„Bambiland“ von Elfriede Jelinek

Bambiland
© Foto Dmitrijus Matvejevas

Ein Botenbericht von der medialen Vermittlung des Krieges. Elfriede Jelinek reflektiert in Bambiland nicht nur die konkreten Ereignisse des Irak-Krieges, die eigene Haltung dazu, die Fernsehreportagen, sondern ebenso die Grundlagen des westlichen Bewusstseins.

Stimmen zur Inszenierung in Litauen

Auf einfallsreiche Art und Weise hat Yana Ross einen fortlaufenden Monologtext zu einem Bühnenstück gemacht. Sie zerlegte den Text in Dialoge zwischen erdachten Figuren und wies ihren abstrakten Sätzen konkrete, aber zweitrangige Bedeutungen zu. Eine Frau erzählt ihrem Mann etwas von Flügelraketen, tatsächlich aber macht sie ihm Vorwürfe wegen seiner „Wurfkeule“, die das Ziel nicht mehr erreicht. Freundlich lächelnd und winkend erzählt Elisabeth II. von den Engländern (hervorragend gespielt von Diana Anevičiūtė – auch alle anderen archetypischen Mutterfiguren, von der Landesführerin bis zur reuigen Maria, gelingen der Schauspielerin ausgezeichnet). Doch der Text, umgewandelt zu einem Stück, wird gleichzeitig zu einem starren Schema, das bereits nach einer Stunde langweilig wird: eine neue Bühne, neue Gegenstände, die aus den „Schächten“ eines Flugzeugs herunterkommen – und neue Dialoge. Bis zur nächsten Szene. Auch der im Text verborgene Schmerz und die Wut, die sich nur in der ersten Szene wehklagend Raum schufen, gehen verloren oder werden so schlecht rezitiert, dass man den Eindruck erhält, der Text stamme aus der Feder irgendeiner Graphomanin, nicht aber einer Nobelpreisträgerin. Nur die besten Szenen bieten Repliken aus dem blutigen Kabarett dieser Welt.
(Vaidas Jauniškis „Krankheiten und Heilmittel aus demMärchenland“, Verslo žinios, 27.04.2007)

Das präzise, funktionale und vieldeutige Bühnenbild von Jūratė Paulėkaitė, die musikalischen Motive von Gintaras Sodeika und die auf den ersten Blick chaotische Bildkomposition der Regisseurin Yana Ross, der es an strengerer Selektion oder stärkerer Intonation mangelt, um die Spielenden von den Zuschauenden zu trennen: All dies fließt nach der ersten Hälfte des Stücks zu einem dramatischen Zeugnis zusammen und mündet in einem Ton, der wenn nicht emotional, so doch zum Atemanhalten ist. Gerade in den Finalszenen, in denen die Regisseurin die Texte der Verfasserin nicht mehr in schauspielerische Miniaturen zerlegt, erklingen die „Verfluchungen“ Jelineks in all ihrer verletzenden Wahrheit und öffnen uns die Augen auf das uns umgebende „Bambiland“ (ich würde sagen, es ist dasselbe „Bambiland“, auf das wir zustreben, wo wir erwartet werden und von dessen „reich gedecktem Tisch“ wir uns bereits die Leckerbissen aussuchen als ein weiteres Volk, das sich nicht nur (oder vielleicht doch nur?) für den Fleischwolf des Krieges oder die blinde Zerstörung eignet).
(Rasa Vasinauskaitė „Die Kinder Bambilands“, 7 meno dienos, 27.04.2007)

Inszenierung in Litauen

Premiere 19.04.2007
Regie Yanna Ross
Bühne Jūratė Paulėkaitė
Musik Gintaras Sodeika
Mit Diana Anevičiūtė, Saulius Balandis, Algirdas Gradauskas, Marius Jampolskis, Mindaugas Jusčius, Jurga Kalvaitytė, Jūratė Vilūnaitė, Arūnas Vozbutas
Übersetzung Dangė Čebatariūnaitė und Antanas A.Jonynas

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