Voices of Memory
Das Kunstprojekt

Die Künstlerin über das Projekt
 

  • Soldat mit Megaphon, Illustration aus Ireland's Memorial Records Foto: Christina Kubisch

    Soldat mit Megaphon, Illustration aus Ireland's Memorial Records

  • In den Irish National War Memorial Gardens, Erinnerung an 49,400 gestorbene irische Soldaten im Ersten Weltkrieg Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    In den Irish National War Memorial Gardens, Erinnerung an 49,400 gestorbene irische Soldaten im Ersten Weltkrieg

  • Illustration aus Ireland's Memorial Records Foto: Kate McBride

    Illustration aus Ireland's Memorial Records

  • Die Irish National War Memorial Gardens in Dublin Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Die Irish National War Memorial Gardens in Dublin

  • Die Irish National War Memorial Gardens in Dublin Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Die Irish National War Memorial Gardens in Dublin

  • Graben zur Verlegung des Stromkabels der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Graben zur Verlegung des Stromkabels der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens

  • Testen der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016 Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Testen der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016

  • Soundingenieur Eckehard Güther bei der Arbeit an der Klanginstallation Foto: Christina Kubisch

    Soundingenieur Eckehard Güther bei der Arbeit an der Klanginstallation

  • Christina Kubisch in den Irish National War Memorial Gardens mit den vier Lautsprechern für die Klangkunstinstallation Foto: Eckehard Güther

    Christina Kubisch in den Irish National War Memorial Gardens mit den vier Lautsprechern für die Klangkunstinstallation

  • Eckehard Güther testet die Lautsprecher der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016 Foto: Christina Kubisch

    Eckehard Güther testet die Lautsprecher der Klanginstallation in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016

  • Christina Kubisch mit dem Hydrophon für die Aufnahmen aus der Liffey Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Christina Kubisch mit dem Hydrophon für die Aufnahmen aus der Liffey

  • Christina Kubisch mit dem Hydrophon für die Aufnahmen aus der Liffey Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Christina Kubisch mit dem Hydrophon für die Aufnahmen aus der Liffey

  • Christina Kubisch nimmt in den Irish National War Memorial Gardens Geräusche der Liffey auf Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Christina Kubisch nimmt in den Irish National War Memorial Gardens Geräusche der Liffey auf

  • Christina Kubisch nimmt in den Irish National War Memorial Gardens Geräusche der Liffey auf Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Christina Kubisch nimmt in den Irish National War Memorial Gardens Geräusche der Liffey auf

  • Christina Kubisch und Kurator Ruairí Ó Cuív vom Dublin City Council in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016 Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    Christina Kubisch und Kurator Ruairí Ó Cuív vom Dublin City Council in den Irish National War Memorial Gardens, Mai 2016

  • In den Irish National War Memorial Gardens. Von Links: Olivia Laumenech (DCC), Klangkünstlerin Christina Kubisch, Kurator Ruairí Ó Cuív (DCC), Gerry Donoghue (OPW) und Soundtechniker Eckehard Güther Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan

    In den Irish National War Memorial Gardens. Von Links: Olivia Laumenech (DCC), Klangkünstlerin Christina Kubisch, Kurator Ruairí Ó Cuív (DCC), Gerry Donoghue (OPW) und Soundtechniker Eckehard Güther

 

Voices of Memory         2014-2016
Die Veränderung der Liffey jenseits des Stadtzentrums war einer der ersten nachhaltigen Eindrücke während meines Dublin-Aufenthalts 2014. Der Fluss wird plötzlich zu einem großen Bach mit naturbelassenen Ufern und einer Vielfalt an Pflanzen. Die Irish National War Memorial Gardens, die an der Liffey liegen, werden geprägt von diesen Aspekten des Flusses. Die Gärten sind keine typische Touristenattraktion. Die meisten Besucher scheinen Anwohner, Hunde und ihre Besitzer, Fahrradfahrer und Ruderteams zu sein. Der Verkehrslärm der nahegelegenen Hauptstraße bildet einen Kontrast und durchdringt die  ruhige Atmosphäre in den Rosengärten, auf den grünen Wiesen und inmitten der nüchtern viktorianischen Denkmäler. Auch weil er schwer zu erreichen ist, wirkt der schöne Park wie eine Insel fern vom hektischen Stadtleben.

