Mobiles Lernen im DaF-Unterricht
Smartphones, Tablets und Co.

Handys und Tablets sind integraler Bestandteil im Leben vieler Jugendlicher, daher sollten Lehrende mobiles Lernen in den Unterricht einbeziehen.
Handys und Tablets sind integraler Bestandteil im Leben vieler Jugendlicher. | © Syda Productions - Fotolia.com

Handys in der Schule – Viele Lehrende und Eltern verbinden damit grundsätzlich Negatives. Mobile Endgeräte bieten aber eine Chance für die Bildung und können den DaF-Unterricht bereichern. Praktische Beispiele und Einsatzszenarien.

Der Ansatz des mobilen Lernens gewinnt immer mehr an Bedeutung – auch durch den in der Regel schnellen und kostengünstigen Internetzugang vor allem im mitteleuropäischen und angloamerikanischen Raum. Lernende haben die Möglichkeit, mit ihren Smartphones oder Tablets ständig und von quasi überall auf ihre Daten zuzugreifen, diese zu ändern, zu archivieren und zu nutzen, wie zum Beispiel für Google Maps, eine online Restaurantsuche, Audio- und Videostreaming oder ePortfolios. Handys sind ein zeitgeistiges, allgegenwärtiges Werkzeug für jugendliche Lernende. Und: In praktisch allen Familien sind Handy und Internetzugang vorhanden, wie die JIM-Studie belegt (Feierabend, Plankenhorn, Rathgeb 2014).

Handys und Tablets sind integraler Bestandteil im Leben vieler Jugendlicher, daher sollten Lehrende und Eltern mobilem Lernen im unterrichtlichen Kontext eine Chance geben. Insbesondere über den motivationalen Aspekt, wie dem Einsatz populärer Medien, kann viel erreicht werden. Der Einsatz der Geräte beschränkt sich nicht mehr auf das Klassenzimmer oder den Computerraum. Dies ermöglicht dem Lernenden ein Loslösen von starren, gebundenen hin zu mobilen Lernräumen und -kontexten (vgl. Wiley 2009). Zudem ermöglicht Cloud Computing den schnellen, mobilen, ubiquitären und bedarfsorientierten Zugriff auf unterschiedlichste Daten.

Somit bietet das Handy: Persönliche und ständige Verfügbarkeit; hohe Speicherkapazität für vielfältige Darstellungsformen; aktive Medienfunktionen für Videos, Fotos, Musik und Audios; Anwendungen für die Alltagsorganisation wie Kalender, Wecker und Navigation; Zugang zu einer vielfältigen persönlichen Kommunikation (What’s App, Facebook, Telefon) sowie Schnittstelle und Zugang zum Internet mit dessen spezifischer Kommunikation und dessen Informations- und Medienarchiven, auch eine Schnittstellenfunktion durch Bluetooth oder WLAN und die Verbindung zum interaktiven Whiteboard (Friedrich/Bachmair/Risch 2011, 11).

Didaktische Eckpunkte zur Planung und Analyse von Unterrichtseinheiten

Zur Planung und Analyse von Unterrichtseinheiten mit mobilen Endgeräten eignen sich die sechs didaktischen Eckpunkte nach Bachmair (ibid., 9).

Informelles Lernen in die Schule integrieren: Das Handy ermöglicht es, informelles Lernen und Wissen des Alltags in die Schule einzubinden. Das mobile Endgerät kann als Schnittstelle zwischen Jugendkultur, dem Alltagsleben und dem gezielten Lernen im Unterricht dienen.

Episoden situierten Lernens schaffen: Das Handy mit seinen Einsatzmöglichkeiten kann das situierte Lernen unterstützen. So lässt sich beispielsweise der von der Lehrkraft geleitete Unterricht mit Episoden handygestützter Schüleraktivitäten verbinden.

Lern- und Medienkontexte generieren: Mit dem Handy ist es den Lernenden und Lehrenden möglich, neue Lernkontexte zu schaffen. Die Lernkontexte werden an der Schnittstelle der Medienkonvergenz im Internet, Unterhaltungsmedien der Lebenswelt und der Schule generiert. Dies können auch Situationen außerhalb der Schule sein.

Kommunikationsbrücken und Kommunikationsketten schaffen: Das Handy kann Kommunikationsbrücken und -ketten zwischen Alltag und Schule knüpfen.

