Logo Goethe-Institut

Vereinigtes Königreich London

|

19:00 Uhr

Konrad Wolf: Sterne

Film|Kinovorführung

Ein Mann in einer deutschen Uniform und eine Frau mit kurzen dunklen Haaren und einem Judenstern auf ihrer Kleidung stehen nebeneinander im Bild. K. Wolf, Sterne © DEFA-Stiftung, Lotte Michailowa

Ein Mann in einer deutschen Uniform und eine Frau mit kurzen dunklen Haaren und einem Judenstern auf ihrer Kleidung stehen nebeneinander im Bild. K. Wolf, Sterne © DEFA-Stiftung, Lotte Michailowa

Der 1959 in Cannes mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnete Film Sterne – der erste deutsche Film, der unmittelbar die Verfolgung der Juden thematisiert – findet poetische Bilder, um Untätigkeit und Mitschuld, Hoffnung und Widerstand anhand der fragilen Liebe zwischen einem deutschen Unteroffizier und einer jüdischen Gefangenen im Bulgarien des Jahres 1943 zu thematisieren.

Oktober 1943. Nach einer harten Zeit an der Ostfront des Zweiten Weltkriegs ist der deutsche Unteroffizier Walter nun in einer ruhigen bulgarischen Stadt stationiert. Seiner neuen Aufgabe – die Beaufsichtigung der örtlichen Mechaniker in einer Autowerkstatt – geht er mit nur wenig Eifer nach; lieber zeichnet er. Walters Routine wird gestört, als eine Gruppe sephardischer Juden aus Griechenland auf dem Weg nach Ausschwitz vorübergehend in der Stadt untergebracht wird. Unter ihnen ist Ruth, eine junge Frau, deren trotziger Geist ihn herausfordert. Als sie um Hilfe für eine kranke, schwangere Frau bittet und Walter sie abweist, wirft Ruth ihm Herzlosigkeit und Gleichgültigkeit vor. Getroffen hilft Walter ihr schließlich doch. Als er sich in Ruth verliebt und sich des Schicksals der jüdischen Gefangenen voll bewusst wird, beschließt Walter, sie zu retten.

Das Drehbuch zu Stene stammt aus der Feder des bulgarischen Autors und Drehbuchautors Angel Wagenstein (1922–2023), den Wolf in Moskau kennengelernt hatte und der später auch das Drehbuch zu Goya schrieb. Als sephardischer Jude und ehemaliger bulgarischer antifaschistischer Partisan konnte Wagenstein auf seine eigenen Erfahrungen zurückgreifen – der Partisanenjunge Blashe im Film ist ihm nachempfunden. 

Der Filmhistoriker Thomas Elsaesser merkt an, dass die Ikonografie von Sterne – Züge, Stacheldraht und Gesichter, insbesondere das von Ruth, wie sie aus dem Zug schaut – von Alain Resnais' Nacht und Nebel (1955) beeinflusst wurde, der einen tiefen Eindruck bei Konrad Wolf hinterlassen hatte. Stilistisch setzte Wolf lange Kamerafahrten, ungewöhnliche Blickwinkel, Nahaufnahmen von Gesichtern, Vogelperspektiven sowie Bildüberlagerungen ein, die besonders den poetischen Ton der Szenen mit Ruth und Walter verstärken. Narrativ gibt es Ähnlichkeiten zu Lissy - in beiden Filmen wird eine zunächst passive Hauptfigur aktiv – allerdings handelt Walter aus Liebe, während Lissy sich von ihrer Liebe entfremdet.

Nachdem Wolfs vorheriger Film Sonnsucher verboten worden war, wurde Sterne für Wolf und sein Team zu einem Erfolg. Der Film wurde 1959 für den Wettbewerb beim Filmfestival in Cannes ausgewählt und gewann den Sonderpreis der Jury. Seine Teilnahme am Festival verlief jedoch nicht ohne Komplikationen: Die ostdeutsch-bulgarische Koproduktion konnte nur als rein bulgarischer Film eingereicht werden, da die Bundesrepublik unter Berufung auf die Hallstein-Doktrin gegen die Teilnahme der DDR protestierte. Ironischerweise hatte Bulgarien den Film ursprünglich verboten. Laut Wagenstein wurde er wegen seines „abstrakten Humanismus“, seines Mangels an Kampfgeist und sogar wegen der fehlenden Differenzierung der Klassenunterzugehörigkeit der Juden kritisiert. Elsaesser fügt hinzu, dass die Darstellung der Bulgaren als Nazi-Kollaborateure, die Juden an die Deutschen auslieferten, Ende der 1950er Jahre nach wie vor ein heikles Thema war. In der Bundesrepublik kam Sterne 1960 in die Kinos, allerdings ohne die Schlussszene, die eine antifaschistische und letztlich kommunistische Entwicklung Walters andeutet.

DDR/Bulgarien, 1959, 88 Min., s/w, Deutsch mit englischen Untertiteln
Regie: Konrad Wolf, Drehbuch: Angel Wagenstein, Dramaturgie: Willi Brückner, Schnitt: Christa Wernicke, Kamera: Werner Bergmann, Szenenbild: Jose Sancha, Kostüme: Albert Seidner, Musik (Filmmusik): Simeon Pironkow.
Mit Elena Chranowa, Hans Fiebrandt, Jürgen Frohriep, Hannjo Hasse, Erik S. Klein, Ivan Kondow, Sascha Kruscharska, Georgi Naumow, Stefan Pejtschew, Naitscho Petrow, Milka Tujkowa.