Während ich die Gedenkpavillons besuchte, die Fotos und Erinnerungsstücke vom Ersten Weltkrieg beherbergen, war ich von einem Buch, das dort ausgestellt war, besonders beeindruckt. Es war eines der acht Bände der Ireland’s Memorial Records, die vom Komitee des Irish National War Memorial unter der Führung des Earl von Ypres zusammengestellt und 1923 mit beeindruckenden Illustrationen des irischen Künstlers Harry Clarke veröffentlicht wurden. Die Bücher waren gedacht als bleibende Erinnerung an tausende Iren, die in irischen Regimentern im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Die Bände umfassen die Namen von fast 50,000 Menschen, die überall aus Irland kamen, Nord und Süd, sowie aus anderen Ländern. Neben ihren Namen sind in den Büchern Geburtsorte und Todestage der gefallenen Soldaten verzeichnet. Als ich mir das Buch ansah, erschien mir die Zahl der Namen unendlich und der Verlust so vieler Leben unfassbar. Während ich die Seiten durchging, fielen mir die immer wiederkehrenden Wiederholungen von gleichen Namen auf. Sie sind identisch, obwohl es sich um verschiedene Personen handelt. Zum Beispiel gibt es eine Namensfolge von 44 jungen Männern, die alle John Ryan hießen! Während meiner Arbeit als Klangkünstlerin und Komponistin habe ich bereits mehrfach mit der menschlichen Stimme gearbeitet. Doch diese Liste von Namen war etwas ganz besonderes wegen ihrer politischen und emotionalen Bedeutung. Ich war überzeugt, dass diese Namen nicht nur gelesen, sondern auch hörbar gemacht werden sollten. Ich stellte mir spontan einen Fluss von Stimmen in einer niemals endenden Abfolge vor, eine soundscape, deren Ausgangsmaterial nur wenig verändert werden sollte. Das Hören ermöglicht oft einen anderen. direkteren Zugang zur Erinnerung als das Lesen.

In den folgenden zwei Jahren wurden in Dublin über 42,000 Namen von Freiwilligen gelesen und aufgenommen. Das war möglich durch die Organisation und  große Unterstützung des Dublin City Council, die unermüdliche Arbeit der zwei Projektkoordinatorinnen und vor allem der Zeit und Professionalität des Klangkünstlers Fergus Kelly, der die Sprecher in tagelanger geduldiger Arbeit aufgenommen hat. Die Freiwilligen waren alle verschiedenen Alters, Geschlechts, hatten unterschiedliche Nationalitäten und Berufe. Daher ist es keine Überraschung, dass es bei den Tonaufnahmen enorme Variationen der Art, die Namen zu lesen, gibt. Die Stimmen der Lesenden werden manchmal sehr emotional, besonders, wenn es zu Wiederholungen von gleichen Namen der gefallenen Soldaten kommt.

Der Standort der Klanginstallation ist am Ufer der Liffey in den Irish National War Memorial Gardens. Ein alter Strommast hält eine Struktur aus vier Lautsprechern, von denen einer ein typischer Hornlautsprecher ist, der in Richtung der Gärten ausgerichtet ist, während die anderen zum Fluss und zu den Wegen ausgerichtet sind. Das Ausgangsmaterial für die Klanginstallation Voices of Memory besteht aus den Stimmaufnahmen von Ireland's Memorial Records.

Die Struktur der Installation respektiert die alphabetische Reihenfolge der Auflistung der Namen so wie in den Büchern und geht auch auf die unterschiedlichen Arten der Stimmen ein. Manchmal wird die Abfolge der Namen dichter bis zur fast abstrakten Überlagerung vieler Stimmen, dann wieder kann man die Namen ganz deutlich einzeln hören. Zwischen dem Namensfluss gibt es Abschnitte, in denen die Geräusche der Liffey einsetzen und wieder verschwinden. Diese Aufnahmen wurden mit Hydrophonen (Unterwassermikrophonen) gemacht, die direkt im Fluss platziert wurden. Während meines zweiten Besuchs in den Irish National War Memorial Gardens habe ich beim Testen der Hydrophone nicht nur das Wasser und den Rhythmus der ständig vorbeiziehenden Ruderbote gehört, sondern auch die vielfältigen organischen Klänge der uns sonst verborgenen Unterwasserwelt. Diese Klänge des Flusses, die ihren eigenen natürlichen Regeln zu folgen scheinen, kommen und gehen während des endlosen Stroms der Stimmen und bieten dem Zuhörer Raum für seine eigenen Erinnerungen und Gedanken.