Schülerinnen und Schüler als Experten ihres Alltagslebens in der Schule individuell aktiv werden lassen: Viele Schülerinnen und Schüler sind mittlerweile Handyexperten, wissen, wie sie das mobile Endgerät für schulisches und außerschulisches Lernen nutzen können.

Sensible Entwicklungs- und Lernkontexte schaffen: Die von Kindern generierten mobilen Artefakte wie Videos, Chatnachrichten oder Fotos „stehen in engem Zusammenhang mit ihren persönlichen Entwicklungsthemen und lassen sich nutzbringend in die Lernsituation integrieren“ (ibid., 9).

Praktische Einsatzszenarien mobiler Endgeräte im DaF-Unterricht

Basierend auf diesen Eckpunkten werden nun vier Grundtypen praktischer Einsatzszenarien von mobilen Endgeräten im DaF-Unterricht überblicksmäßig vorgestellt. Dem Zusammenspiel von formellem Lernen, wie beispielsweise in der Schule, und informellem Lernen, zum Beispiel zuhause oder unterwegs, wird im mobilen Kontext eine große Bedeutung beigemessen. In diesem Zusammenhang unterscheiden Specht/Ebner/Löcker (2013) (in Anlehnung an So/Kim/Looi, 2008) vier Grundtypen:

Typ I: Geplante Lernsituationen innerhalb des Klassenraums
Hierbei handelt es sich um klassische mobile Lernarrangements im Unterrichtsraum.
Mindmap eines Schülers © Thomas Strasser
Mindmap eines Schülers | © Thomas Strasser

Mögliches didaktisches Szenario: Schülerinnen und Schüler erstellen gemeinsam mit einer App eine Mindmap zum Thema „Leben in der Stadt“ in der Unterrichtsstunde.







Allgemeines, fremdsprachendidaktisches Potenzial (Beispiele):       
  • Erstellung von themenspezifischen, lehrplanbasierten Mindmaps
  • Erarbeitung und Wiederholung von bereits bekannten oder neuen Wortfeldern (Transportmittel, Gebäude etc.)
  • Mindmap als Methode der Themeneinführung bzw. Themenwiederholung (z.B. Festigung/Wiederholung/Visualisierung von Wortfeldern) 
Typ II: Geplante Lernsituationen außerhalb des Klassenraums
Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Dokumentation eines Lehrausganges mit mobilem Endgerät (mit Kamerafunktion), diversen Apps, wie zum Beispiel Evernote, um digitale Artefakte zu speichern und wiederzuverwerten.
Schülerdokumentation eines Museumsbesuchs (Beispiel Typ II ) © Thomas Strasser
Schülerdokumentation eines Museumsbesuchs | © Thomas Strasser


Mögliches didaktisches Szenario: Schülerinnen und Schüler besuchen ein Museum und müssen jene Objekte dokumentieren, die ihnen gefallen oder die sie faszinieren. Die gespeicherten Fotos und Videos werden dann im Unterricht am mobilen Endgerät vorgestellt und im freien, gesprochenen Diskurs beschrieben. Lehrende und Lernende können Fragen zu den Objekten stellen.

Allgemeines, fremdsprachendidaktisches Potenzial:
  • Dokumentation von Objekten, die gefallen und somit auch gerne beschrieben werden
  • Erarbeitung und Wiederholung von lexikalischen Themenfeldern (Formen, Größen, Farben, ästhetische Aspekte)
  • Objekte beschreiben lernen, freies Präsentieren (u.a. Präpositionen)
  • Fragen und Antwortstellung üben und wiederholen
Typ III: Nicht geplante Lernsituationen außerhalb des Klassenraums
Foto mit Schülerkommentaren © Thomas Strasser
Foto mit Schülerkommentaren | © Thomas Strasser
Lernende besuchen in der Freizeit mit dem Handy ausgestattet und aus Eigeninteresse beispielsweise ein naturhistorisches Museum.

Mögliches didaktisches Szenario: Sie fotografieren oder filmen mittels mobilem Endgerät die Ausstellung aus Eigeninteresse und kommentieren bzw. teilen die Fotos über Facebook oder WhatsApp mit ihren Freunden aus der DaF-Lerngruppe.








