Musiktheater für Kinder
Aktuelle Entwicklungen in Deutschland

„Sturmkind“ (UA), Kindermusiktheater von Hannes Dufek und Finegan Kruckemeyer, Oldenburgisches Staatstheater; © Andreas J. Etter
„Sturmkind“ (UA), Kindermusiktheater von Hannes Dufek und Finegan Kruckemeyer, Oldenburgisches Staatstheater | Foto (Ausschnitt): © Andreas J. Etter

Das Musiktheater für Kinder in Deutschland zeigt sich derzeit vielgestaltig und bewegt sich zwischen Konvention und Innovation. Junge Opern als Abteilungen an Opernhäusern gehören mittlerweile zum guten Ton an fast jeder Opernbühne.

Neben bekannten Märchenopern (zum Beispiel Humperdincks Hänsel und Gretel) und einigen Klassikern des Abendspielplans, die in verkleinerter Form und reduzierter Besetzung für Kinder adaptiert sind (zum Beispiel Die kleine Zauberflöte), finden sich im Musiktheater für Kinder seltener neue Werke. Neue Kinderopern erleben immer dort eine Entwicklung, wo das persönliche Engagement einer Intendanz oder einer Opernleitung an einem Mehrspartenhaus wirkt.

1996 wurde die europaweit erste Kinderoper in Köln gegründet und erhielt im oberen Foyer der Kölner Oper einen eigenen Ort, in dem nur für Kinder gespielt wird. Die Komische Oper Berlin blickte im Februar 2012 mit einer Fachtagung für Kinderopernproduzenten auf ihre zehnjährige Entwicklung von Bühnenopern für das junge Publikum zurück. In Hamburg feierte die Opera piccola an der Hamburgischen Staatsoper 2011 ihr zehnjähriges Bestehen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Miteinander statt nebeneinander

An einigen Orten in Deutschland ist seit wenigen Jahren anderes im Gange: Opernschaffende und Kinder- und Jugendtheaterkünstler arbeiten hier in unterschiedlich strukturierten Konstellationen gemeinsam, um neue Werke für die junge Opernbühne zu entdecken oder in umfassenden und aufwendigen Produktionsprozessen gemeinsam zu entwickeln. Beispiele dafür sind die 2006 als neue Sparte gegründete Junge Oper am Nationaltheater Mannheim, in der Oper und das Kinder- und Jugendtheater Schnawwl zusammenarbeiten, die Junge Oper Stuttgart, die seit fast zwei Jahrzehnten kontinuierlich für ein junges Publikum aufführt, die 2006 gegründete Junge Oper in Dortmund, die Junge Oper an der Staatsoper Hannover und seit der Spielzeit 2012/13 auch die Junge Oper an der Deutschen Oper Berlin, die in der neu ausgebauten Tischlerei ihren Spielort gefunden hat. Bemerkenswert ist auch die Zusammenarbeit der freien Kinder- und Jugendtheatergruppe Pfütze mit dem Stadttheater Fürth, die Anfang März 2012 die jungeMET – zeitgenössisches Musiktheater für Kinder in der Metropolregion Nürnberg als gemeinsame Sparte gründeten.

Hier werden ganz unterschiedliche Wege gefunden, um die Fähigkeiten der Spezialisten aus beiden Feldern zusammenzubringen. Die einen haben ihre Erfahrungen mit den Stoffen, Spiel- und Erzählweisen für Kinder im Gepäck, die anderen bringen ihre Kenntnisse aus der Musiktheaterarbeit in die Zusammenarbeit ein. Neue Musiktheaterwerke entstehen dabei nicht ausschließlich an den Schreibtischen von Librettisten und Komponisten. Sie brauchen die Mitwirkung der beteiligten Ensembles und erfordern daher aufwendige und langfristige Produktionsprozesse, die sich nicht reibungslos in die Produktionsabläufe von Opernbühnen fügen lassen. So entstehen Werke, die ihre Referenz nicht in den Formen der Oper suchen, sondern vielfältige Möglichkeiten erkunden, wie Musik, Gesang und Szene – gemeinsam und gleichberechtigt – zeitnahe Stoffe für Kinder mit zeitgenössischer Musik erzählen können.

Mit den Kindern ließe sich das zeitgenössische Musiktheater neu erfinden. Sie erleben unbefangen fremde Klangwelten und ungewohnte szenische Lösungen, denn die Konventionen, wie Musiktheater spielen und klingen soll, haben sie noch nicht verinnerlicht. Daher lassen sie sich eher zu unbekannten Hör- und Seherlebnissen verführen als das konventionsbewusste Opernpublikum.

Das erste Symposium zum Musiktheater für Kinder und seine Folgen

Die beschriebenen Entwicklungen stehen noch ganz am Anfang. Deshalb suchen die beteiligten Künstlerinnen und Künstler den Austausch untereinander. 2009 bot das erste Symposium zum zeitgenössischen Musiktheater für Kinder am Nationaltheater Mannheim, das in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland und der internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche ASSITEJ veranstaltet wurde, dazu Gelegenheit. Es fragte: „Welches Musiktheater brauchen Kinder?“ Rund 100 Teilnehmer kamen zusammen zu einer Bestandsaufnahme dessen, was zeitgenössisches Musiktheater für Kinder ist. Im Ergebnis dieser Tagung wurde das Mannheimer Manifest veröffentlicht. Es bündelt die strukturellen, inhaltlichen und ästhetischen Herausforderungen an ein Musiktheater für Kinder, das selbstbewusst und auf der Höhe der Zeit neben den anderen Formen der darstellenden Künste mitspielen will.

Und es wurde die Arbeitsgruppe Musiktheater für ein junges Publikum der ASSITEJ ins Leben gerufen, in der sich seit Mai 2010 regelmäßig eine wachsende Zahl von Vertretern verschiedener Opernhäuser und -sparten, Kinder- und Jugendtheatern, Verlagen, sowie Komponisten, Librettisten und Wissenschaftler versammelt, um sich an wechselnden Orten und Häusern über verschiedene Aspekte der oben beschriebenen Entwicklungen auszutauschen. Die Sichtung und Besprechung von aktuellen Inszenierungen bietet jeweils den Anstoß, um gemeinsam über Arbeitsweisen, Konzeptionen, Strukturen und Perspektiven ins Gespräch zu kommen.

Bisher trafen die Beteiligten sich vierteljährig. Themen waren Inszenierungsgespräche und Formen des Austauschs, Repertoireentwicklung, Produktionsstrukturen, Vermittlung und Wirkungsästhetik, Vernetzung und Raum-Visionen. Weitere Termine sind geplant. Beim Treffen im März 2013 an der Jungen Deutschen Oper Berlin wendeten sich die Teilnehmer den partizipativen Formen im jungen Musiktheater zu.

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