(Christina Kubisch)

 

Die Aufnahmen

  • Empfangstisch für die freiwilligen Leser bei den Aufnahmen der Namen der gestorbenen Soldaten, November 2015 Foto: Kate McBride

    Empfangstisch für die freiwilligen Leser bei den Aufnahmen der Namen der gestorbenen Soldaten, November 2015

  • Unterteilungen der Kopien von Ireland‘s Memorial Records für Tonaufnahmen, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Unterteilungen der Kopien von Ireland‘s Memorial Records für Tonaufnahmen, April 2016

  • Die deutsche Praktikantin Ingrid Mrhalik las bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Die deutsche Praktikantin Ingrid Mrhalik las bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016

  • Kopie einer Seite aus Ireland‘s Memorial Records bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Kopie einer Seite aus Ireland‘s Memorial Records bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016

  • Aufnahmerunde zwei im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Aufnahmerunde zwei im Dublin City Council, April 2016

  • Aufnahmeraum im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Aufnahmeraum im Dublin City Council, April 2016

  • Kopierte Seite mit Nachnamen 'O' aus Ireland's Memorial Records Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Kopierte Seite mit Nachnamen 'O' aus Ireland's Memorial Records

  • Freiwillige Lucy Deering liest James Farrell bis Russel Fenton bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Freiwillige Lucy Deering liest James Farrell bis Russel Fenton bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016

  • Freiwillige Lucy Deering liest James Farrell bis Russel Fenton bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Freiwillige Lucy Deering liest James Farrell bis Russel Fenton bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016

  • Einsprechen der Namen der irischen Soldaten bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016 Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Einsprechen der Namen der irischen Soldaten bei den Aufnahmen im Dublin City Council, April 2016

  • Kopie aus Ireland's Memorial Records für die Aufnahmen Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Kopie aus Ireland's Memorial Records für die Aufnahmen

  • Soundtechniker Fergus Kelly mit Miriam Ryan, die den Nachnamen „Scott“ liest (Collins Barracks, April 2016) Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Soundtechniker Fergus Kelly mit Miriam Ryan, die den Nachnamen „Scott“ liest (Collins Barracks, April 2016)

  • Soundtechniker Fergus Kelly mit Miriam Ryan, die den Nachnamen „Scott“ liest (Collins Barracks, April 2016) Foto: Goethe-Institut/Franziska Hülshoff

    Soundtechniker Fergus Kelly mit Miriam Ryan, die den Nachnamen „Scott“ liest (Collins Barracks, April 2016)

  • Illustration aus Ireland's Memorial Records Foto: Kate McBride

    Illustration aus Ireland's Memorial Records.


Ursprünglicher Plan
In ihrem Vorschlag für das Kunstprojekt plante Christina Kubisch, dass mindestens 10,000 der Namen aus den Irish Memorial Records aufgenommen werden sollten. Kubisch betonte besonders, dass die Namen von einer guten Mischung aus jüngeren und älteren lokalen Bürgern gelesen werden sollten. Diese Vielfalt wäre nicht nur aus symbolischen Gründen wichtig, sondern auch erwünscht, da sie die Struktur des Kunstwerks verfeinern würde. So schrieb die Künstlerin in ihrem Vorschlag: „Jede Stimme hat eine besondere Klangfarbe und jede Person hat eine besondere Art vorzulesen, und eine Vielzahl dieser ‚Klangvorlesungen‘ werden eine akustische Vielfalt aller Namen kreieren.“ Diese Vielfalt entspräche den zahlreichen Individuen, deren Namen gelesen werden.
Nach zwei Aufrufen meldeten sich im November 2015 und im April 2016 192 Freiwillige bei uns, um an dem Projekt mitzuwirken. Letztendlich hatten wir insgesamt 178 Leser.

178 Freiwillige, 4 Orte, 9 Aufnahmetage, 42,116 Namen

Orte
Die Aufnahmen fanden an vier verschiedenen Orten in Dublin statt: in den Dublin City Council Offices am Wood Quay, im Arts Office auf der Foley Street, im Goethe-Institut Irland und in Collins Barracks. Die Aufnahmen wurden an zwei separaten Wochenterminen abgehalten. Der erste Teil war von Dienstag, 3. November bis Samstag, 7. November 2015. Die zweite Runde fand von Dienstag 26. April bis Samstag 30. April 2016 statt, sodass insgesamt an neun Tagen Namen aufgenommen wurden (das heißt an viereinhalb Tagen pro Runde).

