|
10:00–18:00 Uhr
DBN Prelude – Dekolonial Gaze
Ausstellung|
-
Goethe-Institut China, Peking
- Preis Eintritt frei
Künstler*innen: Lisa Chang Lee, Charlotte Ming + Yangkun Shi, Tang Han, Tangent Collective, Yi Zhang + yietnu, Musquiqui Chihying
Kuratiert vom Decolonial Being Network (DBN)
Visualisierung: Cheng Yinhe
Dauer: 22. März - 1. Juni 2025, 10:00 - 18:00 Uhr, montags geschlossen
Ort: Goethe-Institut China (Originality Square, 798 Art District, No. 2 Jiuxianqiao Road, Chaoyang District, Peking, China)
Eintritt frei
Im Kontext der globalen Dekolonisierung gehen sechs chinesische Kunstschaffende in der Ausstellung „Dekolonisierte Sichtweisen“ der Frage nach, wie die Kolonialität die moderne chinesische Geschichte prägte und untergründig auch heute fortbesteht. Dementsprechend beschränkt sich die Ausstellung nicht auf einen räumlichen oder zeitlichen Erzählrahmen, sondern verbindet die Werke nach ihren Gemeinsamkeiten in der künstlerischen Praxis. Der Fokus liegt auf alltäglichen Gegenständen und ihren subtilen Spuren der Geschichte, die im gängigen Narrativ in Vergessenheit geraten sind. Damit unternimmt die Ausstellung eine Umformung der Subjektivität der Betrachtung, um aufzuzeigen, wie koloniale Denk- und Handlungsmuster in unserem Alltag nach wie vor wirksam sind – sei es in der materiellen Kultur, in der historischen Erinnerung oder auch in der modernen Technologie.
Kolonialität existiert nicht nur in großen historischen Erzählungen. Sie verbirgt sich auch in den Dingen, die uns gewöhnlich umgeben. In ihrer Serie „Miss Ginkgo“ untersucht Tang Han die Namensgebung und Migrationswege des Ginkgobaumes und deckt damit koloniale Anlagen im modernen botanischen Wissen auf. Lisa Chang Lee wiederum stellt in ihrer Installation „Folded Assemblage“ viktorianische Botanisier-Utensilien in Bezug zu Pflanzenfotos, um die historische Spannung zwischen weltweiter Migration und organischem Überleben zu visualisieren. Die im Anschluss daran entstandene Installation „Atlas der Welt“ verbindet eine östliche Maltradition, nämlich die feine Gongbi-Pinseltechnik, mit der westlichen Kolonialgeschichte und geografischen Darstellungen. Mit vielschichtigen künstlerischen Mitteln werden die verborgenen Seiten hinter der Migration und Klassifizierung von Pflanzen beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie koloniale Plünderungen die materielle Grundlage westlicher Kultur-Institutionen bilden. In der Installation „Trophäe“ setzt Musquiqui Chihying den 1860 bei der Plünderung des Sommerpalastes in Peking geraubten Pekinesenhund „Looty“ ins Zentrum und verwendet sein Bild für eine Hundemünze mit nicht-fungibler Kryptowährung.
Kolonialgeschichte ist nicht vergangen und abgeschlossen. Wie stark die schemenhafte Präsenz der Kolonialität auch in der heutigen Technologie und Globalisierung fortbesteht, macht die Ausstellung mithilfe vielseitiger, ineinander übergehender Dimensionen von Raum und Zeit deutlich. So verknüpft etwa das Mixed-Media-Projekt „Giant's Bamboo Dragonflies“ der Gruppe yietnu die moderne Geschichte der Stadt Zhanjiang mit halb-fiktiven Reiseerfahrungen, um die tiefgreifenden ökologischen Folgen von Energie-Infrastrukturprojekten aus der französischen Kolonialzeit zu untersuchen. Das Projekt „Currents“ von Charlotte Ming und Yangkun Shi verbindet mit drei Arbeiten aus Fotografie, Video und Postkarten die Stadt Qingdao mit Berlin und beleuchtet damit die Auswirkungen der deutschen Kolonialgeschichte auf das heutige Stadtbild.
