Klotzek & Manns Ni(e)da
Schon mal versucht aus einer quadratischen Tasse zu trinken?

Ausstellung „Nie da in Nida“ von Wilhelm Klotzek
Ausstellung „Nie da in Nida“ von Wilhelm Klotzek | Foto: Gintautas Beržinskas

Im Juni und Juli 2013 residierte der Künstler Wilhelm Klotzek in der Kunstkolonie Nida. Im Rahmen des Thomas-Mann-Festivals präsentierte er dem Festivalpublikum seine während des Aufenthalts entstandenen Arbeiten.

Schon mal versucht aus einer quadratischen Tasse zu trinken? Trinkt man von einer Seite, besteht die Gefahr, dass der Tee aus den Mundwinkeln fließt, setzt man aber an einer Ecke an, muss man die Hand am Henkel seltsam verrenken und die Lippen zu einer ungewöhnlichen dreieckigen Öffnung formen. Aber sonst sieht die Tasse sehr ansprechend aus. Auch mit der zeitgenössischen Kunst verhält es sich oft ähnlich: Sie ist meist nicht besonders einfach zu konsumieren, die Hand muss komisch verrenkt, andere physische oder geistige Übungen ausgeführt werden, doch trotz allem lockt sie uns, da sie uns eine andere Seite der Dinge oder Erscheinungen bietet. Woher z.B. kommen die Tassen? Wie sieht die Entwicklungsgeschichte der Tasse aus, und was passiert mit ihr in Zukunft? Wie ist diese Tasse auf die Kurische Nehrung gekommen? Und warum ist sie nicht bemalt?
 


Der während des zweimonatigen Aufenthaltes in Nida von Wilhelm Klotzek geschriebene und gedruckte Text ist seine Tasse, in der sein Ni(e)da gut Platz findet. Dabei gehören zu seinem Nida Thomas Mann, der Maxima-Supermarkt, die Poesie, der Verzehr von Krähen, Zappa, die Nostalgie, Touristen, der postsowjetische Katzenjammer und die Jagd (auf Nachtfalter, Krähen, Erinnerungen, Texte).

Seine Texte trägt Klotzek normalerweise laut vor (wichtig sind ihm die Prozesse des Teetrinkens und des Jagens), denn aufgeschrieben büßen sie, ihm zufolge, mindestens ihr halbes Leben ein. Die andere Hälfte ihres Lebens verlieren sie, wenn sie geklärt/klar/ausgeschöpft sind. Aus reinem Großmut, da er den Text nicht töten will, schreibt Klotzek anstatt des gesamten Textes lediglich seine Spuren nieder. So lässt er einerseits dem Leser die Möglichkeit, diesen Spuren zu folgen und den Text selbst zu erbeuten, und andererseits dem Text die Chance zu leben.

Ausstellung „Nie da in Nida“ von Wilhelm Klotzek
Ausstellung „Nie da in Nida“ von Wilhelm Klotzek | Foto: Gintautas Beržinskas
Für die Gesundheit des Textes sorgt Klotzek mit Arzneimitteln: Wortspiele auf lederbezogenen Platten, Eingedrängtes/Eingeschobenes zwischen den Exponaten des Thomas-Mann-Museums, das auch von seinem Ni(e)da und von der anmaßenden Identifikation mit dem großen Schriftsteller erzählt. Die Kopie der Kopie der Tischlampe von Thomas Mann (ausgestellt im Museum) hat sich bewährt und lockte diesen, noch ziemlich lebendigen Text an: Nie da in Nida.
 

Wilhelm Klotzek war der zweite Stipendiat des Goethe-Instituts Litauen, der im Juni und Juli 2013 in der Kunstkolonie Nida residierte. Die Präsentation seiner für das 17. Thomas-Mann-Festival erschaffenen Arbeiten fand am 14. Juli im Thomas-Mann-Haus statt. Sowohl der auf Papier festgehaltene Text, der zuvor laut vorgetragen worden war, als auch seine Plastik-Bild-Objekte verblieben im Thomas-Mann-Haus bis zum Ende des Sommers 2013.

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