Ablauf
Für die Aufnahmen sollten die Freiwilligen jeweils 30 Minuten Zeit mitbringen. Vor der Aufnahme wurden sie von unseren Koordinatoren kurz über den Ablauf der Aufnahmen informiert. Jedem Freiwilligen wurde eine bestimmte Anzahl an Seiten mit Namen der Soldaten aus Ireland’s Memorial Records gegeben. Von diesen sollten sie unter Aufsicht und mit Hilfe unseres Klangtechnikers Fergus Kelly zehn Minuten lang Vor- und Nachnamen von jedem dort aufgelisteten Soldaten lesen. Durchschnittlich lasen die Freiwilligen je 16 Seiten während ihrer Aufnahme. Da jede der Seiten 16 Namen enthält, wurden bei jeder Aufnahme ca. 256 Namen aufgenommen.

Freiwillige Leser
Die Freiwilligen kamen von überall aus Dublin und Irland, um an den Aufnahmen teilzunehmen und stellten einen Querschnitt der Gesellschaft dar. Es kamen Frauen und Männer verschiedenen Alters, unterschiedlicher Nationalität und Beruf. Wir trafen Schüler der Mittelstufe, pensionierte Männer und Frauen, Ausbilder, deutsche und griechische Praktikanten, Mitarbeiter aus Collins Barracks und Verwalter der Irish National War Memorial Gardens. Wir wurden unterstützt von Familien und Freunden, Therapeuten, Künstlern, Kuratoren, dem früheren Generalmajor der irischen Armee und einem Brigadegeneral der Fliegercorps. Ein großer Teil unserer Freiwilligen waren auch Mitarbeiter des Dublin City Council. Diese Mitarbeiter kamen aus unterschiedlichsten Abteilungen, unter anderem zum Beispiel aus dem städtischen Architekturbüro, der Kulturabteilung, der Personalstelle, dem Wohnungsbau, Abflussreinigung, Straßenbau, Veranstaltungen, Parks und Landschaftsbau, Bibliotheken, Straßen und Verkehr, Abfallentsorgung, Unternehmensdienstleistungen, Presse und Kommunikation, Planung, Steuer, Finanzen und Auftragswesen sowie Management Dienstleistungen. Wir hatten Freiwillige aus dem kirchlichen und dem Verwaltungsbereich, Mitglieder der Feuerwehr, ein Mitarbeiter der Luftqualität- und Lautstärkenkontrolleinheit, ebenso wie Gesundheits- und Sicherheitsbeamte. Kurz gesagt, eine gute Mischung.

Die Erfahrung
Beim Lesen der Namen machte jeder der Freiwilligen ganz unterschiedliche Erfahrungen. Ein paar Freiwillige konnten den Namen ihres Verwandten lesen, nachdem sie dies vorher speziell bei uns angefragt hatten. Andere nahmen sich Zeit nach ihrer Aufnahme, um den Namen ihres Verwandten in unseren zahlreichen Ordnern mit den Namenslisten zu suchen. Selbstverständlich war die Erfahrung für diese Männer und Frauen eine ganz besondere. Andere Freiwillige waren fast gerührt wegen der einfachen, persönlichen Verbindung, als sie die Seiten mit ihren eigenen Nachnamen lasen. Wieder Andere nahmen sich vor, ihre Stimme bei jedem Namen leicht zu verändern, um jedem Soldaten eine gewisse Individualität zu verleihen und ihren Respekt auszudrücken. Andere erzählten, dass „es schwerer und emotionaler war als [sie] erwartet hatten]“, als sie uns den Stapel eingesprochener Seiten zurückgaben und ihren Tag dann wie gewohnt fortsetzten. Und natürlich war das Lesen selber nicht einfach, aber alle wuchsen mit der Aufgabe.
Es war auch eine sehr interessante Erfahrung für uns, das Dublin City Council. Wir haben nicht nur viele Geschichten der Freiwilligen hören dürfen, sondern waren auch aufs Engste mit den Aufnahmen verbunden. Wir wurden vertraut mit Harry Clarkes wunderschönen Illustrationen, wir blätterten durch Seiten und Seiten von Byrnes, Murphys und Smiths, wir nahmen die Namen von nur zwei Frauen auf.

