Von Peperoni, Paprika und Chili
So schmeckt Amerika

Pimientochile oder ají – Paprika, Peperoni, Chili oder gar Pfefferschote: Im Spanischen wie im Deutschen bezeichnen verschiedene Namen ein vielfältiges Gemüse. Als eines der international beliebtesten uramerikanischen Nachtschattengewächse prägt es auch die Kultur des Kontinents.

Während der Genueser Seefahrer Christoph Kolumbus die Meere bereiste, um nach neuen Handelsrouten zu suchen, lernte er in der Karibik eine neue Art von Früchten kennen. Da sie ihn an den damals in Europa bereits bekannten Pfeffer erinnerten, nannte er sie – angelehnt an das spanische Wort Pimienta – kurzerhand Pimientos. Mit Kolumbus’ Rückkehr im Jahr 1493 gelangte die Paprikapflanze nach Europa. Schnell gewöhnte sie sich an die iberischen und italienischen Böden und wurde mit dem Namen Peperoncino auch in die italienische Sprache aufgenommen. Von da an sollte das Gemüse aus der „Neuen Welt“ dem allseits begehrten Pfeffer seinen Rang streitig machen.

Durch Belege aus verschiedenen amerikanischen Ländern konnte nachgewiesen werden, dass die Paprika schon seit über sechstausend Jahren Verwendung findet. Das farbenfrohe Gewächs trägt rote, gelbe und grüne genauso wie orangene Früchte. Es gedeiht bei Temperaturen ab 20 Grad Celsius und passt sich mühelos an jede Umgebung an.

Ají, wohin du auch gehst

Heute trägt die Frucht, die Kolumbus auf dem Kontinent auffand, der später „Amerika“ heißen sollte, viele Namen, darunter solche wie: Morrón (Argentinien und Uruguay), Ají guao (Kuba), Chile (Mexiko), Pimiento oder Pimentón (Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Chile), Rubra oder Biquinho (Brasilien), Ajicito (Puerto Rico), Ají chombo (Panamá), Locote (Paraguay), Chiltoma (Nicaragua) oder Gustoso (Dominikanische Republik). Sie wird als Gemüse gegessen oder als Gewürz verwendet. In der Zubereitung taucht sie roh genauso auf wie gegrillt, gekocht, gefüllt, getrocknet, gebacken oder zu Pulver vermahlen. Ein Gemüse also, das Territorien markiert und die Gemüter unterscheidet. Denn von süß bis extrem scharf bedient es alle Geschmäcker.

In Mexiko findet sich ein Ausdruck, der von der Macht der kleinen Chilis zeugt: Enchilarse, beschreibt den Zustand, bei dem das Brennen auf der Zunge zu spüren ist und die typischen Reizsymptome von zu viel Schärfe auftreten. Wer sich so den Mund „verbrennt“, wird vielleicht leiden und trotzdem Gefallen am Geschmack finden. Und wer in einen Chili oder eine scharfe Peperoni beißt, weiß, was ihm bevorsteht: Die Geschmackspapillen senden Hitzesignale, die Zunge schmerzt, schwillt an – oder freut sich. Denn während die einen schon beim Anblick eines Chilis zu schwitzen beginnen, fänden andere ein Leben ohne ihn ziemlich fade.

In und um die Region des Río de la Plata, Argentinien, werden Pimientos, in italienischer Tradition, auf der Pizza gegessen. Daneben finden wir die Soße Chimichurri aus feingehacktem Chili, Petersilie, Oregano, Knoblauch, Essig, Öl und Salz als unerlässliche Beigabe zu gegrilltem Fleisch. In Chile wiederum wird zu Brot oder Sopaipillas, das sind in Öl herausgebackene Kürbismehlfladen, gerne Pebre gereicht. Je nach Region können dessen Schärfe und Zutaten variieren, typischerweise enthält er jedoch Chili, Knoblauch, Zwiebeln, Öl, Essig und Salz.

Natürlich kennt auch die Küche Mexikos verschiedene Verwendungsformen für seine Chiles: Pico de gallo – aus Tomaten, Zwiebeln und dem scharfen Jalapeño, dessen Farben mit denen der mexikanischen Flagge übereinstimmen – dient als Dip für Tortilla-Chips und Fleisch. Zu Tacos, einem Grundbestandteil fast jeder Mahlzeit in diesem Land, gibt es Soßen aus roten oder grünen Chilis.

