Online-Filmreihe
Mit ihrem Fokus auf das Filmschaffen von Schwarzen Regisseur*innen und Regisseur*innen of Color in Deutschland setzt sich die Filmreihe Fiktionsbescheinigung mit einem noch immer zu wenig bekannten Kapitel deutscher Filmgeschichte auseinander. Dabei stellt sie Fragen wie: Wer findet Einlass in die deutsche Kulturgeschichte, ins Kino und den Filmkanon, und wer bleibt draußen? Wer bestimmt, was gespielt wird?
„Fiktionsbescheinigung“: Das ist ein Begriff aus dem Amtsdeutsch. Wenn Menschen aus Nicht-EU-Ländern einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stellen, dann erhalten sie für die Zeit, in der der Antrag geprüft wird, eine solche Bescheinigung. So können sie ihr vorläufiges Recht, sich in Deutschland aufzuhalten, belegen. Für sie ist es trotzdem eine Phase der Unsicherheit: Wird der Antrag abgelehnt? Wird er akzeptiert? Das Verfahren kann mehrere Monate, manchmal Jahre dauern. Und strenggenommen würde schon der Antrag reichen, das Aufenthaltsrecht nachzuweisen, doch die deutschen Behörden mögen es, wenn es bürokratisch zugeht.
Fiktionsbescheinigung“ setzt dagegen die Idee einer fluiden Liste von Filmen aus den letzten vier Jahrzehnten. Die Reihe versteht sich als Momentaufnahme in einem selbstbestimmten und fortlaufenden Prozess der Einmischung und des Widerspruchs. Jeder Film ist ein Vorschlag, den weißen deutschen Blick mit vielfältigen, intersektionalen Perspektiven zu parieren, und allen gemein ist eine eigene visuelle und textuelle Praxis der Zeugenschaft von innen, nicht vom Rand. Einige Arbeiten im Programm von „Fiktionsbescheinigung“ handeln direkt oder indirekt von der Absurdität der Bürokratie (JORDMANNEN) oder vom kafkaesken Hindernislauf zu Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit (DIE TÜRHÜTER, BRUDERLAND IST ABGEBRANNT). Manche gehen humorvoll mit dem weißen Blick um (IN THE NAME OF SCHEHERAZADE). Andere Filme beschäftigen sich mit Kindern, die auf das Leben ihrer Eltern blicken (SORGE 87). Und manchmal nimmt sich ein Film die Freiheit, in die Zukunft zu springen und dabei eine bessere Welt zu imaginieren (OCTAVIA’S VISIONS).
Dabei ermuntert „Fiktionsbescheinigung“ die Zuschauer*innen, sich zu fragen, wo sich diese Filme bisher versteckt haben und warum die meisten von ihnen einem breiteren Publikum nicht zugänglich waren. Damit bietet die Reihe eine Diskussionsgrundlage, um über Ausgrenzung und Diskriminierung vor und hinter der Kamera, bei Festivals, in der Archivierung und Kanonisierung, in der Distribution und der Rezeption von Filmen in Deutschland ins Gespräch zu kommen.
Die Türhüter
Regie: Sema Poyraz, D 1988, 17 Min, Dokumentation
Sorge 87
Regie: Thanh Nguyen Phuong, D 2018, 10 Min, Animationsfilm
Bruderland ist abgebrannt
Regie: Angelika Nguyen, D 1992, 28 Min, Dokumentation
Octavia’s Visions
Regie: Zara Zandieh, D 2021, 18 Min, Experimentalfilm
In the Name of Scheherazade oder der erste Biergarten in Teheran
Regie: Narges Kalhor, D 2019, 75 Minuten, experimenteller Dokumentarfilm
Exil
Regie: Visar Morina, D, BE, XK 2020, 121 Min, Spielfilm
Der zweite Anschlag
Regie: Mala Reinhardt, D 2018, 62 Min, Dokumentarfilm
Riss
Regie: Biene Pilavci, D 2010, 9 Min, Kurzfilm
Auf den zweiten Blick
Regie: Sheri Hagen, D 2012, 95 Min, Spielfilm
Fake Soldiers
Regie: Idrissou Mora-Kpai, D 1999, 24 Min, Dokumentarfilm
18 Minuten Zivilcourage
Regie: Rahim Shirmahd, D 1991, 20 Min, Dokumentarfilm
Black in The Western World
Regie: Wanjiru Kinyanjui, D 1992, 23 Min, Dokumentation
Jordmannen
Regie: Muammer Özer, SE 1980, 27 Minuten, Hybrid
Vom 12.09.2022 bis zum 12.10.2022 ist das Filmprogramm auf Goethe On Demand verfügbar.
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