Serious Games
Die spielende Bibliothek

Lerninhalte spielerisch vermitteln
Lerninhalte spielerisch vermitteln | Foto (Ausschnitt): © shefkate – Fotolia.com

Gaming-Angebote sind in deutschen Bibliotheken mittlerweile weit verbreitet. Doch inwiefern kommen Spiele auch als Lerninstrument bei der Vermittlung von Informationskompetenz zum Einsatz?

Als prägendes Medium unserer Zeit erlangen Videospiele größere Bedeutung in der Wissens- und Kulturvermittlung und halten daher auch in Bibliotheken Einzug. Mittlerweile teilen sich Spiele die Regale mit dem Kulturgut Nummer eins, dem Buch. Zudem bieten viele öffentliche Bibliotheken die Nutzung ausgewählter Spiele in ihren Räumlichkeiten an oder richten Gaming-Events aus.

Für Bibliotheken liegt aber auch die Frage auf der Hand, inwiefern Games ihre Zweckbestimmung als Orte der Bildung unterstützen können. Denn Spiele haben das Potenzial, weit mehr zu sein als reiner Zeitvertreib. In verschiedensten Bereichen – von Gesundheit über Sport bis Politik – werden sie bereits zu Bildungszwecken eingesetzt. Die sogenannten Serious Games sollen den Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten erleichtern, indem sie Lerninhalte spielerisch verpacken.

Serious Games in der Teaching Library

Gerade die Entwicklung zur Teaching Library legt den Einsatz von Serious Games in der Bibliotheksarbeit nahe. Die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz gilt zunehmend als bibliothekarische Kernaufgabe, wobei das Konzept der Teaching Library weit über herkömmliche, einmalig durchgeführte Nutzerschulungen und -führungen hinausgeht. Weil Informationskompetenz als umfassende Fähigkeit des Informationsumgangs verstanden wird, schließen Schulungen der Teaching Libraries auch Internetressourcen und andere verfügbare Informationen und Medien ein. Mit ihren Bildungsangeboten sind Teaching Libraries in die Curricula kooperierender Schulen oder Hochschulen eingebunden.

Um den Aufgaben der Teaching Library gerecht zu werden, hat sich zuerst in den wissenschaftlichen Bibliotheken US-amerikanischer Universitäten eine ganze Reihe von Serious Games als geeignetes Werkzeug herausgebildet: von einfachen Quiz-Spielen, etwa The Data Game, bis hin zu komplexen, story-basierten Games, wie das aufwendige Online-Abenteuerspiel Quarantined! Axl Wise and the Information Outbreak, das eine Rechercheaufgabe simuliert.

Aufholjagd in Deutschland

„In Deutschland sind Serious Games zur Vermittlung von Informationskompetenz an Bibliotheken noch wenig verbreitet“, fasst Dr. Inka Tappenbeck, Professorin am Institut für Informationswissenschaft der Technischen Hochschule Köln, die Lage zusammen. Zwar gäbe es kleinere spielerische Elemente in verschiedenen Online-Tutorials, aber eigenständige Spiele existierten in diesem Bereich nur sehr wenige. Grundsätzlich sei der hohe Entwicklungsaufwand attraktiver Spiele ein Hindernis, gibt Ann Christine Marr zu bedenken, die sich in ihrer Masterarbeit mit dem Thema befasste. Denn Spieler seien ausgereifte virtuelle Welten gewohnt und erwarteten dies auch von Bibliotheksspielen. Es gäbe zwar mittlerweile einfach umsetzbare Geocaching-Spiele nach dem Prinzip von Schnitzeljagden, die jedoch den technischen Möglichkeiten hinterherhinkten. Auch die extreme Dynamik der Informationswelt erweise sich in der Spielentwicklung als problematisch. Derzeit stellen sehr viele Bibliotheken von klassischen Online-Katalogen auf Discovery-Systeme um. Diese basieren auf Suchmaschinen-Technologie und bieten Zugriff auf unterschiedliche digitale Informationsressourcen. Die neue Logik der Suche in den Lernspielen nachzuhalten, zieht einen hohen Bearbeitungsaufwand nach sich.

Deutsches Pilotprojekt zur Vermittlung von Informationskompetenz

Diese Hürde hatte die Universitätsbibliothek der TU Braunschweig zwar auch zu nehmen, dennoch scheint das in Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik sowie den Bibliotheken in Hannover und Clausthal entwickelte Spiel Lost In Antarctica auf dem besten Weg zur Vorreiterrolle in Deutschland zu sein: Bislang sind Ansatz und Umfang in Deutschland einzigartig. „Unter Mitwirkung von Studierenden verfolgten wir das Ziel, eine nachnutzbare, gamifizierte, modularisierte Blended-Learning-Lehrveranstaltung zur Vermittlung von Informationskompetenz zu schaffen“, erklärt Projektleiterin Dr. Simone Kibler das ambitionierte Projekt. Eingebettet in die Geschichte einer Antarktis-Expedition mit Flugzeugabsturz und -reparatur, vermittelt das Spiel in zwöf Levels unterschiedliche Themen der Informationskompetenz – von Recherche über Literaturverwaltung bis Urheberrecht. „Die Ausgewogenheit vielfältiger Spielmechanismen, wie etwa Avatar-Erstellung, Spielpunkte, Ranglisten oder das Sammeln und Austauschen von Gegenständen, sorgt für echte Spielerfahrungen, hat in der Entwicklung aber auch viel Herzblut gekostet“, betont Dr. Kibler. Für gute Lernerfolge arbeite man sehr eng mit dem Fachbereich zusammen. Das Spiel sei integriert in die Studienstrukturen, und der Spielverlauf werde von Präsenzveranstaltungen begleitet.

Intensive Diskussion über Gaming in Bibliotheken

Lost In Antarctica wurde mit dem dritten Preis des Best-Practice-Wettbewerbs zur Informationskompetenz gewürdigt und könnte den Stein ins Rollen bringen. Ann Christine Marr erwartet schon deshalb künftig eine weitere Verbreitung von Serious Games in der Teaching Library, weil sich Informationskompetenz gut für die spielerische Umsetzung eignet, und sich im Zeitalter der Smartphones weitere Möglichkeiten eröffnen werden, Spiele einfacher umzusetzen. Außerdem zwinge die jüngere, mit Spielen sozialisierte Generation zur stärkeren Auseinandersetzung mit dem Medium. Zudem beobachtet Dr. Tappenbeck eine intensive fachliche Diskussion über Gaming in Bibliotheken, die nicht zuletzt zu neuen Überlegungen über die Vermittlung von Informationskompetenz anregt.