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Berlinale-Blogger 2020
Das Recht auf Liebe im Alter

Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung
Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung | Foto (Detail): © New Voice Film Productions

Pak und Hoi sind Musterbeispiele fürsorglicher Familienpatriarchen, die sich zufällig in Hongkong begegnen. Und sich ineinander verlieben. Warm und feinfühlig beleuchtet der Film „Suk Suk“ ihre romantische Beziehung.
 

Von Chen Yun-hua (陈韵华)

Der in Hongkong geborene Regisseur Ray Yeung präsentiert auf der Berlinale seinen Film Suk Suk (叔叔) über eine späte Liebe zwischen zwei Männern und Familienvätern im Großvater-Alter. In ihrem Alltag bekommen sie die Ablehnung der Gesellschaft zu spüren. Trotzdem nehmen sie sich die Freiheit, romantisch und verliebt zu sein. Ein Film über das Recht auf Liebe im Alter.

Ray Yeung, Sie kannten Travis Kongs „Oral Histories of Older Gay Men“ in Honkong. Wie kam es zu dem Ihrem Film?

Travis Kong ist ein Freund von mir. In seinem Buch wurden ältere homosexuelle Männer im Alter zwischen 60 und 80 interviewt – dieses Thema gab es im Film bislang noch nie. Mit einigen habe ich mich getroffen und stieß darüber auf die Selbsthilfegruppe „Gay and Grey”. Das Drehbuch schließlich ist eine Mischung, zu der die Gespräche mit ihnen und meine eigene Vorstellung beigetragen haben.

Die Gefühle der Familienmitglieder im Film sind alle sehr kontrolliert. Welche Gründe führten zu dieser Art der Darstellung?.

Ich wollte eine liebe- und verantwortungsvolle Atmosphäre innerhalb der Familien zeigen, die es den beiden Protagonisten schwer macht, das alles aufzugeben. Den sprichwörtlichen Elefant im Zimmer, von dem zwar alle wissen, aber von dem niemand spricht, sollte man sehen. Die Heirat von Paks Tochter ist eine Hommage an den Regisseur Ozu, den ich liebe, denn dass der Vater seine Tochter verheiratet, ist ein wichtiges Element in seinen Filmen.

Die im Film dargestellte explosive Dramatik trifft man im wirklichen Leben eher selten. Wenn die Leute streiten, dann über weniger wichtige Dinge. Sie vermeiden, das Problem direkt anzusprechen, besonders in diesem Alter. Genau diese Situation in einer typisch chinesischen Familien wollte ich untersuchen.

Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung | Foto (Detail): © New Voice Film Productions
Besteht die Schwierigkeit darin, zwischen dem Ich und der Verantwortung gegenüber der Familie zu entscheiden?

Ich habe einige Männer getroffen, die sehr früh schon ihr Comingout hatten und nie geheiratet haben. Sie wurden von ihren Familien total abgelehnt, sodass sie jetzt auf Organisationen für Homosexuelle oder Sozialhilfe angewiesen sind. Im Westen herrscht die Ansicht, dass man in erster Linie sich selbst gegenüber verpflichtet ist und sein Leben selbstbestimmt führen muss. Doch der Preis dafür kann sehr hoch sein. Nachdem ich das gesehen habe, kann ich die Homosexuelle, die geheiratet und Kinder bekommen haben, nicht mehr einfach verurteilen. Vielleicht leben sie in einer Lüge, aber die Liebe zwischen ihnen und der Familie ist auch echt.

Wie haben Sie die Vertrautheit zwischen den beiden Darstellern Tai Bo und Ben Yuen hergestellt, die oft durch Blicke und Berührungen kommunizieren?

Ich habe ihnen viel Hintergrund zu ihren Rollen geliefert. Wovor sie Angst hatten, waren Küsse und Sexszenen, vor allem Tai Bo, der sonst in Actionfilmen und Komödien spielt. Bei der Saunaszene habe ich ihnen gesagt, sie sollen es wie beim Tanz machen: die Hand auf die Schulter legen, sich nach vorn bewegen, in Brusthöhe zusammenstoßen – das haben wir mehrmals geübt, bis es nicht mehr peinlich wirkte. Und am Schluss sollten sie die ganze Technik vergessen, was Ihnen wirklich gut gelungen ist.
Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung Szene aus dem Film „Suk Suk”, Regisseur Ray Yeung | Foto (Detail): © New Voice Film Productions
Im chinesischsprachigen Film kommt die gleichgeschlechtliche Liebe älterer Menschen bisher gar nicht vor. Woran liegt das?
 
In der chinesischen Kultur gesteht man alten Menschen generell keine Sexualität zu. Wenn sie solche Wünsche haben, hält man das für abnorm, besonders bei älteren Frauen, denn die sollen nur für ihre Familie sorgen. Ich denke, das ist wirklich ein dringendes Thema.

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