Kultur in Atemnot

Kulturpolitik nach Corona

Wie beeinflusst die Corona-Krise die Kunst- und Kulturlandschaft in Deutschland 2020? Welche Lösungen bietet die Kulturpolitik an, wo muss sie weiterdenken? Durch Gastbeiträge und eine Presseschau vermittelt das Goethe-Institut Tokyo einen aktuellen Über- und Ausblick.

Beiträge



Presseschau April-September 2020

Theater in Atemnot

Durch Corona droht das Theater aus dem Blickfeld der Gesellschaft zu geraten. Je länger nicht gespielt wird, je länger die Vorhänge zu bleiben, desto stärker könnte allgemein das Gefühl wachsen, dass gar nichts fehlt.

Kultur soll nicht systemrelevant sein? Daran will die Frankfurter Allgemeine Zeitung nicht glauben und ruft zum 15.11. die Video-Theaterserie „Spielplanänderung“ ins Leben.

Wir wollen Kunst (Tagesspiegel, 13.9.)

Die diesjährige 9. Berlin Art Week war die erste stadtweite Großveranstaltung seit dem Lockdown. Das Glück, Kunst real zeigen zu können, brachte dabei mehr Teilnehmende denn je zusammen: 35 Berliner Kunstinstitutionen und Museen waren dabei. Die Organisatoren zeigten sich mit den Besucherzahlen auch zufrieden. Das Tragen von Masken und die Abstandsregeln konnten die Lust an der Kunst offensichtlich nicht verderben.


Messe und Macht (FAZ, 12.9.)

Die beiden großen deutschen Buchmessen haben Entscheidungen bekanntgegeben: Leipzig verlegte den Termin von März auf den wettersicheren Mai 2021. Die Leipziger Messe verfügt über einen großen Außenbereich, wo – trotz Corona – Platz für viele Menschen ist. Frankfurt dagegen sagte den diesjährigen „physischen Auftritt“ ab – also faktisch die Messe selbst, denn für eine Verlagerung ins Internet braucht heute kein Verlag mehr einen Makler.


Vereinzelung

Die neue Fassung des Hygienekonzeptes für Berliner Kultureinrichtungen erlaubt, den Abstand zwischen den Besucher*innen von 1,5 auf 1 Meter zu verringern. Voraussetzung ist, dass das Publikum die Mund-Nasen-Bedeckung während der gesamten Vorstellung nicht abgelegt.

Tagesspiegel, 12.9.

Hilfsfond (11.9.)

Auf Initiative des Goethe-Instituts und des Auswärtigen Amts wurde im Sommer 2020 ein Internationaler Hilfsfonds eingerichtet, um Organisationen aus Kultur und Bildung im Ausland schnell in der Corona-Pandemie zu unterstützen. Von September bis Dezember 2020 werden nun Mittel in Höhe von über drei Millionen Euro an über 140 Projekte ausgeschüttet. Auch ein japanisches Projekt wird gefördert: Das Tokyo Holocaust Education Resource Center Kokoro in Tokyo. Über dessen geplante Lectures und Workshops zur Erinnerungskultur werden wir Sie informieren.


"Praktisch null Infektionsrisiko" (Frankfurter Rundschau, 11.9.)

Der Theaterraum des Mousonturms in Frankfurt ist neu gestaltet worden: Der Bau im Bau ist die Reaktion auf die Corona-Krise, die das Kunst- und Theatergeschehen beeinträchtigt. In den jeweiligen "Logen" passen maximal zwei Menschen. Da jede Loge einen Zugang hat, „gibt es praktisch null Infektionsrisiko“, sagt Matthias Pees, Intendant des Künstlerhauses. Wer mit anderen Kabinen Kontakt aufnehmen will, kann ein Dosentelefon ordern. Geplant wurde der Umbau von raumlabor - der Zusammenschluss aus Berliner Architekt*innen hatte auch schon 2017 mit einem Performance Parcours die räumliche Dimension des Goethe-Instituts Tokyo erkundet.


Der gegenseitige Blick

Der Mensch ist (…) ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann.

Karl Marx, 1859

Sichere Konzerte (Forbes Japan, 31.8.)

Ideen für sichere Konzerte gibt es viele - aber was bringen die Maßnahmen wirklich? Das wurde in Leipzig bei einem Auftritt von Popstar Tim Bendzko durch das Universitätsklinikum Halle untersucht, um die Risiken bei der der Durchführung von Großveranstaltungen in Zukunft besser einschätzen zu können. So enthielt zum Beispiel das Mittel zur Hand-Desinfektion ein Markierungsspray, um zu analysieren, welche Oberflächen berührt wurden. Die Ergebnisse sollen im September vorliegen.


Hilfe auch für kleine Kulturbetriebe (Monopol Magazin, 26.8.)

