Salvador
Tiago Sant’Ana, Künstler

Von Tiago Sant’Ana

Tiago Sant’Ana © © Tiago Sant’Ana Tiago Sant’Ana © Tiago Sant’Ana

Was versinnbildlicht für Sie die aktuelle Situation persönlich oder in Ihrem Land?

Die Situation in Brasilien ist derzeit sehr komplex. In erster Linie liegt es daran, dass die Politik der brasilianischen Regierung von den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) abweicht. Präsident Bolsonaro spricht sich offiziell gegen das Social Distancing aus, damit die nationale Wirtschaft keinen Schaden nimmt. Darüber hinaus ist die Situation in den Favelas, den brasilianischen Elendsvierteln, besorgniserregend. In vielen dieser Quartiere haben die Häuser kein fließend Wasser, was das regelmäßige Händewaschen unmöglich macht.



Aufgrund unserer Geschichte herrscht in Brasilien eine große Ungleichheit, was sich auch in der unterschiedlichen Auswirkung des Coronavirus auf die Bevölkerung widerspiegelt. Heute waren im Fernsehen Bagger zu sehen, die auf einem Friedhof in São Paulo neue Gräber ausheben. Ich bin davon überzeugt, dass die Situation im Land viel schlimmer ist, als uns aus offiziellen Quellen mitgeteilt wird.

Wie wird die Pandemie die Welt verändern? Welche langfristigen Folgen der Krise sehen Sie?

Es ist schwierig, die Konsequenzen des Coronavirus vorherzusehen, da wir mit einer solchen Situation in diesem Jahrhundert noch nicht konfrontiert waren. Aber es ist so gut wie sicher, dass die Ungleichheit beträchtlich zunehmen wird. Die Mittel, die zum Schutz der Ärmsten zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Die Spendenkampagnen und sozialen Hilfsaktionen werden nicht ausreichen, da wir kurz- und auch langfristig eine effektivere und tiefgreifendere Sozialpolitik brauchen. In Brasilien ist eine rechtsextreme Regierung an der Macht. Daher glaube ich, dass Investitionen den sozialen Bereich nicht so bald erreichen werden. Diese werden in erster Line großen wirtschaftlichen und privaten Gruppen zugutekommen.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Nach über 30 Tagen zu Hause in Quarantäne verspüre ich täglich Zuversicht. Aber gleichzeitig ist es schwierig, in diesen Zeiten zuversichtlich zu sein. Viele Menschen hier können nicht an die Zukunft denken, wenn sie sich gleichzeitig sorgen müssen, ob sie morgen etwas zu essen haben. Da ich jedoch einem Volk angehöre, das unzählige Jahre des Genozids und der Gewalt überlebt hat, glaube ich, dass wir auch die derzeitige Situation überstehen werden - durch täglichen Kampf und mit unserem Gemeinschaftssinn, der uns in unserem ständigen Willen zu leben eint.
 

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