Das Ergebnis
Ursprünglich war geplant, 10,000 Namen aufzunehmen. Nun wurden von insgesamt 49,647 Namen ganze 42,116 von Freiwilligen gelesen und aufgenommen. Auch wenn das Werk für sich selbst spricht, ist es doch lohnenswert diese Zahl anzuerkennen. Es ist ein großer Erfolg, der das gesetzte Ziel weit übertrifft. Nach den Aufnahmen wurden die Aufnahmedateien unberührt und unverändert an Christina Kubisch geschickt, die diese aufbereiten und überlagern wird. Das Endergebnis kann dann in Islandbridge angehört werden.  
Wir, das Dublin City Council, würden uns gerne bei unserem Soundtechniker (und Klangkünstler) Fergus Kelly bedanken, sowie bei den Mitarbeitern des Goethe-Instituts Irland, den Collins Barracks und der Stadtverwaltung, die uns die Aufnahmeräume bereit gestellt haben, und natürlich bei all den beteiligten Lesern, die all dies überhaupt erst möglich machten.


(Olivia Laumenech, Übersetzung: Franziska Hülshoff)
   

Der Ort

Irish National War Memorial Gardens
Irish National War Memorial Gardens | Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan
Die Irish National War Memorial Gardens erstrecken sich über ein Gebiet von gut 200.000m² auf der Südseite des Flusses Liffey. Auffällig sind ihre klassisch symmetrischen und regelmäßigen Strukturen und ihr leichter Anstieg zum Kilmainham Hill. Die Gärten sind circa drei Kilometer von Dublins Stadtzentrum entfernt und liegen quasi gegenüber dem ehemaligen Waffenlager im Phoenix Park, der sich auf der anderen Seite der Liffey befindet. Im Original-Entwurf für die Gärten des bekannten britischen Architekten Sir Edwin Lutyens (1869-1944), der bereits einige Stätten in Irland und in Europa landschaftlich gestaltet hatte, war eine Fußgängerbrücke über die Liffey in den Phoenix Park vorgesehen, die aber nie gebaut worden ist.

Die Entscheidung, eine solche Erinnerungsstätte für alle irischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, zu errichten, wurde am 17. Juli 1919 bei einer Zusammenkunft von Vertretern aus allen Teilen Irlands getroffen. Trotzdem dauerte es noch bis zum Jahre 1929, bis die irische Regierung schließlich vorschlug, den Gedenkpark an der Stelle am Südufer der Liffey zu bauen, die bekannt ist als "Longmeadows" und von Islandbridge bis Chapelizod reicht. Der Bau begann 1931, und der Park wurde zwischen 1933 und 1939 angelegt. Zur Hälfte waren die Helfer ehemalige Soldaten der Britischen Armee, die andere Hälfte waren Ehemalige der Irischen Nationalarmee.

Am 1. Juli 2006 wurde die erste offizielle Zeremonie zur Erinnerung an die irischen Kriegstoten in den Irish National Memorial Gardens abgehalten, an der auch die damalige irische Präsidentin Mary McAleese und der Premierminister Bertie Ahern teilnahmen. Diese fand  anlässlich des 90. Jahrestages der Schlacht an der Somme statt. Im Jahr 2011 besuchte Queen Elizabeth II die Memorial Gardens und ehrte damit die irischen Soldaten, die zwischen 1914 und 1918 im Kampf für Großbritannien gestorben waren.


(Franziska Hülshoff)

 

Die Bücher von Harry Clarke

Seite aus Ireland's Memorial Records
Seite aus Ireland's Memorial Records | © The Board of Trinity College Dublin, Trinity College Library Dublin
Der südöstliche Bücherraum in den Gärten enthält Ireland’s Memorial Records 1914-1918, ein Set aus acht Büchern, die von Harry Clarke entworfen wurden, und eine Liste der Namen jedes irischen Soldaten, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist, enthalten. Da es Probleme gab, einen geeigneten Ort für die Gedenkstätte zum Ersten Weltkrieg zu finden, nachdem der Beschluss dazu 1919 gefallen war, entschied man sich für dieses zwischenzeitliche Projekt. Man begann, die Namen zu sammeln, was aber bald zu einigen Schwierigkeiten führte: Die Namen wurden wegen des Unabhängigkeitskrieges und des Bürgerkrieges nicht nur in sehr turbulenten Zeiten gesammelt, auch die Frage nach der Definition des Irischen und damit, wer überhaupt mit in die Liste aufgenommen werden sollte, wurde immer wieder aufgeworfen.