Auf die Corona-Soforthilfen aus Mitteln des Berliner Senats können sich nun auch kleine und mittlere Kulturbetriebe ab zwei Beschäftigte bewerben. Damit könne nun auch die kleinteilige Kulturszene unterstützt werden, erklärte Kultursenator Klaus Lederer - zumindest bis Ende November. So lange soll die Förderung zunächst laufen. 


Down to Earth (Frankfurter Rundschau, 16.8.)

Die Ausstellung „Down to Earth“ im Berliner Martin-Gropius-Bau thematisiert den Kunstbetrieb als Klimasünder. In den letzten Jahrzehnten habe der Kunstbetrieb mit dem Klimathema gefremdelt, sagt Künstler Tino Seghal. Doch durch die Corona-Pandemie seien die Fragen zwischen Natur und Kultur der Menschheit hämmernd und neu aufgezwungen worden.


Zukunft des Berghains (Tagesspiegel, 16.8.)

Am 9. September öffnet das Berghain, Berlins bekanntester Techno-Club, endlich wieder - allerdings nicht als Tanztempel, sondern als Ausstellungshaus. Bis die DJ*anes wieder auflegen können, sollen unter dem Titel „Studio Berlin“ Werke von 85 in Berlin lebenden Künstlerinnen und Künstlern präsentiert werden.


Berghain

Es bietet sich geradezu an, jetzt darüber zu sprechen, wie die Zukunft von Clubs aussehen kann und welche Aufgaben diese annehmen wollen.

Konstanze Meyer, Initiative Clubtopia, im Interview mit Monopol am 13.8.

Kinos flehen um Hilfe (Süddeutsche Zeitung, 15.8.)

Wegen der Schließungen während der Coronakrise befinden sich viele der kleineren deutschen Kinos in einer dramatischen finanziellen Situation. Fast die Hälfte bangt um ihre Existenz. In einem offenen Brief an Kulturstaatsministerin Monika Grütters fordern die Kinobetreiber wirtschaftliche Hilfen sowie einen Kinogipfel.


Nachhaltigkeit in der Clubszene (Monopol Magazin, 13.8.)

Wenn alle Clubs wegen Corona geschlossen haben, müssen wir dann überhaupt über Clubkultur sprechen? Konstanze Meyer, die mit ihrer Initiative Clubtopia das Thema nachhaltiges Clubbing fördern will, sagt im Interview mit Monopol: „In Berlin ist die Clubkultur ein relevanter Anziehungsfaktor für viele Menschen aus der ganzen Welt. Und es fehlt natürlich das Sich-Fallen-Lassen, das Eintauchen in die Musik und die Erfahrung von Vielfalt. Insofern bietet es sich geradezu an, jetzt darüber zu sprechen, wie die Zukunft von Clubs aussehen kann und welche Aufgaben diese annehmen wollen.“


Protestmarsch der Kulturschaffenden in Berlin (c) Dressing Ruhm & Söhne

Kunst spiegelt und reflektiert die Gesellschaft, zeigt Tendenzen und Problematiken auf, beugt Radikalisierung vor, bildet Meinungsvielfalt ab und trägt so zum demokratischen Diskurs bei. Daher sollte Kunst als systemrelevant betrachtet und dementsprechend ernst genommen werden.

auf der Webseite des Protestmarsches der Kulturschaffenden

Protestmarsch der Kulturschaffenden in Berlin (Nachtkritik, 9.8.)

Am 9. August demonstrierte in Berlin ein Bündnis freischaffender Künstler*innen aus diversen Bereichen für eine längerfristiger gedachte Unterstützung wie zum Beispiel ein 'Künstler-Kurzarbeitergeld‘.


Goethe-Institut Tokyo beim Symposium der Agency for Cultural Affairs - 7.8.

Die Agency for Cultural Affairs der japanischen Regierung bietet eine Reihe von Web-Symposien, bei deren erster Folge am 7. 8. Peter Anders, Institutsleiter des Goethe-Instituts Tokyo, Diskussionsteilnehmer sein wird. Der Titel lautet „Die Künste nach COVID-19: Globale Förderung und internationaler Austausch“.


Niemand kommt - Solidaritätsfestival (c) Niemand kommt - alle sind dabei

Ich lobe ausdrücklich, was der Berliner Senat und die Berliner Kulturverwaltung gemacht haben (...), aber die Gelder waren nach fünf Tagen erschöpft und wurden durch das Programm des Bundes ersetzt.

Daniel Brunet, Mitorganisator von "Niemand kommt", im Interview mit Monopol am 8.7.

„Sonst bleibt nur Brachland“ (Monopol Magazin, 20.7.)

