Neue Arbeitskulturen
Der Lockruf der Metropolen

Büro war gestern: Co-Working Spaces und Startup-Hubs nehmen immer größere Bedeutung ein.
Büro war gestern: Co-Working Spaces und Startup-Hubs nehmen immer größere Bedeutung ein. | Foto (Zuschnitt): © Adobe

Um sich als attraktiver Lebensmittelpunkt zu präsentieren, setzen Deutschlands urbane Zentren auf innovative Angebote für die Arbeitswelt von heute.

Startups, Freelancer, Digitalnomaden – die Digitalisierung der Arbeitswelt hat auch die Ansprüche an räumliche Arbeitsumgebungen verändert. Bürogebäude mit langen Teppichboden-Korridoren, in denen der Arbeitstag mit dem Zeitstempel beginnt, sind für viele Arbeitskräfte längst nicht mehr attraktiv. Unternehmensgründer und Selbständige suchen vor allem in den Städten nach dem passenden Umfeld für ihre Tätigkeit und lassen sich lieber in Startup-Hubs und Co-Working-Spaces nieder. Ihren Wünschen gerecht zu werden erfordert von Planern und Stadtentwicklern innovative Ideen. Deutsche Metropolen setzen dabei vor allem auf den Ausbau von Infrastruktur und familienfreundlichen Angeboten, aber auch grüne Initiativen machen Städte für Bewohner attraktiver.

Grüne Metropole im Bergbaugebiet

In keiner anderen deutschen Region lässt sich der Wandel am Arbeitsmarkt so deutlich nachvollziehen wie im Ruhrgebiet. Wo früher Industrie und Bergbau den Ton angaben, boomen jetzt der Handel und der Dienstleistungssektor. Die Stadt Essen hat den Strukturwandel vom Industriegebiet zum Innovations-Hotspot besonders erfolgreich vollzogen. Die Wirtschaftsleistung ist im Zeitraum 2005 bis 2015 um fast 30 Prozent gestiegen. Das ist deutlich höher als der Bundesdurchschnitt, und das Pro-Kopf Einkommen ist das höchste im gesamten Ruhrgebiet. Zudem ist es Essen gelungen, sein Image von der Kohle-Stadt zur grünen Metropole zu wandeln. 2017 wurde die Stadt zur „Grünen Hauptstadt Europas“ deklariert. Eine Vielzahl an Maßnahmen hat Essen nicht nur grüner gemacht, sondern bietet den Einwohnern auch neue Möglichkeiten bei der Freizeitgestaltung. Mit dem „Seaside Beach Baldeney“ wurde nach mehr als vierzig Jahren erstmals wieder eine Badestelle in der Ruhr in Betrieb genommen. Um den Baldeneysee führt nun ein fast 30 km langer Wandersteig. Direkt in der Stadt gibt es zudem Initiativen zur Begrünung. Mittlerweile sind 42 Prozent der Stadt Grünfläche und 12 Prozent Erholungsraum. Davon profitieren nicht nur die Bewohner, sondern auch der Tourismus: Essen verzeichnete 2017 rund 7,5 Prozent mehr Besucher als noch im Jahr zuvor.

Arbeitsalltag im Co-Working-Space

Berlin präsentiert sich indes als deutsche Startup-Hauptstadt. Zugang zu Venture Capital und niedrige Büromieten lassen junge Unternehmer in Scharen in die Stadt strömen, jährlich gibt es rund 500 Neugründungen im Tech-Bereich. Damit alle genug Platz haben, werden alte Industriegebäude in modernen Arbeits- und Kreativraum umgewandelt, der Künstler wie Programmierer gleichermaßen anzieht.So tummeln sich beispielsweise im Co-Working-Space KAOS Oberschöneweide (früher das Transformationswerk Ost) Grafik-Designer und Softwareentwickler Seite an Seite mit Braumeistern und Schmieden. Freiberufler finden dort schon ab 125 Euro pro Monat einen Arbeitsraum – das ist weniger als ein Garagenstellplatz in vielen anderen europäischen Städten kostet. Wer gerne flexibel bleibt, kann sich in anderen Co-Working-Spaces ab 15 Euro pro Tag einquartieren, zum Beispiel im Innovation Space von Ahoy!. Startups und Freelancern steht in Berlin damit ein breites Angebot an finanzierbarer Bürofläche zur Verfügung. Doch die Hauptstadt punktet auch hinsichtlich Umwelt, Kultur und Infrastruktur. Der Global Liveability Index 2018 der Zeitschrift Economist rankt Berlin als eine der 30 lebenswertesten Städte der Welt, gemeinsam mit Frankfurt, Hamburg, München und Düsseldorf. 

Gütesiegel für Familienfreundlichkeit

Hamburg, ebenfalls ein Startup-Hotspot, will vor allem jungen Familien ein angenehmes Arbeitsumfeld bieten. „Attraktive Lebensbedingungen für Familien sind ein wichtiger Standortfaktor gerade auch für qualifizierte Fachkräfte“, so die Hamburger Familiensenatorin Melanie Leonhard. Um Unternehmen auf die Vorteile von familienfreundlicher Mitarbeiterführung aufmerksam zu machen, verleiht die Stadt seit 2007 das Familiensiegel. Damit werden Betriebe ausgezeichnet, die ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Karriere mit einem erfüllenden Familienleben zu vereinbaren.Währenddessen investiert die Stadt selbst zunehmend in Familienangebote. 2018 gibt Hamburg rund eine halbe Milliarde Euro für Bildung und Kinderbetreuung sowie Wissenschaft und Innovation aus. 160 Millionen davon sind alleine für die Kindertagesstätten vorgesehen, zudem gibt es ein breites Ganztagsschulangebot. Bereits 2017 wurde die Hansestadt zur familienfreundlichsten Stadt Deutschlands gekürt. 
 
Was die Work-Life-Balance der Bewohner betrifft, sind es allerdings nicht die Millionenstädte, die am besten abschneiden. Das Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu räumt hier Karlsruhe den ersten Platz ein, gefolgt von der Studentenstadt Münster. Dort profitieren Arbeitnehmer vor allem von flexiblen Arbeitszeiten und der Möglichkeit, aus dem Home-Office zu arbeiten. Für Menschen, die eher nach einem festen Arbeitsplatz als nach Selbständigkeit streben, muss es also nicht unbedingt gleich Hamburg oder Berlin sein.