„Unschuld“ von Dea Loher

Unschuld
© Foto Dmitrijus Matvejevas

„Eine Stadt am Meer in Europa: Elisio und Fadoul sind illegale schwarze Immigranten, sie haben eine Frau ins Meer gehen sehen und ihr nicht geholfen. Der eine kann nicht mehr schlafen, der andere findet eine Tüte voller Geld.
Absolut ist eine junge blinde Frau, die nackt tanzt im 'Blauen Planeten' für die Männer, die sie sehen können. Frau Habersatt bittet um Vergebung für Taten, die sie nicht begangen hat. Franz hat eine Aufgabe für sein Leben gefunden: er arbeitet in einem Bestattungsunternehmen, er versorgt die Toten. Seine Frau Rosa möchte ein Kind von ihm. Die Mutter von Rosa, Frau Zucker, hat Zucker und übergibt die Verantwortung für sich an Rosa und Franz: sie zieht bei ihnen ein. Ella, eine alternde Philosophin, hat ihre Bücher verbrannt und glaubt nur noch an die Unzuverlässigkeit der Welt.
Die vielleicht wichtigste Dramatikerin ihrer Generation, Dea Loher, hat ein neues Stück geschrieben: Geschichten vom Rande unserer Gesellschaft, 19 Szenen voller Trauer und verzweifelter Komik. Ein auf den ersten Blick zutiefst pessimistisches Stück, dabei ganz hell und klar erzählt. Sein verhaltener Optimismus ist spürbar in der Schönheit der Sprache und in dem Überlebenswillen der Figuren.“
(Thalia Theater Hamburg)

Stimmen zur Inszenierung in Litauen

Bei sehr ambitionierten Inszenierungen ist es nicht leicht, Gleichwertigkeit und Individualität aller Rollen zu gewährleisten. In der Regel widmet der Regisseur nur wenigen bedeutenderen Figuren der beiden gegnerischen Konfliktlager die gesamte Aufmerksamkeit und überlässt den anderen lediglich die Funktion eines Zeichens oder Hintergrunds. In „Unschuld“ gibt es keine kleinen oder unvorbereiteten Rollen. Jeder Schauspieler stellt Inhalte dar (im Hinblick auf die Biographie, den Charakter und das Ziel der Figur). Der Aufbau des Stückes fällt ziemlich fragmenthaft aus, so dass jede Rolle wie im Film, aus einzelnen, zeitlich getrennten (schauspielerischen) Ereignissen und Bewertungen aufgezogen wird.
(Ridas Viskauskas „Impressionen nach der 'Unschuld'“, Literatūra ir menas, 02.06.2006)

In diesem Stück ist die Dekonstruktion vollkommen. Von Anfang an verfolgt der Zuschauer weniger die Handlung als die Konstruktion des Textes selbst. Unterstützt von einem ultramodernen, kalten Bühnenbild (Lüftungsrohre, zerteilte offene Räume, ein minimaler und funktionaler Wechsel der Szenenplätze in dem hervorragenden Bühnenbild von Marta Vosyliūtė) und den Alltagskostümen von Juozas Statkevičius. Immer wieder abbrechende Musik – mal ein Hip-Hop-Rhythmus, mal der moderne Barock von Giedrius Puskunigis, mal ein einfaches Ziehen eines Reißverschlusses, das im All verklingt (hier kommt ein weiterer Leichensack zum Einsatz). Der Regisseur scheint auch das bisherige Repertoire der Schauspieler auseinander nehmen zu wollen.
(Vaidas Jauniškis „Unzuverlässige Texte und die Architektur der 70er Jahre“, Verslo žinios, 23.12.2005)

Inszenierung in Litauen

Premiere 16.12.2005
Regie Gintaras Varnas
Bühne Marta Vosyliūtė
Musik Giedrius Puskunigis
Mit Valentinas Novopolskis, Valentinas Krulikovskis, Giedrė Ramanauskaitė, Jūratė Onaitytė, Sigitas Šidlauskas, Aurelija Tamulytė, Šablauskaitė, Daiva Stubraitė, Robertas Vaidotas, Liucija Rukšnaitytė, Marius Repšys, Vidas Bareikis, Dainius Svobonas, Goda Piktytė
Übersetzung Jūratė Pieslytė