Allgemeines, fremdsprachendidaktisches Potenzial:
  • Dokumentation von Artefakten, die gefallen und somit auch gerne geteilt und im Idealfall auf Deutsch beschrieben werden.
  • Da das Objekt persönlich ausgesucht wurde und mit der DaF-Lerngruppe geteilt wird, besteht grundsätzliches Interesse, dieses Objekt kurz zu beschreiben und zu kommentieren (intrinsische/extrinsische Motivation).
  • Produktion von kurzen fremdsprachlichen Statements (Fokus auf die jeweiligen lexikalischen Themenfelder)
Typ IV: Nicht geplante Lernsituationen innerhalb des Klassenraums
Kommentierte Whiteboardmitschrift © Thomas Strasser
Von Schülerin kommentiertes Foto eines Whiteboards | © Thomas Strasser
Schülerin fotografiert mit mobilem Endgerät das Tafelbild oder die Whiteboardmitschrift der Lehrerin und schickt es via WhatsApp Mitschülerin, die krank ist.

Mögliches didaktisches Szenario: Sie fotografiert bzw. nimmt eine Textsorte, die von der Lehrerin an die Wand projiziert wird, auf. Die Lehrerin nennt Details, die so nicht im Text stehen. Die Schülerin nimmt dies mit dem Smartphone auf (Foto, Audio oder Video; Genehmigung der Lehrerin vorausgesetzt) und versieht Mitschnitt mit eigenen Kommentaren oder Lerntipps (Einsatz einer Annotations-App). Danach wird das Foto mit den schriftlichen Kommentaren an die kranke Mitschülerin geschickt.

Allgemeines, fremdsprachendidaktisches Potenzial:
  • Erneutes Zusammenfassen und eigenes Kommentieren und Interpretieren von bestimmten fremdsprachlichen Textsorten.
  • Förderung der globalen sowie detaillierten Lese- und Hörkompetenz (beispielsweise sinnerfassendes oder detailliertes Lesen), Üben der rezeptiven Fähigkeiten.
  • Förderung der produktiven Fähigkeiten, denn Schülerin muss Gelesenes und Gehörtes in eigenen Worten in der Fremdsprache für die kranke Mitschülerin formulieren.
Die ausführlichen praktischen Einsatzszenarien für mobile Endgeräte im DaF-Unterricht können Sie sich hier als PDF (Praktische Einsatzszenarien) herunterladen.

Ausblick

Das Smartphone ist in der Lebenswelt vieler, vor allem jugendlicher Lernerinnen und Lerner, angekommen. Smartphones, Tablets und Co. werden sicherlich nicht den Präsenzunterricht und die Lehrkraft ersetzen. Vielmehr sollten die „neuen“ Technologien als didaktisiertes Addendum zum Präsenzunterricht agieren, damit eine sinnvolle Verzahnung von analogem mit digitalem sowie formellem und informellem Lernen möglich ist.

Aufgrund der unterschiedlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen europaweit, wird der Einsatz von Smartphones im Unterricht oftmals erschwert. Wünschenswert wäre eine, den technologischen Gegebenheiten angepasste, Gesetzgebung, die den Einsatz von Lerntechnologien kritisch reflektiert, aber eben nicht durch Verbieten unterbindet. Um (angehenden) Lehrerinnen und Lehrer so bald als möglich auf gezielte, digitalisierte mobile Didaktisierungsprozesse vorzubereiten, ist eine positive Fremdsprachendidaktik wichtig, die das Mehrwertpotenzial von mobilen Lernbegleitern vor allem in der Verzahnung mit dem traditionellen Präsenzunterricht unterstreicht. Dazu bedarf es oftmals keiner komplexen technologischen Abläufe, sondern vielmehr der Gestaltung und Zulassung von einfachen mobilen Micro-Learning-Sequenzen.

 

Literatur

Feierabend, Sabine; Plankenhorn, Theresa; Rathgeb, Thomas: JIM 2014: Jugend, Information, (Multi-) Media – Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2014.
 
Friedrich, Katja; Bachmair, Ben; Risch, Maren: Mobiles Lernen mit dem Handy. Herausforderung und Chance für den Unterricht. Weinheim [u.a.]: Beltz 2011.
 
So , H.-J ., Kim I ., & & Looi , C.-K.: „Seamless Mobile Learning: Possibilities and Challenges Arising from the Singapore Experience.“ In: Educational Technology International, 9 (2) 2008, 9-121.
 
Specht, Marcus; Ebner, Martin; Löcker, Clemens: „Mobiles und ubiquitäres Lernen: Technologien und didaktische Aspekte.“ In: Ebner, Martin; Schön, Sandra  (Hrsg.): L3T: Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien, 2013.
 
Wiley, David: Openness, Dynamic Specialization, and the Disaggregated Future of Higher Education. 2009.

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