Autor*in des Monats

Das Goethe-Institut lädt herzlich zur Ausstellungs-Aktion Autor*in des Monats, ein Projekt unserer Bibliothek.

Jeden Monat wird einem*er Schriftsteller*in der deutschsprachigen Literatur geehrt. Als Ansatzpunkt der monatlich rotierenden Ausstellung, dient der Geburtstagsmonat eines*r bekannten Schriftstellers*in. Es wird ein kleiner Bereich mit Informationstext zur Person eröffnet, der auch entsprechende Werke aus unserem Bibliotheksbestand ausstellt.

Ziel dieser Aktion ist, die Medien der Bibliothek zum Leben zu erwecken und einen Begegnungsort zwischen Publikum und Schriftstellern*innen aus verschiedenen Epochen zu schaffen. So bekommt der/die Besucher*in zu den Werken gleich ein Gesicht vor Augen und kann sie bereits mit einem kleinen Hintergrundwissen lesen.

So wie alles im Goethe-Institut, ist diese Ausstellung natürlich zweisprachig (Deutsch und Portugiesisch).

Foto: Joseph Roth © Kiepenheuer & Witsch © Kiepenheuer & Witsch * 2. September 1894 in Brody, Galizien (ehem. Österreich-Ungarn, heutige Ukraine) – † 27. Mai 1939 in Paris

"Nie verriet der Künstler Joseph Roth die Natürlichkeit der Sprache an die Kunst. Er schreibt ein kristallklares Deutsch, das Kraft und Anmut zu paaren wusste, unfehlbar sicher in Wort und Wendung, lichtstark ohne falschen Glanz, musikalisch in Satzbau und Fügung, reich an kleinen stilistischen Zaubereien und Freiheiten, aber auch fähig des weiten Schwungs, der großen Steigerung. Er hatte alles, was den Schriftsteller legitimierte […] er hatte Leidenschaft, Geist und Mut." - Alfred Polgar
 
Joseph Roth zählt zu den renommiertesten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, dem sein Werk noch mehr Bewunderung und Respekt einbrachten, als es vom Entsetzten über seine traurige Selbstvernichtung hätte erschüttert werden können. Zu Lebzeiten rieb er Schultern mit den Größten der Weltliteratur, darunter Stefan Zweig, Heinrich Mann und Ludwig Marcuse, nach seinem Tod machten es sich zahlreiche Literaten zur Aufgabe, sein Leben und Werk zu erforschen, welches von ihm selbst in immer neuen Varianten überliefert wurde, bis es schließlich fasst den Status eines Mythos erreichte.

Der Beginn der sich ständig wandelnden Wahrheiten in seiner Biografie wird in seiner Kindheit vermutet. Moses Joseph Roth kam als Sohn jüdischer Eltern in Galizien, einer nord-östlichen Grenzregion des Kaiserreichs Österreich-Ungarn auf die Welt, in einer Zeit, in der sich diese Gegend durch schwere Armut einerseits, und einen großen kulturellen Reichtum andererseits auszeichnete.

Unter den vielen dort ansässigen ethnischen Gruppen gehörte er zu den sogenannten Ostjuden, und kam schon in seiner Kindheit mit Antisemitismus in Kontakt. Hinzu kam, dass die psychische Gesundheit seines Vaters noch vor der Geburt Joseph Roths einen Zusammenbruch erlitt, die ihn für den Rest seines Lebens davon abhielt am familiären Leben teilzunehmen, Roth wuchs vaterlos auf. Schon als Schüler und Student begann er die verschiedensten Versionen des Schicksals seines Vaters, seiner Familie und seines eigenen Lebenslaufes zu erfinden. Wenn Kollegen ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wollten, konterte er mit der Behauptung: "Es kommt nicht auf die Wirklichkeit an, sondern auf die innere Wahrheit."
Nach einem Germanistik Studium und ersten journalistischen Tätigkeiten in Lemberg und Wien, diente Roth für ein Jahr als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, nach seiner Rückkehr zog er mit dem Anliegen Schriftsteller zu werden zunächst nach Berlin. Hier mietet er zusammen mit seiner Ehefrau, Friederike "Friedl" Reicher, für einige Zeit eine Wohnung im Stadtteil Schöneberg. Es sollte der einzige feste Wohnsitz des Schriftstellers bleiben, denn kurz darauf begannen ausgedehnte Reisen nach Frankreich, Österreich, Italien und schließlich durch ganz Europa, bei denen er als Reisereporter für verschiedenen Publikation tätig war und sich an ein transientes Leben in Hotels und Gasthäusern gewöhnte.

In den 20er Jahren gehörte Joseph Roth zu den gefragtesten Journalisten im deutschsprachigen Raum und schrieb unter anderem für das Prager Tageblatt, den Berliner Börsen-Courier und nicht zuletzt für die renommierte Frankfurter Zeitung, von der er einmal stolz sagte: "Bei der Frankfurter Zeitung schreibt man nicht für den Leser, sondern für die Nachwelt." Nicht mit diesem Ruhm zufrieden, ließ ihn sein Ehrgeiz den Traum vom Schriftsteller sein nicht aufgeben, und so erschien, nach den ersten lyrischen Versuchen seiner Jugend und verschiedenen Erzählungen, sein erster Roman Das Spinnennetz (1923) zunächst als Fortsetzungsroman in der Wiener Arbeiter Zeitung. Die darin geschilderte Geschichte von dem Kriegsrückkehrer Theodor Lohse, der durch Zufälle in eine geheime Organisation gerät, in der er durch Heucheleien und Verbrechen an Einfluss gewinnt, ist eine sozialkritische Beobachtung der Ereignisse in der Weimarer Republik, die noch vor ihrer Fertigstellung von der Realität eingeholt wurde, als Ludendorff und Hitler im November 1923 in München einen Putschversuch starteten.