Harry Clarke, der bereits sehr bekannt und angesehen war für seine Buchillustrationen und Arbeiten mit Glas, wurde beauftragt, die Randdekorationen der Bücher zu entwerfen. Er entwarf acht unterschiedliche Designs (inklusive eine Titel- und eine letzte Seite), die in den Büchern wiederholt und umgekehrt werden (insgesamt 16 verschiedene Arrangements). Die schwarzen Tintenzeichnungen von militärischen Szenen und Motiven aus der keltischen Mythologie sind einzigartig für diese Zeit. Schließlich wurden die fast 50,000 alphabetisch aufgelisteten Namen 1923 in acht Bänden auf 3,200 Seiten veröffentlicht. Zudem gibt es Informationen zu Rang, Regiment, Alter, Todesursache und Geburtsort. Gut 30,986 der aufgelisteten Soldaten wurden in Irland geboren, 4,800 kamen aus Dublin. Es wurden 100 Ausgaben jedes Buches gedruckt, 1995 wurden sie zudem auf CD digitalisiert. Seit 2014 sind Ireland's Memorial Records auch online zu finden.


(Franziska Hülshoff)
 

Die Künstlerin

Christina Kubisch nimmt Geräusche der Liffey auf
Christina Kubisch nimmt Geräusche der Liffey auf, Mai 2016 | Foto: Goethe-Institut/Eugene Langan
Christina Kubisch zählt zur ersten Generation von Klangkünstlern. Sie wurde 1948 in Bremen geboren und studierte Malerei, Musik und Elektronik in Hamburg, Graz, Zürich und Mailand.

Nach anfänglichen Performances, Videokonzerten und -installationen spezialisierte sie sich seit 1980 zunehmend auf Klangkunst und erschuf erste Klangskulpturen und –installationen. Bald darauf wandte sie in ihren Arbeiten auch Techniken der magnetischen Induktion an, und ab 1986 tritt ultraviolettes Licht als gestalterisches Element hinzu. 1990-91 entwickelte sie solargesteuerte Techniken für Klangskulpturen. Neben ihrem künstlerischen Schaffen war Christina Kubisch als Gastprofessorin an zahlreichen Hochschulen tätig, wie zum Beispiel an der Jan von Eyck Akademie Maastricht, der Kunstakademie Münster, der Hochschule der Künste in Berlin sowie der École Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris.

Ihre Musik erschien bereits bei verschiedenen Labels, wie zum Beispiel von Cramps Records, Edition RZ, ampersand, semishigure, Die Schachtel, Olof Bright, AA Records, Important Records, Gruenrekorder und andere. Seit 1997 ist Christina Kubisch Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.

Christina Kubisch erhielt zahlreiche nationale und internationale Stipendien und Auszeichnungen, unter anderem das Kompositionsstipendium der Stadt Berlin (1995 und 2000), sowie das Carl Djerassi Honorary Fellowship in Kalifornien (2000). 2008 wurde sie mit dem Ehrenpreis des Deutschen Klangkunstpreises ausgezeichnet, 2009 erhielt sie den SR Medienkunstpreis und 2013 wurde sie Stadtklangkünstlerin in Bonn.
Seit 1974 wurden ihre Einzelausstellungen in Europa, den USA, Australien, Japan und Südamerika gezeigt, und sie nahm an diversen internationalen Festivals und Gruppenausstellungen teil, unter anderem bonnhoeren (Beethovenstiftung Bonn 2013), festival NOW (Essen 2014), blurred edges festival (Hamburg 2015) und Free Sound (Osaka 2016).

Zu Christina Kubischs jüngsten Projekten gehören unter anderem die Klanginstallation Rheinklänge (fluid landscapes) in Bonn (2013), das Hörstück Remote Future Control Access für Skálar FM und die Einzelausstellung Hidden From View in Berlin (beide 2015).
In Irland stellte Christina Kubisch ihre Arbeit bereits 2014 in Kooperation mit dem Goethe-Institut Irland im öffentlichen Symposium Beyond Noise and Silence am National College of Art and Design in Dublin vor.

Christina Kubisch lebt in Hoppegarten bei Berlin.

(Franziska Hülshoff)
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