Das Tangent Collective hat mit „Unstranded Archive“ außerdem ein institutions-unabhängiges, kontinuierlich fortgeführtes Digitalarchiv erstellt, in dem die Wege geplünderter Artefakte aus der Sicht von Erkenntnistheorie, Alltag und Kunst neu festgeschrieben werden. Von der Benennung des Ginkgobaumes über den Raub eines Pekinesen-Hundes bis hin zur Überlappung und Verflechtung der Geschichte zweier Städte geht es hier letztlich darum, eine Demontage und Rekonstruktion unserer Selbstwahrnehmung zu erzeugen. Kolonialität ist nicht zu Ende, und die Betrachtung aus neuen Blickwinkeln ist es, was unseren Widerstand ins Leben ruft.
„Dekolonial Gaze“ ist Teil des Projekts „DBN-Prelude“ und wird vom Projekt „Teehaus 798“ des Goethe-Instituts China unterstützt. Im Laufe der Ausstellung wird das DBN-Team versuchen, die Grey Cube, die Bibliothek und den öffentlichen Bereich des Goethe-Instituts in einen Gesamtraum umzuwandeln, der Ausstellung, Archivierung und soziale Vernetzung umfasst, um sowohl den Teilnehmenden als auch dem Publikum einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem sie sich mit den Theorien und Praktiken der Dekolonisierung vertraut machen können. Gleichzeitig sollen auch die Diskussion und der Austausch zum Thema Dekolonisierung im chinesischsprachigen Kontext gefördert werden.
Darüber hinaus plant das DBN-Team, im Mai dieses Jahres die Zwischenergebnisse in einer digitalen Publikation zusammenzustellen, die als erste Ausgabe einer DBN-Zeitschrift öffentlich zugänglich gemacht wird.
---------------------------------
Öffentliche Veranstaltungen
22. März, 14:00 / 16:00
Führung mit dem DBN-Team (Augustina Cai, He Yining)
23. März, 13:30 – 17:00
Workshop: Macht und Perspektiven in kolonialen Bildern
Gäste: Yangkun Shi + Charlotte Ming (online)
26. April, 13:30 – 15:00
Filmvorführung + Dialog: Gespräch zur Entstehung des Films „Fragments of the Land“ über Feldforschung und dekoloniales Denken
Gäste: Lisa Chang Lee, Yang Yunchang
Mai (Termin noch offen)
Vorstellung der DBN-Prelude-Publikation
31. Mai:
- 14:00 - 14:45
Führung für DBN-Mitglieder (Irene Ho)
- 15:00 - 17:00
Workshop: Path Rewriting – Wie sich eine Spur in Bilder und Tagebucheinträge verwandelt
Gast: Zhang Beichen
---------------------------------
Die Künstler*innen
Lisa Chang Lee, Künstlerin und Pädagogin, arbeitet in London und in Peking. 2004 absolvierte sie die Mittelschule der Pekinger Central Academy of Fine Arts (CAFA), darauf folgte 2010 ein Bachelor an der Central Academy of Fine Arts und 2014 ein Master of Fine Arts am Royal College of Art (RCA) in London. In ihrer künstlerischen Arbeit und ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit den überlappenden Bezügen von Soziologie und Naturgeschichte. Ausgehend von östlichen Philosophien unternimmt sie interdisziplinäre und fachübergreifende Zusammenarbeiten in den Bereichen Neomaterialismus, Anthropologie der Sinne und Biozentrismus. Ihre künstlerische Praxis umfasst Druckgrafik, Fotografie, Malerei, Bildhauerei, Bildmaterial, Klang-Installationen, Publikationen, Performances und forschungsbasiertes Kuratieren.
Charlotte Ming lebt als Journalistin, Autorin und grenzüberschreitende Künstlerin in Berlin. In ihren Arbeiten beschäftigt sie sich vornehmlich mit Themen wie Kolonialgeschichte, Erinnerungskultur, Migration und Identität. Ihre persönlichen Recherchen konzentrieren sich auf die deutsche Kolonialgeschichte ihrer Heimatstadt Qingdao und die Erinnerungskultur zwischen China und Deutschland. Diese Themen untersucht und präsentiert sie mit vielseitigen kreativen Arbeiten, darunter fiktionales Schreiben, Kunstwerke, historische Stadtführungen und Lebensmittelrecherchen. Charlotte Ming ist Mitbegründerin der Plattform Far&Near und setzt sich aus einer lokalen Perspektive mit chinesischen Bildern und visueller Kultur auseinander.
