Kuhrische Nehrung
Interpretation litauischer Künstler

Ostpreußische Künstler, Lehrende und Studierende der Kunstakademie in Königsberg entdeckten schon um 1850 die Kurische Nehrung und verewigten sie in ihren Arbeiten. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstand eine Künstlerkolonie in Nidden, der sich später auch Künstler aus ferneren Gegenden Deutschlands und ganz Europas anschlossen.
Die litauischen Künstler entdeckten die Kurische Nehrung mit ihrer eindrucksvollen Landschaft eine ganze Weile später. Laut Dr. Nijolė Strakauskaitė, die sich der Geschichte dieses Landstriches widmet, hatte die litauische Bevölkerung, auch nachdem das Memelland 1923 zum autonomen Teil der Litauischen Republik wurde, ihre Schwierigkeiten mit der "Entdeckung" der Kurischen Nehrung, denn man wusste nur wenig von ihr und störte sich am deutschen Image dieser Sommerferienorte. In der Tat wird in den Erinnerungen des Bildhauers Petras Rimša, der 1912 die Kurische Nehrung bereiste, neben der Begeisterung für die Landschaft auch ein Gefühl des Unbehagens vernehmbar, das ihn in der deutschen Umgebung überfiel und das auch in den Gesprächen zwischen dem Publizisten und Fotografen Petras Babickis und so manchem Intellektuellen von Kaunas noch um 1931 auftaucht. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass die ersten Künstler, die auf die Kurische Nehrung für Erholung und Arbeit kamen, sämtlich auf die eine oder andere Weise mit Deutschland in Verbindung standen oder Deutsch sprachen. Es ist anzunehmen, dass der erste litauische Künstler, der hier länger verweilte, 1920 der Maler Antanas Žmuidzinavičius war. Er war bereits mehrfach zu Studienzwecken in Deutschland gewesen und ließ sich von der einzigartigen Landschaft der Nehrung so begeistern, dass er sich dort sowohl in den 1920ern als auch in den 1930ern oft aufhielt und arbeitete. Um 1923 besuchte der aus Klaipėda (Memel) stammende Künstler Adomas Brakas die Nehrung. Im Sommer 1926 arbeiteten Petras Kalpokas, der in München studiert hatte, und seine spätere zweite Ehefrau, die bildende Künstlerin und Ballett-Tänzerin Olga Dubeneckienė (geb. Schwede), die aus einer deutschen Familie in Livland stammte, auf der Kurischen Nehrung.
2010 begann die Gruppe der Individualisten in Pervalka (Perwelk) ihre Plein-Air-Workshops zu veranstalten. 1997-1999 fanden in Juodkrantė internationale Symposien der Steinbildhauerei statt, die dort entstandenen Arbeiten schmücken noch heute das Haffufer. Seit 2008 finden in Juodkrantė internationale Symposien für Feuerskulpturen aus Schilf statt. Die dabei entstehenden Arbeiten werden zur Feier der Herbst-Tagundnachtgleiche verbrannt. Auch die Tradition der Kunstpraktika auf der Nehrung für Schüler und Studenten wird fortgesetzt. Zum Stützpunkt des Sommerpraktikums der Vilniusser Kunstakademie wurde 2011 die Kunstkolonie Nidden, die auf ihre Weise die Tradition der historischen Künstlerkolonie fortsetzt und aktualisiert. 1994 ließ sich die Künstlerfamilie Kristina und Albertas Danilevičius in Juodkrantė nieder und eröffnete dort ihr Sandstudio. Um 1995 erwarben die Künstler und Förderer der ethnischen Tradition der Nehrung Jūratė Bučmytė und Albertas Krajinskas hier ein Sommerhaus. Der aus Nida stammende Marius Valančius schloss ein Kunststudium ab. Neben den staatlichen Museen wurde auch die private Galerie der Familie Mizgiris und eine Kurenkahnwimpel-Galerie eröffnet. Auf der Nehrung finden zahlreiche Festivals und Seminare statt. Die Kurische Nehrung gilt also wieder als ein Paradies für Künstler, wobei es einfacher wäre, die litauischen Künstler aufzuzählen, die seit 1991 nicht hier gewesen waren, als solche, die hier waren.
In den auf der Nehrung entstandenen Arbeiten litauischer, genauso wie auch deutscher Künstler dominiert die Landschaft mit dem faszinierenden Raum dieser Gegend, den majestätischen Dünen der Nehrung, der Ruhe ausstrahlenden Weiten des Haffs, die launenhafte See mit den für diese Gegend charakteristischen Booten, den Stränden, der landestypischen Architektur, den Einwohnern und ihrem Alltag und den Feriengästen. Meist enthalten sie Ansichten von Nida, Motive aus Juodkrantė, Pervalka sowie Preila (Preil) kommen auch vor. Die auf der Nehrung entstandenen Arbeiten dokumentieren deren Landschaft, halten ihren Wandel fest und vermitteln die Identität und Essenz dieses einzigartigen Landstriches.
Literatur:
Jörn Barfod. Nidden Künstlerkolonie auf der Kurischen Nehrung. Fischerhude, 2005.
Nijolė Strakauskaitė. Kuršių nerija – Europos pašto kelias (Die Kurische Nehrung – die Poststraße Europas). Klaipėda, 2001
Petras Babickas. Gintaro krantas (Die Bernsteinküste). Kaunas, 1932
Juozas Pronskus. Lietuvos Sahara: Kuršių užmaris (Die litauische Sahara: das Kurische Haff). Klaipėda, 1923
Bilder/Werkeverzeichnis des Malers A. Žmuidzinavičius (Žemaitis) Antanas-Žmuidzinavičius-Museum, Kaunas
Saulius Kruopis. Nidden. Brücke. Anthologie der Plein-Air-Workshops expressionistischer Malerei. Vilnius, 2011
Tarp dangaus ir jūros: Kuršių nerija XIX a. pabaigos – XX a. I pusės meno kūriniuose: parodos katalogas (Zwischen Himmel und Meer: Die Kurische Nehrung in künstlerischen Arbeiten Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Ausstellungskatalog)/ Hg. Irmantė Šarakauskienė. Kaunas, 2011