Kreativquartiere – Städte entdecken neue Impulse für ihre Entwicklung


In Zeiten einer fortschreitenden Globalisierung sehen sich Metropolen einem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Behaupten können sich vor allem jene Städte, die als kreativ wahrgenommen werden. Mit der Entwicklung neuer Kreativquartiere versprechen sie sich wesentliche Impulse für ihre Zukunftsfähigkeit.




Städte stellen die Förderung der Kultur- und Kreativbranche ins Zentrum ihrer stadtplanerischen Konzepte. Sie gehen heute davon aus, dass lebendige kreative Milieus wesentlich zur Attraktivität und zum Erfolg der Stadt beitragen. Dies ist nicht neu. Künstler und Kulturschaffende prägten seit jeher nachhaltig urbane Lebensräume. Neu aber ist, dass die kreativen Akteure auch als wirtschaftliches Potenzial der Stadtentwicklung entdeckt werden. Dies kommt nicht von ungefähr. So hat sich die Kultur- und Kreativwirtschaft als eine der wichtigen deutschen Wirtschaftsbranchen etabliert. Diese Branche ist vielfältig. Zu ihr gehören nicht nur Künstler, Kulturschaffende und Galeristen, sondern auch Unternehmen aus den Bereichen Architektur, Film, Musik, Werbung und dem Verlagswesen. Die Städte sind aufgefordert, neue Ideen und Strategien für Räume zur Entfaltung kreativer Milieus zu entwickeln.

Offene Räume




Eine Studie der Stadt Hamburg zu diesem Anlass zeigt auf, dass sich kreative Milieus an Orten bilden, an denen sehr unterschiedliche Stadteile und andersartige Nutzungen aufeinandertreffen. Zudem haben die Verfügbarkeit von Räumen und deren offene Nutzungsmöglichkeit wesentlichen Einfluss. Dies erklärt, warum sich Akteure aus den kreativen Bereichen auf den Industrieflächen am Hamburger Oberhafen in Büros und Hallen eingemietet haben. „Der Ort hat für Außenstehende etwas aufregend Verruchtes“, beschreibt einer der Pioniere den Reiz des Ortes. Hier finde er „eine ehrliche Fläche, die für alles zu haben ist“. Weite Teile des Areals werden noch bis 2015 gewerblich genutzt werden. Dann wird die Stadt das 6,7 Hektar große Areal als Quartier für die dauerhafte kulturelle und kreativwirtschaftliche Nutzung entwickeln. In einem offenen Planungsprozess werden neue Strategien erprobt.

Kreativquartier München




Leer stehende Industrieareale und die Verfügbarkeit planungsfreier Räume sind in München eine Seltenheit. Bereits im 19. Jahrhundert wurde München zur Kunststadt erklärt. Aufgrund des enormen Wachstums der Stadt ist die Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum auf den wenigen verbleibenden städtischen Flächen groß. Für Künstler und Kulturschaffende bleibt wenig bezahlbare Fläche.
 
 
Um sich nicht nur als Kunststadt zu behaupten, sondern als kreative Stadt neu zu formulieren, wird nun ein Kreativquartier entwickelt. Dauerhaft soll es der freien zeitgenössischen Kunstszene und Akteuren der Kreativwirtschaft Raum für die Entwicklung, Produktion und Präsentation bieten. Mit einem ehemaligen Militär- und Industrieareal wurde ein passendes Grundstück dafür gefunden. Das 20 Hektar große Gebiet liegt inmitten der Stadt. In unmittelbarer Nähe befinden sich ein lebendiges Wohnquartier, der Olympiapark, die Hochschule München und die Zentrale des Goethe-Instituts. Schon lange wurden Gebäude auf diesem Areal von Künstlern in Zwischennutzung belebt. 

Mischung der Nutzungen

An der Planung des Projektes sind drei Referate der Stadtverwaltung beteiligt, die unterschiedliche Interessen geltend machen. Die Stadtplanung sieht ihre prioritäre Aufgabe in der Schaffung von mindestens 900 zentrumsnahen Wohnungen. Die kreative Nutzung soll in den beiden Industriebaudenkmälern, der Jutier- und der Tonnenhalle, zum Kern des Überplanungsgebietes werden. „Hier besteht die Chance, neue Formen der Stadtplanung zu versuchen, wo kreative Arbeit, Kultur und Wohnen unter dem Begriff des Lebens zusammengefasst werden können. Die Chance, urbanes Leben zu gestalten“, so der Kulturreferent Georg Küppers. Eine Mischung unterschiedlicher Nutzungen erhöht die Lebensqualität eines Stadtquartiers. Der Kreativsektor setzt dabei Impulse, die von anderen Nutzungen nicht ausgehen können. Darin sind sich die unterschiedlichen Interessenvertreter einig.
Die Planung ist in vollem Gange. Ein städtebaulicher Wettbewerb wurde ausgelobt. Das Kulturreferat eröffnete mit ersten Veranstaltungen einen offenen Entwicklungsprozess, der lokale Akteure einbindet und sich Anregungen von Beispielen erfolgreicher Kreativquartiere in anderen Städten einholt.

Prägnante Räume in anderen Städten



Diese Beispiele zeigen, dass neben der Offenheit der Räume vor allem ihre architektonische Qualität und wahrnehmbare Prägnanz für den Erfolg von Kreativquartieren von Bedeutung sind. Das Kreativquartier der Baumwollspinnerei in Leipzig hat sich im einzigartigen architektonischen Ensemble der ehemaligen Fabrikstadt zu einem international bekannten Zentrum der Kunstproduktion entwickelt. Jährlich zieht es 100.000 kulturinteressierte Touristen an. Hier wurde der Begriff der Leipziger Schule geprägt, deren Künstler große internationale Beachtung finden. Das Interesse lockt weitere Akteure in die Stadt. Sie schaffen ein besonderes Milieu. „Künstler schälen den Geist des Ortes heraus und prägen dabei den Ort“, so Bertram Schulze, Geschäftsführer der Verwaltungsgesellschaft. Er ist bereits mit einem neuen Kreativquartier auf dem ehemaligen AEG Gelände in Nürnberg beschäftigt. Der architektonisch wertvolle Umbau der Dortmunder Union Brauerei zum Kunst- und Medienzentrum „Dortmunder U“ und der viel prämierte weiße Betonkubus des japanischen Architekturbüros SANAA in Essen sind sichtbare Marken für den tief greifenden Wandlungsprozess des Ruhrgebiets zu einer „kreativen“ Region.



Die Attraktivität einer Stadt wird sich zukünftig an ihren kreativen Milieus messen lassen. Die Entwicklung von Kreativquartieren allein kann der Förderung derer nicht gerecht werden. Sie leisten dafür aber geeignete Impulse und bieten der Stadtplanung die Chance, neue Strategien und Konzepte zur Entwicklung lebendiger Quartiere zu erproben.