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Aufklärung
Gotthard Friedrich Stender: Aufklärer, Sprachforscher, Erfinder

Gedenkstein für Stender in Eglaine.
© Katrin Wolschke

Jedem lettischen Schulkind ist der „Alte Stender” ein Begriff. Das Werk des Universalgelehrten ist vielseitig – und wurde stark durch seine Zeit in Deutschland geprägt. Im Herzen aber blieb er Lette.

Von Katrin Wolschke

Als Gotthard Friedrich Stender Mitte des 18. Jahrhunderts seine „höchst bequeme Waschmaschine” entwickelte, wunderte sich wahrscheinlich niemand mehr über seinen ungewöhnlichen Erfindungsdrang. Bereits zuvor hatte sich der Deutschbalte in vielen Bereichen einen Namen gemacht. Als Kulturvermittler, Wegbereiter der Aufklärung im Baltikum und Begründer der weltlichen Literatur im heutigen Lettland zählt Stender zu den namhaftesten Denkern des 18. Jahrhunderts im mittleren der drei Baltenstaaten.

Geboren wurde Stender 1714 in Lassen (Lettisch: Laši) bei Daugavpils. Als Sohn einer Pastorenfamilie mit deutschen Wurzeln schien seine berufliche Laufbahn im Russischen Zarenreich vorbestimmt. Doch so gradlinig sollte das Leben des rastlosen Mannes, den seine Arbeit als Geistlicher und Wissenschaftler nach Litauen, Helmstedt und Hamburg, Kopenhagen und Sankt Petersburg führte, nicht verlaufen.

Mit 22 Jahren verließ Stender zunächst seine Heimat, um in Jena und Halle Theologie, Rhetorik und alte Sprachen zu studieren. Doch eine erste Lehrtätigkeit an einem Weisenhaus in Halle missfiel ihm. Als Freigeist verrufen musste er das Haus verlassen und kehrte zurück nach Kurland. Dort verdingte er sich erst als Lehrer und später ab 1744 als Pastor von Birsgallen bei Riga.

Seine freie Zeit nutzte er für das Selbststudium zahlreicher Disziplinen: Kunst und Philosophie, Geschichte und Geographie, Technik und Alchemie, Mathematik und Astronomie. Zu seinem 300. Geburtstag ehrten die Letten den klugen Autodidakten sogar mit einer Gedenkbriefmarke und Sondermünze.

Mit einer neuen, weltlicheren Sichtweise konstruierte er in den 1760er Jahren Globusse für den Herzog von Braunschweig und König Friedrich von Dänemark. Der dänische Stender-Globus mit einem Durchmesser von knapp einem Meter steht heute in der Königlichen Bibliothek zu Kopenhagen. Anlässlich des 300-jährigen Stender-Jubiläums war er 2014 als Leihgabe in der Lettischen Nationalbibliothek in Riga zu sehen. Hier findet sich auch ein originalgetreuer Nachbau besagter Waschmaschine, eine der ersten seiner Zeit.

Die Nähe zum einfachen Volk während seiner Zeit als Pastor weckte Stenders Interesse an der lettischen Sprache. Im Sinne der Volksaufklärung, die damals in Europa aufkam, setzte er sich für die Alphabetisierung des „gemeinen Mannes“ ein. Dafür verfasste er ein bebildertes ABC-Buch und übersetzte Kirchenlieder, Märchen und Erzählungen aus dem Deutschen ins Lettische. In seiner 1761 in Braunschweig gedruckten lettischen Grammatik findet sich eine beachtliche Sammlung von Sprichwörtern, Rätseln und lettischer Mythologie. 28 Jahre später veröffentlichte er ein Lettisch-Deutsches Lexikon, das sich fast 100 Jahre lang als Standardwerk behaupten konnte.

Neben Johann Gottfried Herder (1744-1803) war Stender der erste Linguist, der die lettischen Volkslieder, die Dainas, analysierte und übersetzte. Mit 81 Jahren starb der „Alte Stender” 1796 in seiner Heimat. Auf seinem Grabstein steht: „Hier ruht G. F. Stender, der Lette.“

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