Yangkun Shi, geboren 1992, lebt und arbeitet in Shanghai. Ausgehend von persönlichen und kollektiven historischen Erfahrungen widmet er sich in seiner künstlerischen Arbeit Themen wie Gewalt, Traumata und Machtsystemen sowie der Bildpraxis im postkolonialen Kontext. Seine Arbeiten wurden unter anderem im Stadtmuseum Berlin (2024), im Peabody Essex Museum (2022), im Zhejiang Museum of Art (2021, 2023), im Museum der Guangzhou Academy of Fine Arts (2020, 2023) und im Shanghai Center of Photography (2019) ausgestellt.
Tang Han, 1989 in Guangzhou geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Ihre Videos und Installationen basieren auf persönlichen Erfahrungen mit Kulturkollisionen und gehen von Elementen und Themen des täglichen Lebens aus, die gewöhnlich als so selbstverständlich gelten, dass sie übersehen werden. Indem sie Archive untersucht und Bilder zweckentfremdet, verleiht sie diesen Elementen neue Perspektiven, geht Fragen der Repräsentation und Bedeutung nach und untersucht die subtile Komplexität der Dinge. Ihre Arbeiten nahmen bereits an zahlreichen internationalen Kunstinstitutionen und Filmfestivals teil.
Das Tangent Collective wurde 2021 gegründet und ist eine zwischen Kanada und China aktive nomadische Kunstorganisation. Seine Schwerpunkte liegen auf medienübergreifender Forschung und dekolonialen Praktiken im Bereich der zeitgenössischen Kunst sowie auf postkolonialer Öko-Kritik und Untersuchungen von Infrastrukturprojekten weltweit. Seit seiner Gründung hat das Tangent Collective über 50 Online- und Offline-Aktivitäten sowie Dialoge und Austausch-Veranstaltungen zu unterschiedlichen Forschungsthemen organisiert. Die Projekte dieser Gruppe wurden unter anderem am Jimei x Arles Photo Festival (2022), am Trinity Square Video (2023) und in der Art Gallery of Ontario (2023) ausgestellt.
www.unstrandedarchive.com
yietnu ist ein Künstler- und Forscherduo mit Sitz in Paris. Seine Arbeit definiert sich als multidisziplinäres Schreiben, das mittels fragmentarischer Fiktion mögliche Welten und alternative Narrative entwickelt und durch vielseitige Gesten der Umwandlung und Aneignung neue intellektuelle Räume konfiguriert. yietnu ist als Duo an der Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts eingeschrieben und promoviert an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne bzw. an der Université Paris 8. Das Duo arbeitet mit vielfältigen Mitteln, von Installationen über 3D-Modellbilder und Filmkulissen bis hin zu Fotografie, Skulptur und Eigenpublikationen. Ausgestellt hat yietnu unter anderem im Kunstraum Imaginary Z in Hangzhou, im Maison Populaire in Montreuil, im Bétonsalon (Zentrum für Kunst und Forschung) in Paris und im Théâtre de l'Échange in Annecy.
Musquiqui Chihying lebt und arbeitet in Taipeh und Berlin. Er arbeitet vorwiegend mit Medien wie Klang und Video, um den Zusammenhängen zwischen dem menschlichen Daseinskontext und dem ökologischen System im Zeitalter des globalen Kapitalismus nachzugehen; gleichzeitig beschäftigt er sich aus vielseitigen Perspektiven mit Untersuchungen und Studien zur Subjektivität in den heutigen Gesellschaften des globalen Südens. In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigt er sich mit Fragen der Transmoderne und der postkolonialen Identität im globalen Süden sowie mit zeitgenössischen Videotechniken. Seine jüngsten Arbeiten thematisieren vorwiegend die besondere historische Situation von Volksgruppen und technologischem Austausch im afrikanisch-asiatischen Raum sowie im afro-asiatischen Meer.
Text: DBN
Deutsche Übersetzung: Eva Lüdi Kong
Ort
Originality Square, 798 Art District, Jiuxianqiao Road 2, Chaoyang District
Peking
China
Ort
Originality Square, 798 Art District, Jiuxianqiao Road 2, Chaoyang District
Peking
China