Wer nach Bolivien reist, darf sich eine scharfe Paste namens Ilajua nicht entgehen lassen. Aus regionalen Chilisorten und Tomaten zubereitet, wird sie zu Empanadas und Fleisch gegessen. Peru hat der Welt verschiedene Rezepte wie den sogenannten Ají de gallina vermacht: Dafür wird eine gelbe Chilisorte im Mixer zerkleinert und zusammen mit Hühnerfleisch, Knoblauch, Pfeffer, Zwiebeln und anderen Zutaten in einem der schmackhaftesten Gerichte der lateinamerikanischen Küche vereint. Und auch Kolumbien kennt seine eigenen Ají-Rezepte. Manche sind ganz und gar alltäglich, werden zu Hause gekocht, auf den Speisekarten von Restaurants und Imbissen im ganzen Land angeboten, zu Reis und Kartoffeln, in Salaten oder Empanadas gegessen. Zu den Besonderheiten gehört, unter anderem, der Ají de maní aus Erdnüssen, Chili, Zitronensaft, Zwiebeln und Ei.

Unter verschiedenen Rezepten, die in Venezuela verbreitet sind, ist der Ají dulce aus einer milden Peperonisorte der größte gastronomische Stolz des Landes. In Kuba wird auf der ganzen Insel gern die mit Reis gefüllte Paprika gegessen. In El Salvador wiederum wären Tamales ohne Ají undenkbar.

Ob wir große milde Paprika oder kleine scharfe Chilis meinen, die Formen und Möglichkeiten ihrer Zubereitung sind unzählig. Und was den englischsprachigen Teil des Kontinents angeht, sind die Vereinigten Staaten der größte Importeur weltweit. Hier werden Paprika und Peperoni aus Kanada, Mexiko, Peru und anderen Ländern konsumiert. Zudem rühmt man sich, mit der Marke „Tabasco“ eine der meistgekauften scharfen Soßen anzubieten, deren Haltbarkeitsdauer kaum zu überbieten ist.

Kulturelle Würze

Auf seiner Reise im Jahr 1493 notierte Kolumbus in sein Tagebuch: „Es wächst auch viel ají, was ihr Pfeffer ist, der mehr taugt als Pfeffer, und alle essen ihn zu jeder Mahlzeit, weil sie sie für sehr gesund halten: Fünfzig Schiffe könnten auf der Española pro Jahr damit beladen werden.“ Seitdem hat das variationsreiche Gemüse in Literatur, Musik, Kino und Poesie Eingang gefunden. Während der Wein zu Gedichten und Gedankengängen Anlass gab, wurde dem Ají und seinen Eigenarten eine Unmenge an Liedern gewidmet, darunter zum Beispiel: „Cali ají“ von der kolumbianischen Salsaband Niche, Charanga-Kompositionen wie „Ají picante“ vom Kubaner Manolín Morel, Folklorelieder wie „Pimiento“ vom Chilenen Víctor Jara, „Chiles verdes“ von der mexikanischen Gruppe Mono Blanco, „Chiles rellenos“ im Pop-Ska-Stil vom Kolumbianer Cabas, „Ají tití“ von der dominikanischen Rokabanda und sogar das sozialkritische Lied „El hombre del ají“) der argentinischen Rockikone Lito Nebbia.

Als Protagonist hat es der ají auch in den Dokumentarfilm über die peruanische Küche „El ají, la sazón de los peruanos“ (2009) geschafft sowie in die Komödie „El Cebichito“ (2015) des peruanischen Regisseurs Martín Landeo. In diese Reihe gehört auch die kolumbianische Animationsfilmserie „Niña Ají“ (2012) über eine Jugendliche, die von ihren Mitschülern gemobbt wird, weil sie an der Stelle eines Herzens einen Chili in der Brust trägt. Und zum Thema Liebe hat der Ecuadorianer Galo Urbina den Film „Paella con ají“ (2007) gedreht, der die Geschichte eines Immigranten in Spanien erzählt, der sich zwischen einer Immigrantin aus seinem Land und einer spanischen Kellnerin entscheiden muss.

In der Bücherwelt tauchen Kolumbus’ Pfefferschoten nicht nur in Rezeptsammlungen auf, sondern werden auch zum wissenschaftlichen Gegenstand. So hat der Anthropologe Humberto Rodríguez Pastor in El ají peruano en sus regiones y pueblos verschiedene Aufsätze über die regionalen und lokalen Verwendungsarten des peruanischen Ají zusammengetragen, während der berühmte Schriftsteller und Journalist Juan Villoro in „Dramáticos placeres: el chile mexicano“ über die Bedeutung der mexikanischen Chiles reflektiert.

Heutzutage werden unter dem Label „Bio“ vorzugsweise Lebensmittel ohne Gluten, ohne gesättigte Fettsäuren, ohne Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel vermarktet. Was für eine bessere Ergänzung zu diesem Speiseplan ließe sich da finden als Ají, der in allen seinen Zubereitungsformen dem Körper, der Seele und den Künsten in absolut natürlicher Form Gutes tun kann.

* Dank geht an Bruna Dantas (Brasilien), Alejandro Cornejo (Peru), Antonio Brindicci (Kolumbien)