Unter den Pseudonymen "Roter Joseph" und "Josephus" schrieb er zahlreiche Beiträge für sozialistische Publikationen wie Der neue Tag, Lachen Links und Vorwärts, in denen er zwar klare politische Stellung nimmt, sich jedoch von den extremen Polen der kommunistischen und nationalistischen Lager fernzuhalten weiß. Mit Besorgnis beobachtet und dokumentiert er die Geschehnisse in Deutschland und ahnt früh eine Eskalation der Aggressionen und einen erneuten Kriegsausbruch.

Mit der Veröffentlichung des Romans Hotel Savoy (Die Schmiede, 1924), wieder ein Fortsetzungsroman, dieses Mal zunächst in der Frankfurter Zeitung gedruckt und kurz darauf in Berlin als Buch veröffentlicht, errang er als Schriftsteller internationale Anerkennung. Die zentrale Thematik des Romans ist die Heimatlosigkeit, die für Roth sein Leben lang eine wichtige Rolle spielte. Der Untergang des österreichischen Kaiserreichs war für den überzeugten Monarchisten ein schwerer Schlag, den er unter anderem in den Werken Radetzymarsch (Kiepenheuer, 1932) und die Kapuzinergruft (De Gemeenschap, Bilthoven 1938) verarbeiteten.

Auch als Ostjude fühlt er diese Heimatslosigkeit, selbst wenn er sich im späteren Leben als Katholik bezeichnete, ehrte er seine jüdischen Wurzeln unter anderem mit dem Werk Hiob. Roman eines einfachen Mannes (Kiepenheuer, 1930). Die Widersprüche in seinen politischen, religiösen und gesellschaftlichen Überzeugungen lassen die Komplexität seiner inneren Suche erraten. Der Roman Die Flucht ohne Ende (Wolff, 1927) geht näher auf dieses Thema ein und ein Zitat Roths macht die Spaltung seines Wesens besonders deutlich: "Ich bin ein Franzose aus dem Osten, ein Humanist, ein Rationalist mit Religion, ein Katholik mit jüdischem Gehirn."

Sein professioneller Aufstieg und der damit einhergehende materielle Aufschwung standen im Kontrast zu den Schwierigkeiten in seinem privaten Leben - wie sein Vater erlitt auch seine Frau Friedl einen dramatischen psychischen Verfall. Trotz aller Mühen des Autors eine effektive Behandlung zu finden, verblieb Friedl letztendlich als unheilbar diagnostiziert in einem Sanatorium in der Nähe von Wien, wo sich ihre Lage weiter verschlechterte. 1940 fand ihr Leben als Opfer der T4 Morde unter den Nationalsozialisten in der Tötungsanstalt Hartheim ein tragisches Ende.

Die Erkrankung seiner geliebten Frau war für Roth nur schwer zu verkraften. Schon immer einen Hang zum Trinken, verfiel der weltberühmte Schriftsteller nun gänzlich dem Alkoholismus. Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichkanzler gewählt – noch am selben Tag flieht Roth von Berlin zunächst ins Pariser Exil und es beginnt seine jahrelange Flucht. Er drückt gegenüber einem Freund seine wachsende Befürchtungen aus: "Sie werden unsere Bücher verbrennen und uns damit meinen. Wir müssen fort, damit es nur Bücher sind…"

Im Exil nahm der Verfall des gefeierten Dichters, trotz aller Bemühungen seiner vielen Freunde und Bewundere seinen Lauf. Der ständige Alkoholkonsum und das permanente Reisen begannen dem Autor zwar körperlichen und finanziellen Zoll abzuverlangen, hatten jedoch keine negativen Auswirkungen auf das kreative Schaffen des Autors. In den Jahren 1934-1939 schrieb er sechs Romane, vier Novellen und unzählige Berichte, Erzählungen und Briefe, darunter einige seiner besten Werke. Sein letztes Werk Die Legende vom heiligen Trinker (Allert de Lange, Amsterdam 1939) endet mit den Worten "Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!" – ihm selbst stand dieses Privileg nicht zu, er starb im Delirium an den Folgen seiner Alkoholkrankheit in einem Pariser Armenkrankenhaus.

Schon zu Lebzeiten wurde das Werk in diverse Sprachen übersetzt und im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrfach von internationalen Filmemachern verfilmt. In der Potsdamer Str. in Berlin befindet sich die Joseph-Roth-Diele in der dem Schriftsteller mit Bildern und Texten ein Andenken gesetzt ist.
 

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„Der Begriff »Fortschritt« allein setzt bereits die Horizontale voraus. Er bedeutet ein Weiterkommen und kein Höherkommen.“

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„Er übertraf die Erwartungen, die er niemals auf sich gesetzt hatte.“

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„Ich kenne glaube ich, die Welt nur wenn ich schreibe und, wenn ich die Feder weglege, bin ich verloren."

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„Wenn man nur die Träume seiner Kindheit findet, ist man wieder ein Kind."

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„Das Diminutiv ist eben eindrucksvoller als die Monumentalität des Ganzen."
 

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