„Die arabische Nacht“ von Roland Schimmelpfennig

Die arabische Nacht
© Foto: Dmitrijus Matvejevas

Sommer: Die Wasserversorgung einer ganzen Hochhaussiedlung ist zusammengebrochen. Nur in einer Wohnung im siebten Stock duscht Franziska, eine junge Frau, die sich an nichts erinnern kann. Sie kann sich nicht daran erinnern, wie ihr Leben war, bevor sie in das Mietshaus zog - zusammen mit ihrer Freundin Fatima. Franziska kann sich nicht daran erinnern, dass sie einmal eine arabische Prinzessin war. Wie jeden Abend schläft sie nach dem Duschen bei Sonnenuntergang auf dem Sofa im Wohnzimmer ein. Als wäre sie eine Art orientalisches Dornröschen versuchen drei Männer sie wach zu küssen: Der Nachbar aus dem gegenüberliegenden Wohnblock beobachtet die Schlafende, kommt herüber in ihre Wohnung und küsst sie: Plötzlich findet er sich in der Flasche wieder, die vor dem Sofa auf dem Tisch stand. Der zweite, Fatimas Freund, bleibt im Fahrstuhl stecken und wird knapp vor dem Kuss von seiner eifersüchtigen Freundin erstochen. Auch den Hausmeister des Wohnblocks, der das Wasser in den Rohren rauschen hört, führt die Suche nach einem Leck zu der Schlafenden auf dem Sofa. So alt und hässlich er auch ist, bringt er am Ende doch die verwunschene Franziska zu Bewusstsein.

Stimmen zur Inszenierung in Litauen

Wie soll man dieses Gefühl umschreiben, das sich nach der Aufführung der „Arabischen Nacht“ im ganzen Körper ausbreitet? Wahrscheinlich fühlen sich die Zuschauer im Kino ähnlich, wenn sie auf ihren Sitzen durchgerüttelt durch ihre „sphärischen“ 3D-Brillen blicken. Wobei im Kinosaal, in dieser Blase aus Special Effects und Technik, die Authenzität nur simuliert wird. In dieser Inszenierung jedoch saugt das Theater wie ein Schwarzes Loch im All die Zuschauer ein, bleibt aber doch Theater, das die Möglichkeit eröffnet, ein echtes künstlerisches Abenteuer zu erleben. Nicht nur, weil es sich ausschließlich theatralischer Mittel bedient, sondern auch, weil es das Publikum völlig in seinen Bann zieht und gleichzeitig Raum für Reflexionen lässt.
(Ramunė Balevičiūtė „Das ist dein Stück. Das Debüt der 'cezario grupė'“, Septynios meno dienos, 12.09.2003)

Die jungen Schauspieler schaffen es, sich nicht in den Labyrinthen zu verlieren, in den Strängen nicht zu verheddern und einen wirklich schwierigen Text zu meistern. Der “Überlebensmodus“ in diesem reich ornamentierten Raum besteht im Nichtspielen, das die Autonomie jeder Sujetlinie unterstreicht und deren Verknüpfungen unterstreicht – so werden auf der Bühne fünf parallele Erzählungen zum Leben erweckt. Sonst würde das Stück zu einem mehr oder minder gelungenen Vaudeville oder einer Sammlung theatralischer Etüden mit orientalischer Note verkommen. Was aber in keinster Weise passiert. “Und dann lebten sie alle glücklich bis zu ihrem Ende“.
(Vlada Kalpokaitė „Achtung: Märchen lauern um die Ecke“, Literatūra ir menas, 12.09.2003)

Inszenierung in Litauen

Premiere 05.09.2003
Regie Cezaris Graužinis
Bühne Andželika Šulcaitė
Musik Martynas Bialobžeskis
Mit Brigita Arsobaitė, Julius Žalakevičius, Vilma Raubaitė, Paulius Čižinauskas, Vytautas Kontrimas
Übersetzung Jūratė Pieslytė