Enttäuscht vom mangelnden Verständnis der Bundesregierung für die individuelle Notlage Freischaffender in Corona-Zeiten veranstalten vier Insider des Berliner Kulturbetriebs am 31. Juli ein solidarisches "Nicht-Festival". Mit den Ticketeinnahmen wollen sie eigene Hilfspakete für die freien Künstlerinnen und Künstler schnüren. Das Monopol Magazin hat mit Daniel Brunet, Organisator und Leiter des English Theatre Berlin, darüber gesprochen, warum die freie Kunst- und Kulturszene für Berlin so wichtig ist und jetzt mehr denn je die Solidarität der Stadt braucht.


Das Solidaritäts-Festival (19.7.)

In Corona-Zeiten wird Anwesenheit und Ko-Präsenz zum Verhängnis. Vielen freien Künstler*innen und Kulturschaffenden brechen so die Einkünfte weg, viele sind aus bürokratischen Gründen auch von den Hilfspaketen der Regierung ausgeschlossen. Am 31. Juli 2020 findet deshalb in Berlin das riesige Solidaritäts-Festival „Niemand kommt“ statt, an dem viele Künstler*innen, Ensembles und Kulturschaffende aller Sparten teilnehmen, indem sie, genau, nicht kommen. Die Ticket-Erlöse werden an die freie Szene ausgezahlt.


Kino unter Corona (Die Welt, 15.7.)

Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Regisseur Tom Tykwer diskutierten im ältesten Kino Berlins über die Zukunft der Branche. Rosig sieht es nicht aus - auch nicht für die Erfolgsserie „Babylon Berlin“. An deren Fortsetzung sei laut Tykwer im Moment nicht zu denken - denn bestehe die Kunst des Drehens nicht darin, „dass wir in einer kontrollierten Situation das Unkontrollierte freisetzen?“ In Pandemie-Zeiten nur schwer vorstellbar.


Und wie geht es den anderen? (Maxim Gorki Theater, 12.7.)

Das Maxim Gorki Theater in Berlin fragt: Wie ergeht es Künstler*innen während der globalen Krise in anderen Teilen der Welt? Im Zentrum steht der gemeinsame Austausch über individuelle Erfahrungen. Unter anderem spricht Gorki-Ensemblemitglied Kenda Hmeidan mit dem syrischen Sozialwissenschaftler Kheder Khaddour in Beirut über seine Forschung, die Auswirkungen der Corona-Pandemie in Syrien und im Libanon und über die aktuelle Situation syrischer Künstler.


Gemeinsam gegen Corona (c) United Nations COVID-19 Response

Die Krise wird nur gelöst, der globale Kultursektor wird sich nur erholen, die internationalen Beziehungen können nur wieder aufgenommen werden, wenn alle Menschen in die Lage versetzt werden, sich zu treffen und frei zusammenzuarbeiten.

Statement von EUNIC (European Union National Institutes for Culture) am 8.6.

Wiedereröffnung der Kinos (Süddeutsche Zeitung, 18.5.)

In Deutschland entscheiden die einzelnen Bundesländer, welche Sicherheitsmaßnahmen gegen COVID-19 gelten. Für die großen wie kleinen Kinos heißt das, dass sie in Hessen und Sachsen vielleicht bald wieder öffnen dürfen, in anderen Bundesländern aber nicht. Das Problem dabei: Es lohnt sich für einen Verleih nicht, einen Film für viel Geld zu bewerben, wenn er nur in der Hälfte der Bundesländer anlaufen kann. Wie geht es nun also mit den deutschen Kinos weiter?


Wiedereröffnung der Museen (Monopol Magazin, 23.4.)

Deutschland öffnet als eines der ersten Länder weltweit wieder seine Museen. Dabei geht es aber nicht nur um einen sicheren Betrieb für Besucher*innen und Personal, zum Beispiel mit neu geplanten Wegen durch die Ausstellungen, sondern auch um ein konzeptionelles Umdenken. Marion Ackerman, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, im Gespräch mit Monopol: „Wir brauchen eine neue Form von Erzählung, die das, was die Menschen aktuell beschäftigt, berührt, und eine Haltung: Weniger ist mehr."


Kultur gerade weniger wichtig? (Süddeutsche Zeitung, 10.5.)

Am 9. Mai versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel per Videobotschaft Unterstützung, damit die breite und vielfältige kulturelle Landschaft in Deutschland auch nach der Pandemie weiterexistieren könne. Nun sollten Konzepte für Hygiene und Sicherheitsbestimmungen für Theater oder Opern entwickelt werden.


Merkels Videobotschaft: Unterstützung der Kultur

Es ist unser Ziel, dass unsere breite, vielfältige kulturelle Landschaft auch nach der Überwindung der Pandemie (...) weiterexistieren kann. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, aber diese Aufgabe hat die Bundesregierung ganz oben auf ihrer Prioritätenliste.

Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Videobotschaft, 9.5.

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