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Fußball
Oliver Kahn: Welttorhüter und „Viertel-Lette“

Artikel über die Familie Kahn in der Zeitung „Kurzemes vārds”. Foto mit freundlicher Genehmigung von „Kurzemes vārds”
© Kurzemes vārds

Wer ist der wohl berühmteste lettische Fußballspieler? Die Antwort ist Māris Verpakovskis. Doch beinahe hätte sie auch Oliver Kahn lauten können.

Von Alexander Welscher

Anfangs konnte es niemand so richtig glauben. Doch dann sorgte der Fußball-Titan selbst für Aufklärung. „Ja, es stimmt. Meine Großmutter ist Lettin und mein Vater wurde dort geboren“, erklärte Oliver Kahn im Juni 2004 vor dem Aufeinandertreffen der Nationalteams aus Deutschland und Lettland bei der Europameisterschaft in Portugal.

Kahns Opa Rolf arbeitete einst als Buchhalter bei der Seeverwaltung in Riga und später für die deutsche Kriegsmarine im heutigen Liepāja (damals Libau) an der Ostsee. Dort lebte der Deutschbalte mit seiner aus Valmiera stammenden Frau zusammen – der Lettin Ērika Alksne. In der Hafenstadt wurde am 9. Dezember 1943 auch Kahns gleichnamiger Vater Rolf geboren. Während des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach Karlsruhe, wo Oliver Kahn im Sommer 1969 das Licht der Welt erblickte.

„Kāni. No Liepājas līdz Karlsrūei“ („Die Kahns. Von Liepāja nach Karlsruhe“), betitelte mehr als 30 Jahre später die Lokalzeitung „Kurzemes vārds“ ihre doppelseitige Geschichte über den Werdegang der Familie. Nachzulesen ist darin, wie Ērika Kahn in den Kriegswirren gemeinsam mit weiteren deutschen Zivilisten aus Kurland mit dem Schiff vor der näher rückenden Roten Armee flüchtete.Rosenplatz in Libau in der Vorkriegszeit.

Mit an Bord war neben ihrem neugeborenen Sohn auch ihr Schwiegervater Paul Kahn, Inhaber des Reisebüros Baltischer Lloyd am später kriegszerstörten Libauer Rosenplatz 11. Ehemann Rolf hingegen wurde in die Armee eingezogen und kam in Kriegsgefangenschaft. Seine Familie sollte er erst nach Kriegsende in Deutschland wiedersehen.

Auch in anderen Medien waren die neu entdeckten lettischen Wurzeln des deutschen Nationaltorhüters das Topthema. In Lettland zierte er in den Tagen um das Spiel zusammen mit dem lettischen Stürmer-Star Māris Verpakovskis die Titelblätter der Tageszeitungen. Auch in Deutschland wurde über den „Viertel-Letten“ Kahn berichtet.

„Meine Eltern waren nach der Wende zweimal in Lettland. Sie haben noch Kontakte, schicken auch Autogrammkarten von Oliver dorthin”, sagte damals Rolf Kahn junior deutschen Medien. In Lettland berichtete eine Kindheitsfreundin vom anhaltenden Interesse Ērika Kahns an der alten Heimat. Rolf Kahn senior schrieb dem Bürgermeister von Liepāja einmal einen Brief auf Lettisch, dem er ein paar alte Familienbilder und Zeitungsausschnitte von seinem Enkel beilegte.

Oliver Kahn selbst zeigte sich zurückhaltender. Angesprochen auf seine lettischen Wurzeln erklärte der damalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft: „Es stimmt, ich habe einen gewissen Bezug zu Lettland. Besonders wenn ich meine Großeltern besuche, die immer noch Deutsch mit lettischem Akzent sprechen. Aber ich fühle mich als Deutscher“.

Der dreifache Welttorhüter und Europameister von 1996 zeigt bislang nur wenig Interesse an diesem Teil seiner Familiengeschichte. „Ich habe schließlich keine Erinnerungen an Lettland”, betonte Kahn. Das Land seiner Vorfahren wartet noch immer auf seinen Besuch.

Auch ein Tor gönnte er Lettland damals nicht. Die Partie in Porto endete 0:0. Das Unentschieden gegen Deutschland war für den kleinen Baltenstaat dennoch ein „Sieg“ – es war der erste Punktgewinn bei einer Fußball­-EM und gilt bis heute als größter Erfolg in der lettischen Fußballgeschichte.

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