen des Kunstsystems zu öffnen. Beuys künstlerische Praktiken verwischen die Grenze zwischen Kunst und Leben, zwischen Fakt und Fiktion. Der Film „Beuys“ von Andres Veiel versucht, Joseph Beuys’ Arbeitsweg und das persönliche Leben des Künstlers, das auch seine Werke beeinflusste, durch Interviews zu illustrieren. Wir sind auch dazu eingeladen, über Archivmaterial Beuys’ Kunstaktionen zu erleben.
Eine von Beuys’ Arbeiten, die wir in diesem Film sehen können, ist das sehr bekannte Projekt „7000 Eichen“, das Beuys 1982 für die Documenta 7 schuf. Dieses zeitbasierte Kunstprojekt umfasste viele Freiwillige, die für ihn Bäume in der deutschen Stadt Kassel pflanzten. Jeder Baum wurde mit einem begleitenden Basaltstein gepflanzt. Alle sozio-politischen Kämpfe, die sich während des gesamten Projekts ereigneten, können als Beuys’ Versuch betrachtet werden, Kunstwerke basierend auf einem seiner Konzepte erweiterten Kunst, der Sozialen Plastik, zu realisieren. Für Beuys musste Kunst im täglichen Leben der Gemeinschaft sein, in die Gemeinschaft eingreifen und sie dazu einladen, sich an der Gestaltung einer sozialen Ökologie zu beteiligen. Dieses Konzept hat bis heute einen großen Einfluss auf zeitgenössische Kunstpraktiken im öffentlichen Raum.
Beuys war eine internationale, aber auch kontroverse Persönlichkeit. Er reiste nach Amerika und Japan, um mit Studenten und Akademikern ins Gespräch zu kommen. Beuys’ Debatten mit denen, die sich ihm entgegenstellten, waren stets performativ, da Beuys durch seinen unverwechselbaren Stil - er trug immer Hüte und Westen - auch eine performative Figur war. Beuys’ Hang zur Performance war auch bei den Veranstaltungen der Düsseldorfer Kunstakademie im Jahr 1972 zu sehen, als er mit Kollegen aneinandergeriet; man war sich nicht einig über die Funktionen der Kunstvermittlung sowie mit den politischen Aktivitäten von Beuys bei der Partei Die Grünen. Seine Aktionen waren Teil einer Performance, die auf dem Konzept der Sozialen Plastik basierte. Er wollte, dass Kunst in alle Aspekte des Lebens der Menschen eindringt, auch ins Parlament.
Dieser Film erinnert uns an die Bedeutung von Beuys’ Aussage, dass „jeder Mensch ein Künstler ist“, eine Aussage, die damals kontrovers gewesen sein mag, aber im Zeitalter der digitalen Gesellschaft so relevant geworden ist. Heute fühlt sich jeder als Künstler und kann durch verschiedene Social-Media-Kanäle an der Gestaltung der sozialen Realität um ihn herum teilnehmen.
Akbar Yumni ist Film- und Kunstkritiker und Mitglied des Forum Lenteng. Er ist einer der Gründer und Chefredakteur von www.jurnalfootage.net. Er studierte an der Sekolah Tinggi Filsafat Driyarkara (Driyarkara Hochschule für Philosophie). Er ist ebenfalls einer der Kuratoren und im Auswahl-Kommitee von Arkipel (Internationales Dokumentar- und Experimentalfilmfestival Jakarta), das im Jahr 2013 begann. Im Jahr 2008 arbeitete er als Rechercheur bei der Desantara Foundation und ist seit 2014 freiberuflich für das Dewan Kesenian Jakarta (Jakarta Art Council) tätig. 2017 war er außerdem Kurator für die Archiv- und Dramaturgie-Ausstellung der sundanesischen Theatergruppe für die Miss Tjitjihs Archiv-Aufführung Backstage to Frontstage. Zurzeit entwickelt er das Projekt The Lost Archive, das auf Bachtiar Siagians Film Turang basiert.
Kaum ein deutscher Kulturschaffender des 20. Jahrhunderts ist ähnlich berühmt und war ähnlich umstritten wie der Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker und zeitweilige Professor Joseph Beuys (1921 - 1986). Regisseur Andres Veiel zeichnet in seiner furiosen, klugen Collage unzähliger, oftmals bisher unerschlossener Bild- und Tondokumente das Bild eines einzigartigen Menschen und Künstlers, der in seiner rastlosen Kreativität Grenzen sprengte. Beuys ist kein klassisches Porträt, sondern eine intime Betrachtung des Menschen, seiner Kunst und seiner Ideenräume, mitreißend, provozierend und verblüffend gegenwärtig. Beuys‘ erweiterter Kunstbegriff führt ihn mitten in den Kern auch heute relevanter gesellschaftlicher Debatten.
Beuys von Andres Veiel ist ein großartiger Dokumentarfilm und dazu ein vollständiges, lehrreiches und respektvolles Porträt eines wichtigen Künstlers, der immer auch eine Sensation war.
Andres Veiels faszinierender Film zieht seine stilistischen Mittel aus der rastlosen Kreativität seines Protagonisten. Vielleicht war das Leben von Beuys selbst sein größtes Kunstwerk - das ist es, was Veiels fein gesponnenen, klugen Film zu einem solchen Vergnügen macht."
Screen Daily
Jakarta
05.10.2018 | 19.00 Uhr | Goethe-Haus
Andres Veiel, geboren 1959 in Stuttgart, Deutschland, studierte in West-Berlin Psychologie und absolvierte eine Regie- und Dramaturgie-Ausbildung am Berliner Künstlerhaus Bethanien. Aus ersten Inszenierungen in einem Berliner Gefängnis entstand 1991/92 der Dokumentarfilm Winternachtstraum. 1993 erhielt Veiel für Balagan einen Deutschen Filmpreis. Im Wettbewerb der Berlinale 2011 zeigte er seinen ersten Spielfilm, Wer wenn nicht wir, der mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde. Andres Veiel ist Mitglied der Deutschen und der Europäischen Filmakademie und unterrichtet an verschiedenen Hochschulen.